Große internationale Verlagsgruppen wie Bonnier, Condé Nast, Hearst und Time Inc. scheinen wie elektrisiert: Der Erfolg von iPhone und Kindle, die Ankündigungen und Gerüchte zu neuen Tablet-PCs beflügeln die Fantasie. Sports Illustrated präsentiert im Netz eine Demonstration, wie das Magazin der Zukunft aussehen könnte.
Auch Bonnier beschäftigt sich intensiv mit diesem Thema und präsentiert der Öffentlichkeit Mag+, „a concept video on the future of digital magazines“. Neben diesen Studien aus den Labors werden auch Nägel mit Köpfen gemacht: Condé Nast, Hearst, Meredith, News Corp und Time Inc. haben ein Joint Venture
gegründet: Ziel ist es, eine Plattform für die Vermarktung elektronischer Inhalte zu entwickeln und zu etablieren. Auch in Deutschland werden entsprechende Ansätze diskutiert, zum Beispiel von Bernd Buchholz, Vorstandsvorsitzender von Gruner +Jahr.
Was ist los in der Welt der Publikumszeitschriften? Warum überschlagen sich momentan die Innovationen in einer sonst eher zurückhaltenden Branche? Hierauf gibt es zwei Antworten:
Erstens ist nicht mehr zu leugnen, dass der Kindle von Amazon zumindest in den USA bereits ein Verkaufsschlager ist. Und das, obwohl er über eine schon altbacken anmutende technologische Ausstattung verfügt. Die Bedienung erfolgt herkömmlich über Tasten, die Darstellung ist lediglich in schwarz-weiß und für die Darstellung von Bewegtbild nicht geeignet. Alles in allem recht konservativ und wenig aufregend.
Und zweitens ist nicht mehr zu übersehen, dass die Reader-Technologie vor faszinierenden Weiterentwicklungen steht. So wurden auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas Geräte und Prototypen mit neuen Features vorgestellt: Touch Screen, duale Displays, Dual Mode Displays, farbige Displays, Metallfoliendisplays und vieles andere. Geräte, die wirklich Spaß machen und in Form von E-Readern und Tablets daher kommen, stehen in den Startlöchern. Geräte, die intuitiv und spielerisch zu bedienen sind. Die die Vorteile von E-Ink – wie bessere Lesbarkeit und lange Akku-Laufzeiten – mit denen heutiger LCD-Displays – wie die Darstellung von Bewegtbild – vereinen. Die vollen Zugriff auf das Internet bieten und dem Nutzer die parallele Nutzung elektronischer Inhalte und seiner Lieblingscommunity ermöglichen.
Kurz gefasst: Geräten, die den haptischen Vorteil eines Papierbuchs gegenüber elektronischen Geräten für viele Zielgruppen mehr als wettmachen können.
Ja, der Kassetten Walkman war eine bahnbrechende Erfindung. Und doch ist der iPod um einiges überlegen.
Ja, das Drehscheiben-Telefon von Siemens & Halske ist ein hoch-funktionaler Klassiker. Aber das iPhone ist denn doch ein wenig beliebter.
Ja, das Papierbuch ist absolut liebenswert. Und der Tablet-PC von Apple? Wir werden sehen.
So oder so, es ist an der Zeit, sich Gedanken zu machen, wie das Buch von morgen aussehen könnte!
Teil II folgt: Das Sachbuch von morgen
Marco Olavarria, Unternehmensberater (Kirchner + Robrecht management consultants)
Der iPad oder iSlate ist E-Reader, Game-, Surf-Tablet und Medienplayer in einem. Auf einem perfekten, größeren, augenfreundlicheren Display erscheinen farbige Texte, die man mit einer kleinen Bewegung der Finger bewegen und verändern kann, ähnlich wie beim iPhone. Storys können durch Videos/Bilder etc. ergänzt werden und die Inhalte lassen sich dann per E-Mail versenden oder in Netzwerke wie Facebook oder Twitter einspeisen. So wird das Lesen nicht nur zum multimedialen und vernetzten Erlebnis, sondern auch zum aktiven Prozess, der den Austausch mit anderen Lesenden bzw. mit dem Autor erlaubt. Mobilität und Offenheit sind die wesentlichen Kriterien dieser Geräte. Und spielerisch lernen wir dabei, im Netz sein, zu kommunizieren, ohne an die Technik zu denken.
Nicht nur die Benutzer freuen sich auf das neue Angebot von Apple – auch die Verleger sehen deutliche Vorteile: Amazon behält bei den auf dem E-Reader Kindle verfügbaren Zeitschriften 70 Prozent der Erlöse ein und gibt den notleidenden Verlegern auch für Bücher nur 30 Prozent ab. Da erscheint das Angebot von Apple vergleichsweise lukrativ. Apple behält für über den App Store verkaufte Anwendungen selbst einen Schnitt von 30 Prozent ein und zahlt immerhin 70 Prozent aus. Ein Großteil dieser Programme ist kostenlos – doch die meisten Verlage wollen zumindest mittelfristig Geld damit verdienen…