Während das Ratgeber-Segment in der Buchbranche rückläufig ist, suchen die Menschen immer häufiger online nach Rat. Welche Stärken und Schwächen hat ein größtenteils aus Nutzerinhalten gespeistes Ratgeber-Portal?
Nicht erst seit diesem Jahr beklagt das Ratgeber-Segment in der Buchbranche tendenziell rückläufige Umsätze, und eine Trendwende ist für viele Marktteilnehmer nicht in Sicht. Fast alle Beteiligten sind sich einig, dass das Grundbedürfnis der Menschen nach „Rat suchen, Rat finden“ keinem Rückgang unterliegt, schon gar nicht in wirtschaftlichen Krisenzeiten. Vielmehr dürfte Rat immer häufiger online statt im Printbereich gesucht werden.
Sieht man sich das Ranking der reichweitenstärksten Websites in Deutschland nach AGOF an, fällt auf, dass sich dort viele Ratgeber-Angebote wie chip.de, gutefrage.net oder chefkoch.de sehr weit vorne platzieren können. Um die Dimension und damit die mögliche Auswirkung auf den Buch-Ratgeber-Markt nochmal zu verdeutlichen: Immerhin über 5,5 Mio. Menschen in Deutschland landen mindestens einmal im Monat auf chip.de.
Nicht ohne Stolz sehen wir natürlich unser eigenes Ranking von www.gutefrage.net unter den Top-20-Websites in Deutschland mit immerhin schon monatlich 4,8 Mio. Unique Usern. Viele unserer Fragesteller bedanken sich bei uns für wirklich hilfreichen Rat, den Sie von anderen Nutzern zeitnah erhalten haben.
Aus der Vielzahl der Nutzerfeedbacks möchte ich gerne versuchen, die Stärken eines größtenteils aus Nutzerinhalten gespeisten Ratgeber-Portals zusammenzutragen. Wie gesagt – durch die Brille unserer Community-Mitglieder gesehen:
- Die meisten Pluspunkte erntet unsere Community eindeutig über den Faktor Menschlichkeit der Ratgeber-Antworten. Gerade in schwierigen Lebenssituationen wie Beziehungskrisen, gesundheitlichen Rückschlägen oder Geldsorgen ist das Bedürfnis nach Meinungen von anderen Nutzern mit ähnlichen Lebenserfahrungen hoch geschätzt. Speziell bei Fragestellungen, die nicht eindeutig mit ja oder nein bzw. richtig oder falsch zu beantworten sind, wird die Vielfältigkeit der Antworten besonders honoriert. Immerhin durchschnittlich 6 Antworten werden auf gutefrage.net pro Frage gegeben.
- Hoch im Kurs steht auch die Geschwindigkeit der Online-Beratung in den meisten Ratgeber-Communities. Über Suchmaschinen kann in einem riesigen Erfahrungsschatz gesurft werden. Und wer seine Problemstellung dort nicht beantwortet bekommt, erhält bei den großen Communities meist innerhalb weniger Minuten nach Einstellen einer neuen Frage die ersten passenden Antworten.
- Etwas überraschend wird der Vorteil der kostenlosen Beratung in Online-Communities im Vgl. zum Kauf von Print-Ratgebern von den Nutzern kaum erwähnt. Die meisten Fragesteller beteiligen sich nach einer gewissen Eingewöhnungsphase in die Community wie selbstverständlich an der Beantwortung von Ratgeber Fragen anderer Nutzer und bringen damit ihre eigene Lebenserfahrung ein. Die aktive Beteiligung in der Community wird dabei als ein „Geben und Nehmen“ gewertet. Ein Bezahlmodell ist damit aus unserer Sicht unrealistisch.
Natürlich üben viele Nutzer immer wieder berechtigte Kritik an den Antworten.
Am häufigsten wird die fehlende Struktur der einzelnen Antworten erwähnt. Fragestellungen werden eben oft nicht systematisch abgearbeitet, sondern mehr aus dem Bauch heraus. Schwächen haben viele nutzergenerierte Angebote in der Herausforderung, einen Überblick oder eine Einführung zu einem Thema zu bieten.
Die konkrete Frage nach einem guten Kinderbuch führt zu vielen hilfreichen Antworten. Schwer hingegen ist es für Communities, strukturierte Checklisten zu generieren, z.B. was alles vor dem Kauf einer neuen Digitalkamera beachtet werden sollte.
Die Bereiche Struktur und Orientierung bieten deshalb neben dem Wissen ausgewiesener Experten aus meiner Sicht die größten Chancen für klassische Buchratgeber im Wettbewerb zur Online-Beratung. Denn hier stoßen Projekte mit User Generated Content an natürliche Grenzen.
Sehr unterschiedlich wird das Thema Qualität der Ratschläge eingeschätzt. Unstrittig und durch einige Studien belegt ist inzwischen das Qualitätsniveau von Wikipedia durch die wirklich clevere Nutzung der kollektiven Intelligenz. Nach meiner Einschätzung bieten aber gerade kleinere Community-Projekte sehr gute Chancen auf hohe Qualität. Als Beispiele seien hier die Buch-Community lovelybooks und die Reisecommunity reisefrage.net erwähnt.
Zum Schluss möchte ich noch ein amerikanisches Projekt hinweisen, welches definitiv einen Besuch wert ist: Hunch versucht durch sehr intelligente technische Verfahren die Entscheidungsfindung in allen Fragen des Lebens zu erleichtern. Wir trauen diesem Ansatz auch in Deutschland viel zu.
Markus Wölflick, früherer in Führungspositionen u.a. bei amazon.de und Thalia.at und seit September 2006 Geschäftsführer der Ratgeber-Community gutefrage.net
Interessant ist, dass Google nun seine Suchergebnisse mit Inhalten von „sozialen“ Plattformen gut sichtbar anreichern will. Stichwort „Social Search“ (http://googleblog.blogspot.com…. Idealerweise wären ja dort auch Ergebnisse von gutefrage.net und ähnlichen Plattformen direkt integriert.