Heute bestellt, morgen abholbereit im Laden: Im Abwehrkampf gegen die Onliner ist die reibungslose Buchlogistik für den stationären Handel ein zentrales Instrument. Dieses bis tief in die Regionen verästelte Kapillarsystem steht 2019 aber kurz vor einem Infarkt: Im Februar rauscht KNV mit einem Paukenschlag in die Insolvenz. Mit Zeitfracht präsentiert Insolvenzverwalter Tobias Wahl im Juni relativ schnell einen Retter. Grundsätzlich bleibt das System aber weiter gefordert.
„Der Zwischenbuchhandel, Verlagsauslieferungen und Barsortimente, verdient in Deutschland kein Geld. Die Margen im Barsortiment lassen keine weitere Subventionierung der Transporte mehr zu“, schlägt Libri-Chef Eckhard Südmersen im Sommer Alarm. Umbreit-Geschäftsführer Clemens Birk urteilt ähnlich: „Die teure Transportlogistik ist kaum kostendeckend zu betreiben.“ Das Gewerbe der Buchlogistiker wird durch mehrere Faktoren erschwert:
- Marktentwicklung: Es gibt insgesamt weniger zu bewegen, die Absatzzahlen werden mittelfristig weiter schrumpfen.
- Fragmentierung: Die Buchlogistik leidet unter zunehmender Kleinteiligkeit. Neben der üblichen Vereinzelung im Barsortimentsbezug erleben auch die Verlagsauslieferungen bei den Bestellungen kleinere Stückelungen.
- Steigende Kosten: Mautgebühren und kletternde Kraftstoffpreise schlagen durch, der Kampf um freie Transportkapazitäten wird schärfer, weil der weiter boomende Online-Handel mehr Fracht auf die Straße bringt.
Systemrelevant ist der Zwischenbuchhandel nicht nur in seiner Rolle als flächendeckender Versorger. Mit der Listung von Titeln spielen die Großhändler auch bei der Sichtbarkeit der Bücher eine wichtige Rolle. Höher, schneller, weiter: Im Rennen um Marktanteile hatten sich die großen Wettbewerber KNV und Libri bei der Menge der bevorrateten Titel in der Vergangenheit ein scharfes Rennen geliefert. 2016 setzte Libri mit der Vergrößerung des Lagers auf rund 1 Mio Titel neue Maßstäbe. Auch hier gibt es 2019 eine Zäsur: Vor dem Hintergrund der genannten Verschärfungen im Geschäft und mit Verweis auf wirtschaftliche Notwendigleiten zieht Libri die Reißleine, durchforstet das Lager und wirft rund 180.000 Titel raus, um mehr Platz für besser drehende Bücher zu schaffen. Die Auslistung sorgt für den großen Aufreger im Sommer: Kleinere Verlage laufen dagegen Sturm, Kritik kommt auch von der IG unabhängige Verlage im Börsenverein sowie der Kurt-Wolff-Stiftung.
Die weiteren Aussichten? Das gewohnte Leistungsspektrum der Logistiker wird sich nicht ohne Anpassungen und Preissteigerungen halten lassen.
Was plant KNV-Zeitfracht?
Der neue KNV-Eigner Zeitfracht will 2020 an einigen Stellschrauben drehen:
- Neue Gebührensätze: Man werde „mehr Transparenz schaffen“ und ab Januar neue, variable Preismodelle anbieten und mit den Kunden gemeinsam „das für sie optimale Modell auswählen“, heißt es aus der Zeitfracht Gruppe, die bereits im Juli die Kosten der Übernachtlieferung thematisiert hatte.
- Wird die Übernachtlieferung teurer? „Es könnte für manche Kunden eine Option sein, sich nicht mehr jeden Tag, sondern an festen, zu definierenden Tagen mit einer größeren Menge beliefern zu lassen. Wir werden die Kosten verursachergerecht zuordnen.“
- Optimierte Transportlogistik: Es sei „aus ökologischen Gründen eventuell sinnvoll, Bestellungen, die sehr kurzfristig rausgehen und dann noch im normalen Tagesablauf sortiert und verarbeitet werden, nicht selbst auszufahren, sondern sie an einen Express-Dienstleister zu übergeben.“
- Als neue Dienstleistung kommt im 1. Halbjahr das Tracking: „Unseren Buchhandelskunden werden wir künftig sehr genau sagen können, wo ihre Lieferung gerade ist und wann sie verbindlich zu ihnen kommt. Sie können den Stand der Sendungen dann in ihrer App oder in ihrem Portal verfolgen.“
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