Der Kindle spielt nun also auch in Deutschland endlich mit. Zu diesem Zeitpunkt überraschend. Und verwunderlich: Wenn Amazon überzeugt ist, mit diesem Modell erfolgreich sein zu können – warum ist man dann nicht schon vor längerer Zeit an den Start gegangen? Das Angebot von Amazon ist in der angekündigten Form vorerst ein Nischenangebot.
Es scheint eine neue Tradition zu werden: Vor der Buchmesse überschlagen sich wie letztes Jahr die Ereignisse rund um E-Reader. Seit zwei Wochen versuche ich, eine aktualisierte „Marktübersicht E-Reader“ zu veröffentlichen – aber immer kommt just noch eine neue wichtige Meldung hinein. Nach Spekulationen zum Apple-Tablet nun also doch die Ankündigung von Amazon, den Kindle in Deutschland anzubieten. Eine wichtige Nachricht für die Branche, kein Zweifel. Aber ich fürchte, die Konsumenten wird sie ziemlich kalt lassen. Ein Gerät in typisch amerikanischem Design, aus den USA inklusive Zollabgaben zugeliefert, mit (fast) ausschließlich englischen Inhalten. Schon andere Medienunternehmen haben die Fähigkeit und die Bereitschaft der deutschen Konsumenten, Inhalte auf Englisch zu konsumieren, deutlich überschätzt. Fragen Sie mal NBC!
Amazons Angebot ist für eine Nische
Das Angebot von Amazon ist in der angekündigten Form vorerst ein Nischenangebot. Wenn Amazon konsequenterweise auch noch das amerikanische Vergütungsmodell für die Verlage im Schlepptau hat, könnte dies auch noch eine Weile so bleiben. Warum sollte man sich mit 30% Umsatzanteil für seine Contents zufriedengeben, wenn man sich andernorts einen wesentlich höheren Anteil sichern kann? Doch nur wenn die Absatzmenge deutlich höher liegt. Nur gibt es noch keinen klaren Favoriten, wer in Deutschland langfristig die Marktführerschaft bei den Geräten einnehmen kann. Das Vorgehen von Amazon mutet halbherzig an und stark von dem Wunsch getrieben, Sony nicht allzu viel zeitlichen Vorsprung zu lassen. Dabei agiert Sony immer noch mit „gebremstem Schaum“ und investiert trotz seines First Mover-Vorteils in punkto Marketing sehr verhalten.
Wie wird sich der Markt nun weiter entwickeln? Amazon könnte mit seinem stark USA-lastigen Angebot in den nächsten Monaten ein wichtiger Player werden – aber als Importeur, ähnlich wie Citroen im Automarkt ein wichtiger Importeur ist. Mit beachtlichen Marktanteilen, aber weit entfernt von der Marktführerschaft. Erst die Verankerung des Angebots im deutschen Markt eröffnet Chancen auf die Marktführerschaft.
Viele Geräteanbieter werden verschwinden
Und die anderen Anbieter? Von den über 30 Geräten, die heute auf dem Markt bzw. angekündigt sind, werden einige schon bald wieder verschwunden sein. Den kleinen Anbietern wie txtr wünsche ich viel Erfolg. Fürchte aber, dass deren Chancen eher gering sind – zu klein ist der technologische Fortschritt aus Sicht der Kunden, als dass sich hier eine gänzlich unbekannte Marke aufdrängt. Vodafone, Samsung, Sony, Apple, Amazon und eine Reihe von Nischenanbieten: Wahrscheinlich werden sich die Verlage auf eine bunte Phalanx von Anbietern mit den unterschiedlichsten Geschäftsmodellen einstellen müssen.
Der Kindle spielt nun also auch in Deutschland endlich mit. Zu diesem Zeitpunkt überraschend. Und verwunderlich: Wenn Amazon überzeugt ist, mit diesem Modell erfolgreich sein zu können – warum ist man dann nicht schon vor längerer Zeit an den Start gegangen?
Marco Olavarria, Unternehmensberater (Kirchner + Robrecht management consultants)
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