Anders als auf den englischsprachigen Märkten ist das E-Book in Deutschland weiterhin ein Nischengewächs. Die britische Marktforscherin Jo Henry (Director Market Research bei Bowker) sucht im Videointerview (aufgezeichnet im Rahmen der Tools of Change-Konferenz im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse) nach Ursachen. Und erklärt, warum kostenlose E-Books wichtig sind, um das neue Medium zu etablieren.
Warum hat der deutsche E-Book-Markt Rückstand gegenüber den englischsprachigen?
Der deutsche E-Book-Markt scheint ein sehr männlicher Markt zu sein. Dies ist insofern nicht verwunderlich, als die Early Adopter oft Männer sind. Was aber erstaunlich ist: Die männlichen Nutzer sind vergleichsweise alt und weniger gut ausgebildet. Auch bei den Geräten gibt es Auffälligkeiten. Denn sehr viele Nutzer lesen ihre E-Books auf PCs. Auch dies ist von anderen Märkten bekannt, allerdings in der Regel bezogen auf die Lektüre von Fachbüchern. Die Deutschen lesen aber in erster Linie Belletristik an ihren Computern und Laptops, was nicht sehr komfortabel ist. Möglicherweise ist dies ein hemmender Faktor
Sie gehen davon aus, dass besonders kostenlose Inhalte die E-Book-Märkte vorantreiben. Verleger sind davon nicht begeistert. Ist die Angst übertrieben?
Der Prozess muss sehr vorsichtig gesteuert werden, damit die illegalen Kanäle nicht unterstützt werden. Aber wir müssen uns vor Augen führen, dass Märkte mit freien Angeboten durchstarten. Die Nutzer testen diese Inhalte und werden auch anschließend weiterhin kostenlose Inhalte herunterladen, zunehmend aber auch dafür bezahlen. So sollten Kunden an neue Medien herangeführt und erzogen werden.
Sind die umstrittenen 20-Pence-E-Books in Großbritannien der richtige Weg?
Ja, das ist ein guter Weg, um E-Books zu promoten. Die Bücher-Vielkäufer haben das E-Book-Format bereits sehr schnell angenommen, sie besitzen schon E-Reader, kaufen und leihen Bücher in allen möglichen Formaten. Andere Lesergruppen können aber mit solch günstigen Preisen an E-Books herangeführt werden.
In den USA ist die Backlist von Verlagen dramatisch eingebrochen, insbesondere als Folge der Borders-Pleite. Was raten Sie Verlagen in dieser Situation?
Die Backlist war schon immer ein Problem für die Verlage. Ich gehe aber fest davon aus, dass die digitalen Medien eine große Chance für die Vermarktung von älteren Titeln bieten. Verlage müssen sich noch stärker mit Suchmaschinenoptimierung beschäftigen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, so viele Widgets wie möglich auf den Seiten zu streuen, auf denen die eigene Leserschaft verkehrt, um auf die eigenen Titel aufmerksam zu machen.
Die Fragen stellte Daniel Lenz
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