Schon lange nicht mehr hat ein Buch in Deutschland Debatten ausgelöst wie Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“. Eine freiheitliche Debattenkultur, die von dem Willen getragen ist, sich mit provokanten Thesen inhaltlich auseinanderzusetzen, sei aber in Deutschland nur mangelhaft ausgebildet, schreibt die „Welt“. Man sei nicht bereit, seinem Gegenüber – auch wenn es unbequeme Ansichten vertrete – mit Achtung zu begegnen. Im Gegenteil, man spreche ihm die Ehre ab, beginne eine Inquisition und hoffe auf sein schnelles Ende. Er solle nicht nur seine Meinung zurücknehmen, er habe gleich allen Ämtern zu entsagen. Was man jedem Angeklagten in einem Rechtsstaat zubillige, nämlich im Zweifel für ihn zu sein und auch dem Schuldigen mildernde Umstände zuzugestehen, das gelte am Volksgerichtshof der öffentlichen Meinung nicht. Mit Lust stürze man sich auf die schwachen Argumente des Delinquenten – und übersehe geflissentlich alle seine starken. Dabei lasse man selbst der Bundeskanzlerin ein Verhalten durchgehen, das Erich Honecker gefallen hätte. Was sei das für ein Amtsverständnis, wenn die Regierungschefin eines Staates, in dem Gewaltenteilung herrscht, einer unabhängigen Institution nahelege, eines ihrer Vorstandsmitglieder zu entlassen? Bevor Angela Merkel Sarrazins Buch lese, solle sie sich ein anderes zu Gemüte führen: John Stuart Mills Schrift „Über die Freiheit“.
„FAZ“ (S. 1/16/33), „SZ“ (S. 4/11/15/19), „FTD“ (2/9/10/24/25), „Handelsblatt“ (S. 2/6/32), fr-online.de, focus.de, stern.de, tagesspiegel.de, taz.de, welt.de
VERLAGE
Bertelsmann: Europas größter Medienkonzern hat die Krise hinter sich gelassen. Die steigende Zahl von Werbespots in den Fernsehkanälen der RTL-Gruppe sorgt für höhere Gewinne. Und Bertelsmann will wieder zukaufen, zudem wächst der Konzern kräftig im Onlinegeschäft. Alles in allem ein Rekordjahr für Vorstandschef Hartmut Ostrowski.
„FAZ“ (S. 14), „SZ“ (S. 20), „FTD“ (S. 7), „Handelsblatt“ (S. 22), spiegel.de, buchreport.de
Suhrkamp: Die „Welt“ berichtet über die 60-Jahr-Feier des Verlages und fragt sich, ob ein Verlag mit dieser Historie noch fähig sei, zu neuen Ufern aufzubrechen.
welt.de
BÜCHER & AUTOREN
Michel de Montaigne: Die „SZ“ erzählt, wie der Bonner Hans Stilett an die Essais des französischen Philosophen gelangte und diese Wort für Wort übersetzte.
„SZ“ (S. 3)
Jan Faktor: Der tschechisch-deutsche Schriftsteller erhält den Candide-Preis 2010. Der Preis wird vom Literarischen Verein Minden vergeben und soll Literatur im Sinne der Aufklärung auszeichnen.
„FAZ“ (S. 29)
Jonathan Franzen: Der Erfolgsautor verweigert sich in den USA der Vereinnahmung durch Medien und Literaturzirkus. Die Mediengesellschaft ist beleidigt.
welt.de
Erich Kästner: Walter Sittler erzählt gemeinsam mit sechs Musikern aus dem Leben des Schriftstellers und nutzt dafür Gedichte, Briefe und Kurzgeschichten von Kästner und dessen Weggefährten.
welt.de
Heinrich von Kleist: Die „FAZ“ bemängelt eine unwissenschaftliche Nachschrift zum Abschluss der Brandenburger Kleist-Ausgabe und schlussfolgert, was die DFG aus dem Gelingen und Misslingen von Editionen lernen sollte.
„FAZ“ (S. N5)
Cornelia Vismann: Die Medientheoretikerin („Fluchen in Stein“, „Versionen des Schlusswortes vor Gericht“) und Juristin ist im Alter von 49 Jahren gestorben.
„SZ“ (S. 14)
MEDIEN & MÄRKTE
Einzelhandel I: In drei großen Artikeln stellt die „FAZ“ die Vorstellungen der Investoren Nichlas Berggruen und Maurizio Borletti zur Zukunft von Karstadt vor. Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg kritisiert das Angebot des italienischen Kaufhauskönigs weiterhin scharf, während hinter den Kulissen gezockt und gefeilscht wird.
„FAZ“ (S. 15), „SZ“ (S. 20), „FTD“ (S. 6), „Handelsblatt“ (S. 19), spiegel.de
Einzelhandel II: Trader Joe’s, der US-Ableger von Aldi Nord, hat dort ein hervorragendes Image. Die „SZ“ untersucht, warum und wie sich Trader Joe’s von Aldi unterscheidet.
„SZ“ (S. 17)
Einzelhandel III: Europas größter Einzelhändler Carrefour feilt an seinem Auftritt. Die Konkurrenz von Aldi und im Internet macht den Franzosen zu schaffen.
„SZ“ (S. 21), „FTD“ (S. 5), „Handelsblatt“ (S. 20)
SZENE
Sondermann 2010: Der SPIEGEL stellt vier erfolgreiche Comics vor und bietet online die Möglichkeit zur Abstimmung über den Preis für die Kategorie „Bester Comic“.
spiegel.de
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