Neil Gaiman (Foto: Kimberly Butlerist ein Multitalent mit einem ausgeprägten Gespür für das, was Leser mögen. Die Comics, Graphic Novels, Romane und Kinderbücher des seit vielen Jahren in den USA lebenden Engländers sind Bestseller. Um die von ihm verfassten Drehbücher reißt sich Hollywood, sein täglicher Blog ist mit monatlich mehr als 1 Mio Zugriffen Kult.
Mit Comics (u.a. „The Sandman“) hat die Karriere des 48-Jährigen in den frühen 80er Jahren angefangen. Der Comicszene ist Gaiman immer noch eng verbunden, doch seinen ausgeprägt schwarzen Humor und Hang zu skurrilen Themen konzentriert er zunehmend auf das erzählende Fach. Zwei Romane für Erwachsene hat er inzwischen verfasst – in Deutschland sind „American God“ und „Anansi Boys“ bei Heyne erschienen – noch mehr Spaß aber machen ihm Bücher für Kinder und Jugendliche.
Innerhalb weniger Jahre hat sich Gaiman vor allem in den USA in die Spitzengruppe des Genres geschrieben. Mit der Verleihung der Newbery Medal für „The Graveyard Book“ hat Gaiman auf der Erfolgsleiter einen weiteren Sprung gemacht. Die von der American Library Association (ALA) vergebene Medaille ist die prestigeträchtigste Auszeichnung, die es in den USA für einen Kinder- und Jugendbuchautor gibt.
Votum für Nobody Owens
Mit „The Graveyard Book“ haben die ALA-Juroren einstimmig ein Buch ausgezeichnet, das bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen gut ankommt. Die im November 2008 mit 250 000 Exemplaren erschienene Geschichte von Nobody Owens, der sich nach der Ermordung seiner Eltern auf einen Friedhof flüchtet und dort von den Geistern der Toten beschützt wird, war im Weihnachtsgeschäft ein Topseller für HarperCollins Children’s Books.
Die Kritiker zeigten sich ebenfalls angetan. „Grusel mit Augenzwinkern“ schrieb „Publishers Weekly“. „Ein modernes Märchen für alle Altersklassen“ hieß es in der „New York Times“ über das Buch, das in 20 Sprachen übersetzt wird. Statt das Taschenbuch vorzubereiten, druckt HarperCollins mit dem Popularitätsschub der Newbery Medal im Rücken weiterhin gebundene Bücher nach – mittlerweile liegt die Gesamtauflage bei über 400 000 Exemplaren und „The Graveyard Book“ steht an der Spitze aller einschlägigen Bestsellerlisten.
Jubel hat die Newbery Medal auch in Deutschland ausgelöst, wo sich Arena vorgenommen hat, Neil Gaiman als Kinder- und Jugendbuchautor durchzusetzen. Als große Fans von Gaimans „skurriler Fantasie“ hatten Verleger Albrecht Oldenbourg und Programmleiterin Christiane Düring eine gute Nase, als sie die deutsche Übersetzung im Januar zeitnah zum Original in den Handel brachten. Düring: „Die höchste Kinderbuchauszeichnung der USA ist für uns im Handel ein zugkräftiges Argument.“
Von amerikanischen Verhältnissen ist Arena zwar weit entfernt, aber Oldenbourg ist zufrieden: „Die Erstauflage ist verkauft, die zweite Auflage läuft mit hohen Stückzahlen gut, alles in allem wurden die Erwartungen bisher übertroffen“. Für Aufmerksamkeit und Gesprächsstoff im Buchhandel hat die auffällige Verpackung gesorgt, die Arena seinem Spitzentitel spendiert hat: „Das Graveyard-Buch“ wird in einer vierfarbig bedruckten und geprägten Metalldose in Form eines Grabsteins angeboten.
„Das Graveyard-Buch“ ist das zweite Werk des Engländers bei Arena nach „Coraline“ (2003), mit dem Gaiman in den USA den Durchbruch als Kinderbuchautor geschafft hat. Anders als jenseits des Atlantiks, wo mittlerweile über 800 000 Exemplare abgeflossen sind, war „Coraline“ in Deutschland allerdings kein kommerzieller Erfolg.
Das, so hoffen Oldenbourg und Düring, könnte sich aber ändern. Denn nach dem großen Box-Office-Erfolg in den USA, wo „Coraline“ in den ersten zwei Wochen 53,8 Mio Dollar eingespielt hat, kommt die Verfilmung auch in die deutschen Kinos. Nachdem der Termin mehrfach verschoben worden ist, hat Universal Pictures jetzt endlich entschieden, dass der aufwändige, 35 Mio Dollar teure 3D-Puppentrickfilm am 30. Juli hierzulande Premiere hat.
Chris Riddle illustriert Neil Gaiman
Rechtzeitig zum Filmstart bringt Arena das Hardcover in neuer Ausstattung heraus. Gestaltet wird der Umschlag wie schon beim „Graveyard-Buch“ vom englischen Erfolgsillustrator Chris Riddle. Oldenbourg: „Mit dem einheitlichen Auftritt wollen wir Gaiman als Autorenmarke aufbauen.“ Auch Heyne steht mit einer Taschenbuchausgabe in den Startlöchern. Und die Comic-Version von „Coraline“ mit Zeichnungen von Craig P. Russell ist gerade bei Panini erschienen. Bereits im Herbst ist Arena im übrigen mit einem weiteren Jugendbuch von Gaiman zur Stelle: Den Fantasyroman „Interworld“ hat er zusammen mit seinem Freund Michael Reaves geschrieben.
Anja Sieg, sieg@buchreport.de
Zur Person: Neil Gaiman
1960 in Portchester (Großbritannien) geboren. Arbeitete zunächst als Journalist in London. Lebt seit 16 Jahren mit seiner Familie in der Nähe von Minneapolis (Minnesota) in den USA.
Comics/Graphic Novels (Auswahl): „The Sandman“ (1988-1996), „Black Orchid“ (1988), „Books of Magic“ (1991), „1602“ (2004).
Bücher (Auswahl): „Good Omens“ (1990), „Stardust“ (1999), „American Gods“ (2001), „Anansi Boys“ (2005).
Kinderbücher (Auswahl): „Coraline“ (2002), „The Wolves in the Walls“ (2003“), „The Graveyard Book“ (2008).
Drehbücher: „Neverwhere“ (1996), „Stardust“ (2006), „Beowulf“ (2007), „Coraline“ (2007).
Auszeichnungen (Auswahl): World Fantasy Award für „Sandman: A Midsummer Night’s Dream“ (1991), Hugo Award and Nebula für „American Gods“ (2002), Newbery Medal für „The Graveyard Book“ (2009).
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