Sara Bershtel (Metropolitan, USA) über deutsche Bücher
Lohnt sich deutsche Literatur, Frau Bershtel?
Sara Bershtel macht sich in den USA für Belletristik aus Deutschland stark. Dafür wurde die Metropolitan-Verlegerin mit dem Friedrich Ulfers Prize geehrt. Im Interview beschreibt Bershtel den Stellenwert deutscher Literatur jenseits des Atlantiks.
Deutsche Bücher stehen in den USA in der Lesergunst meist nicht weit oben. Und doch veröffentlichen Sie Literaten wie Herta Müller und Christoph Hein. Lohnt sich das?
Die amerikanischen Leser sind eindeutig besser als ihr Ruf. Im erzählerischen Bereich funktioniert hier einiges, was aus Deutschland her‧überkommt. Die gleichen Leute, die Literatur aus amerikanischer Feder lesen, sind auch dafür offen. Das gilt nicht nur für literarische Bücher, sondern auch für gut gemachte, anspruchsvolle Sachbücher. Wolfgang Schivelbuschs „Die Kultur der Niederlage“ zum Beispiel, 2004 bei Metropolitan Books erschienen, ist Standardlektüre an vielen Hochschulen und Universitäten. Aber es ist natürlich richtig, dass sich deutsche Autoren in der kommerziellen Belletristik häufig schwertun.
Warum?
Viele zeitgenössische Romane, die in Deutschland sehr erfolgreich sind, funktionieren in diesem Land schon wegen ihrer Thematik nicht. Multikulti zum Beispiel, seit einiger Zeit ein Lieblingsthema deutscher Autoren, ist in den USA seit Jahren Alltag und muss nicht mehr in Büchern aufgearbeitet werden.
Sie gehören zu den wenigen US-Verlegern, die fließend Deutsch sprechen. Hilft das bei programmatischen Entscheidungen?
Meine Sprachkenntnisse sind wichtig, weil sie die Arbeit im Verlag so viel einfacher machen. Bücher, die ich auf Deutsch oder Französisch nicht lesen kann, kaufe ich auch nicht ein.
Metropolitan Books ist ein Holtzbrinck-Verlag. Spielt das für Ihre Affinität zu deutschsprachigen Büchern eine Rolle?
Ganz und gar nicht, wir sind verlegerisch völlig unabhängig. Holtzbrinck hält sich aus den Programmen grundsätzlich heraus.
Übersetzen Sie selbst auch Bücher aus dem Deutschen?
Ich bin in den Übersetzungsprozess sehr eng eingebunden und stehe in ständigem Kontakt mit dem Übersetzer, aber ein Buch eigenständig zu übersetzen, das traue ich mir nicht zu. Das können andere viel besser.
Arbeitet Ihr Verlag mit einem festen Stamm von Übersetzern?
Ich kenne eine Reihe von Übersetzern schon sehr lange und sehr gut und habe deshalb für bestimmte Schriftsteller immer sofort eine erste Wahl im Kopf. Der Originalautor, das Buch und der Übersetzer müssen zueinander passen. Eine literarische Übersetzung ist eine intellektuelle Herausforderung. Der Übersetzer muss den Tonfall des Autors, seine Sprache genau treffen und darf doch nicht den Fehler begehen, einen Text eins zu eins umsetzen zu wollen.
Die Fragen stellte Anja Sieg
Zur Person: Sara Bershtel
ist Verlegerin von Metropolitan Books, dem literarischen Imprint der Holtzbrinck-Tochter Henry Holt. Gegründet hat sie Metropolitan 1995 gemeinsam mit Michael Naumann, Ex-Rowohlt-Geschäftsführer und damals Verlagschef von Holt. Zuvor war Bershtel Cheflektorin von Pantheon und Farrar, Straus & Giroux.
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