Um die steigenden Kosten in der Produktion und im Handel auszugleichen, werden in der Branche immer lauter höhere Preise gefordert und von den meisten Verlagen auch kalkuliert. Gleichwohl lockt auch der schnelle Euro durch das Verramschen nicht verkaufter Auflagen.
Die Preisbindungstreuhänder Christian Russ und Dieter Wallenfels berichten, wie alljährlich, auch in ihrem jetzt vorgelegten „Arbeitsbericht 2022“ von Preisbindungsverstößen durch künstlich erzeugte Mängelexemplare, dieses Mal im Rahmen der Verkaufsaktion einer Buchhandelskette. Diese Bücher wiesen jeweils „gleichförmige Macken“ auf. Das künstliche Mängeln kann als Preisbindungsverstoß oder als wettbewerbswidriges Handeln geahndet werden.
Als „besonders unerträglich“ kommentieren die Anwälte die Beobachtung, dass „offenbar irgendwo in der Lieferkette Verlag – Zwischenhandel – Sortiment tausende von neuwertigen Büchern absichtlich beschädigt“ wurden, um sie als vorgebliche Mängelexemplare verkaufen zu können. Dabei habe es sich in vielen Fällen um Bücher gehandelt, die älter als 18 Monate waren, und für die die Preisbindung einfach hätte aufgehoben werden können. „Es erschließt sich uns nicht, warum man nicht diesen einfachen Weg nimmt und die Bücher stattdessen lieber kaputt schlägt.“
Ob es der Macken überhaupt bedarf, ist Gegenstand eines Musterverfahrens, bei dem es um die Definition des Begriffs „Mängelexemplar“ geht. Reicht womöglich ein bloßer „Mängelexemplar“-Stempel? Das Landgericht Wiesbaden hatte verneint, dass allein die Anbringung eines Mängelstempels genüge, um das Buch damit aus der Preisbindung herauszuführen. Der betroffene Händler Hugendubel digital hat laut Bericht der Preisbindungstreuhänder Berufung gegen das Urteil eingelegt; im November findet die mündliche Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt statt.
Man kann es scheinbar den Herren Preisbindungstreuhändern nicht recht machen. Bei den Mängeln handelt es sich i.d.R. um Remittenden. Diese sind durch Transport, Retourenabwicklung und den Gebrauch meist nicht mehr neuwertig. Leider hat die Vergangenheit gezeigt, dass exakt diese Bewertung „neuwertig“ oder „nicht neuwertig“ Seitens der Preisbindungstreuhänder penibelst ausgelegt und gerne auch mit viel Tamtam verfolgt wird. Um also dieser Verfolgung zu umgehen, werden die Mängel nicht nur mit der Kennzeichnung „Mängelexemplar“ versehen, sondern es wird auch darauf geachtet, dass ein sichtbarer unstrittiger Mangel vorhanden ist. Denn den fordern ja exakt die, die sich jetzt über ihn beklagen. Und wieder mit dem Argument „dass neuwertige Bücher künstlich gemängelt werden“. Der Hinweis auf Titel, die älter als 18 Monate sind, zeugt von einer recht pointierten Sicht. Es geht eben nicht um die kompletten Auflagen, sondern um den Teil, der schon eine Rundreise hinter sich hat und somit nicht mehr als „neu“ verkauft werden kann. Mir ist übrigens kein Passus im Preisbindungsgesetz bekannt, in dem explizit das Beschädigen von Büchern untersagt wird.