»The best way to predict the future is to design it.«
Richard Buckminster Fuller, der Architekt, Konstrukteur, Visionär und Schriftsteller, der uns so zur Gestaltung der Zukunft auffordert, begann nach einer heftigen Lebenskrise ein lebenslanges Experiment: Er wollte feststellen, was eine einzelne Person dazu beitragen kann, die Welt zum Nutzen der Menschheit zu verändern. Angetrieben von diesem Gedanken, schenkte er der Welt zukunftsweisende Entwürfe und Texte.
Haben nicht mutige Branchenmenschen dieses Jahr in den 40 Tagen Lockdown genau das getan? Sich gefragt, was sie konkret dazu beitragen können, dass es irgendwie weitergeht? Zum Nutzen der Menschen. Die verunsichert waren. Orientierung suchten. Beschäftigung. Halt.
In diesen Wochen hat unsere Branche gezeigt, was sie kann: Die Zahnräder der „Buchmaschinerie“ griffen ineinander, am „Frontend“, den Buchhandlungen, wurde kreativ improvisiert. Wir entdeckten, dass wir digitaler aufgestellt sind als wir dachten! Wir krempelten die Ärmel hoch und sicherten die Versorgung mit dem „Grundnahrungsmittel“ Buch.
Hätte man uns auf einem Branchentreffen zuvor diese Herausforderungen theoretisch geschildert, wir hätten vermutlich Probleme analysiert, über Konditionen gestritten, über mangelnde Rentabilität geklagt und abgewunken.
Was uns diese Erfahrungen lehren? Wir können es!
Diese Branche kann viel mehr als sie denkt. Sie kann es, weil sie belastbar ist. Und belastbar sind Systeme, wenn sie keine Monokulturen sind. Die Vielfalt eines dichten Buchhandelsnetzes, nicht nur in den 1a-Lagen, sondern auch im Kiez rettete gelangweilten Kindern und Jugendlichen Nachmittage im Homeoffice der Eltern. Die Professionalität der Branche sicherte den Nachschub. Kreativität und Identifikation setzten innovative Kräfte frei. Wir (er)lebten Solidarität. Miteinander. Und mit denen, für die wir da sind: den Leserinnen und Lesern.
Mit Optimismus und Tatkraft rackerten wir uns aus dem Zahlentief, das der Lockdown uns dennoch beschert hat. Wir glaubten an uns und an die Bedeutung unserer Bücher. Ein paar Monate lang glaubten wir sogar, Corona mit einer analogen Buchmesse in Frankfurter Messehallen die Stirn bieten zu können.
Ja, auch Optimismus ist eine Stärke der Branche. Heute Verträge für Bücher zu unterschreiben, die in zwei Jahren erscheinen und von denen man außer dem Exposé nichts kennt, wer traut sich das schon?
Was wäre, wenn wir diese Erfahrung mitnähmen in die Zukunft? Unseren Erfindergeist und Mut auf andere Herausforderungen der Zeit anwendeten: Digitalisierung! Verändertes Medien-Nutzungsverhalten! Neue Lern-, Lehr- und Arbeitskonzepte! Die Klimakatastrophe, die wir vor lauter Corona-News verdrängt haben!
In den Wochen des Lockdowns haben wir – die Branche mit der fast 600-jährigen Geschichte – klassische Start-up-Mentalität an den Tag gelegt. Wir können das.
Für die Zukunft braucht es mehr Vielfalt und Mut!
Machen wir also unsere Zukunft möglich! Und fragen wir uns jede/r, was wir dazu beitragen können. Besinnen wir uns auf unsere Stärken und feiern die Vielfalt, die sich daraus ergibt. Verteufeln wir nicht Mitbewerber oder unterschiedliche Unternehmenskonzepte! Sehen wir sie als Teil eines großen Miteinanders. So sehen das unsere Kunden nämlich weitestgehend.
Feiern wir diese Vielfalt und weiten sie noch aus:
- Ich wünsche mir in Verlagsvorschauen nicht nur mehr Frauen – das auch! –, sondern auch mehr BPoC (Schwarze und People of Colour). Erst wenn wir aufhören, Geschichte und Geschichten vorwiegend aus der Perspektive weißer Menschen (Männer) zu erzählen, werden wir die Welt wirklich kennenlernen.
- Ich wünsche mir nicht nur Stellenanzeigen mit dem kleinen „d“ hinter den Berufsbezeichnungen, sondern auch mehr Sichtbarkeit diverser Menschen auf unseren Podien. In unseren Büchern.
- Ich wünsche mir, dass wir furchtlos beobachten, wie junge Menschen Geschichten und Wissen aufnehmen – und unsere Ausgabe- und Darreichungsformen daran anpassen. Dass wir Kundenzentrierung als Lebenshaltung wählen. Neue Wege und Konzepte mutig ausprobieren. Scheitern und Umwege inklusive.
Und ich wünsche mir Medien, die diesen Transformationsprozess kritisch begleiten – so wie buchreport seit nunmehr 50 Jahren. Herzlichen Glückwunsch!
Karin Schmidt-Friderichs ist Verlegerin des Verlags Hermann Schmidt und seit Herbst 2019 Vorsteherin des Börsenvereins.
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