Mit ihrem Roman „Wie hoch die Wasser steigen”, 2018 bei Hanser erschienen, gewinnt Anja Kampmann den Mara-Cassens-Preis des Literaturhauses Hamburg. Der Preis, der von einer Leserjury vergeben wird, ist mit 15.000 Euro der höchstdotierte Preis für einen deutschsprachigen Debütroman. Erstmals verliehen wurde er 1970. Die Auszeichnung soll es Autorinnen und Autoren ermöglichen, „sich für eine gewisse Zeit ganz dem Schreiben zu widmen”, so der Wunsch der im August 2015 verstorbenen Stifterin. Die Mara und Holger Cassens Stiftung stiftet den Preis im Gedenken an Mara Cassens und ihren Einsatz für die Literatur weiterhin jährlich. Die Preisträgerinnen der letzten Jahre sind Verena Boos (2015), Katharina Winkler (2016) und Sasha Marianna Salzmann (2017), auch 2018 erhält ihn eine Autorin.
Die ehrenamtliche Jury setzt sich aus Mitgliedern des Literaturhaus-Vereins zusammen. 15 engagierte Leserinnen und Leser lasen 63 im Jahr 2018 erschienene Debütromane. 13 Titel schafften es in die finale Auswahlrunde. Unter den Favoriten waren Katharina Adler mit „Ida”, Michael Hugentobler mit „Louis oder Der Ritt auf der Schildkröte” und Martin Zels mit „Aus der Haut”.
Weil der Roman auf überraschende Weise und in dichter, poetischer Sprache die Rückkehr aus der Fremde und den Versuch beschreibt, aus einer bodenlosen Arbeitswelt ins eigene Leben zurückzufinden, fiel die Entscheidung der Jury für den Mara-Cassens-Preis 2018 auf „Wie hoch die Wasser steigen” von Anja Kampmann. Das Buch erzählt von Waclaw/Wenzel Groszak, Ölbohrarbeiter auf einer Plattform mitten im Meer. Nachdem in einer stürmischen Nacht sein enger Freund Mátyás verschwunden ist, reist Waclaw nach Ungarn, um die Nachricht und in zwei Seesäcken Mátyás’ Sachen zu dessen Familie zu bringen. Eine Rückkehr auf die Plattform kommt danach für Waclaw nicht mehr infrage. Vor der westafrikanischen Küste wirft er seine Arbeitskleider weg, bricht über Malta und Italien auf nach Norden, ins Ruhrgebiet, wo er als Kind polnischer Gastarbeiter aufwuchs. Geografisch kommt er so seiner großen Liebe Milena wieder näher, doch es bleibt offen, ob er noch ankommen kann.
Aus der Jurybegründung: „Anja Kampmann hat mit ›Wie hoch die Wasser steigen‹ einen außergewöhnlichen Roman vorgelegt. Was dieses Buch so herausragen lässt, ist seine kraft-volle Sprache, die die Leserinnen und Leser fest in ihren Bann nimmt. Anja Kampmann gelingt es, mit präzisen Formulierungen und prägnanten Bildern, mit Rückblenden und zugleich mit Auslassungen und Andeutungen die Welt der Arbeiter und das Herumreisen des einsamen Waclaw sehr genau zu entwerfen. Sie skizziert äußerst überzeugend eine Lebensrealität an uns bisher unbekannten Schauplätzen. Auf Basis gründlicher Recherchen schafft sie es, die Härte des Lebens auf der Bohrinsel genauso klar zu beschreiben wie die schwelende Verlorenheit des Protagonisten. Ihre originäre Sprache lässt die besondere verdichtete Atmosphäre der Geschichte entstehen. Ein beeindruckendes erzählerisches Debüt.”
Anja Kampmann, 1983 in Hamburg geboren, studierte an der Universität Hamburg und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Sie lebt in Leipzig. Unter anderem wurde sie 2013 mit dem MDR-Literaturpreis, 2015 mit dem Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis und 2018 mit einem Förderpreise zum Lessing-Preis ausgezeichnet. Ihr Lyrikdebüt „Proben von Stein und Licht” (Edition Lyrik Kabinett, 2016) erschien wie ihr Debütroman im Hanser Verlag. „Wie hoch die Wasser steigen” war nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse und stand auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis.
Die feierliche Verleihung des Mara-Cassens-Preises findet am Dienstag, 15. Januar 2019, im Literaturhaus Hamburg statt. Die Preisträgerin und Holger Cassens als Vertreter der Mara und Holger Cassens Stiftung sind anwesend. Die Laudatio hält Katrin Schumacher (MDR). Die Staatsrätin der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg Jana Schiedek spricht ein Grußwort.
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