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Martina Bergmann: Beliebigkeit verkauft sich nicht!

Martina Bergmann: Beliebigkeit verkauft sich nicht!

Wir möchten ja Bücher verkaufen. Wir möchten die Nachfrage unserer Kunden gern bedienen. Aber unsere Kunden verlangen gerade viel mehr, als der Markt noch hergibt. Ein beliebiges Beispiel: Kräuterbestimmungsbücher. Das Angebot war umfangreich: Fotografiert und gezeichnet, mit Rezepten, broschiert, gegen Regen in einen wetterfesten Umschlag verpackt – und so weiter. Und jetzt gibt es noch zwei, drei verbliebene, die mit einem Sticker vorne drauf zu Bestsellern erklärt werden, bevor sie das überhaupt geworden sein können. Erfolgsgeschrei als Selbsterfüllung: Schön wäre, das würde stimmen. Aber es ist Quatsch.

Nicht anders bei Mord und Totschlag. Alle deutschen Pfaffenwinkel scheinen kriminalistisch ausgeleuchtet, und nun geht es nach Frankreich. Das liegt leider nicht am kulturell regen Austausch oder an der schönen Tradition der Polar- und Noir-Romane. Es sind geplante Bücher, von hinten nach vorn, von der Wunschauflage zum durchkalkulierten Konsumartikel.

So funktioniert es zu meiner Beruhigung nicht. Die Kunden sagen: „Ich hätte gern einen guten Krimi. Sie wissen schon, einen richtigen.“ Was meint dann richtig? Es soll auf jeden Fall kein synthetisches Produkt sein, sondern eine gute Fiktion: Plot, Handlung, Atmosphäre. Wir handeln ja mit dem Rohstoff „Idee“, der über das Medium Text zu einem Produkt Buch wird, das wir verkaufen, um Geld zu verdienen. Wir verkaufen nicht das Rückwärtsergebnis des vom zweiten Deckungsbeitrag her positiven Reißbrettmutanten.

Das Geld muss verdient werden, sagt mein kluger Nachbar immer. Und wenn wir uns nicht selber kümmern, wir Buchleute, dann tun es Branchenfremde. Unsere Wertschöpfungskette beginnt mit freien Gütern, mit Ideen, Phantasie und Kreativität. Auch andere wissen diese zu vermarkten und – man muss das leider konzedieren – sie wissen es oft besser. So sind die Ketten groß geworden, und so ist Amazon entstanden.

Was vom Buchhandel noch übrig ist, hat sich im Schatten der Giganten sorgsam renoviert. Wenn ich die Kollegen frage: Es war schon schlimmer als in diesem Frühling. Man sieht Kunden, und sie kaufen auch. Aber sie fragen oft nach Büchern, die es nicht mehr gibt. Sortimenter sind nicht mehr die ersten Adressaten der Programme, denn Verlage wenden sich an Filialisten und das Internet. Man merkt das.

Breite und Tiefe sind verloren, es gibt nur noch überbesiedelte Inseln. Dieses Jahr sollte man sich vegan oder von Cupcakes ernähren. Suppen hatten ihre Konjunktur vor fünf Jahren.

Belletristik scheint neuerdings gleichbedeutend mit: Roman. Andere fiktive Gattungen kommen nicht mehr vor. Gleiches im erzählenden Sachbuch. Derzeit kann verdaut und gestorben werden. Für historisch Interessierte ist es ratsam, dieses Jahr Bücher zum Ersten Weltkrieg einzukaufen, denn nächstes Jahr um diese Zeit werden sie remittiert worden sein.

Den höchsten Preis für diese gleichförmig langweiligen Programme zahlen die Autoren. Überdrehung und Textproduktion widersprechen sich, und das Wegbrechen nahezu jedweder Backlist tut ein Übriges, sie von beruhigter Arbeit abzuhalten. Ich kann es ihnen deshalb nicht verdenken, wenn sie nach Alternativen suchen. Aber ich verstehe nicht die Logik, nach der Amazon ausgerechnet zu Autoren fairer sein soll als zu Lieferanten und Logistikern. Autoren sind auch Menschen, und Menschen zählen nicht in dem System.

Die geistige Freiheit, die der Buchwirtschaft zugrunde liegt, droht an einen Quasimonopolisten verhökert zu werden. Es ist in unserem gemeinsamen Interesse als Autoren, Buchhändler und Verleger, dass wir uns neu verständigen, was wir lesen und verkaufen wollen. Wenn wir dem Mega-Wahn weiter sprachlos zuschauen, sind wir bald überflüssig. Es benötigt keine Verleger, die Inhalte kuratieren und keine Buchhändler, die diese vermitteln, wenn Content nicht mehr ist als die Stoffmenge hinter einer Marketingkampagne. Autoren sind in dieser Logik auch ersetzbar: Sie können von Erzählalgorithmen abgelöst werden.

Breite und Tiefe der Sortimente hingegen, literarische Vielfalt und die vielen Facetten einer Gegenwartskultur, die dieses Namens würdig ist: Dies zu bewahren ist eine Aufgabe für die Buchbranche insgesamt. Davon leben wir – als Wirtschaftsunternehmen und als Bürger einer Zivilgesellschaft. Es lohnt sich unbedingt, für diese Werte einzutreten.

Martina Bergmann ist Buchhändlerin in Borgholzhausen

Kommentare

17 Kommentare zu "Martina Bergmann: Beliebigkeit verkauft sich nicht!"

  1. Liebe Frau von Tharach,
    als Kunde erwartet man (oder verlangt zuweilen) durchaus zurecht gute Auswahl, gute Beratung, eben eine angemessene und zuvorkommende Behandlung – leider meist ohne darüber nachzudenken, dass diese Dienstleistung auch erwirtschaftet, also in irgendeiner Form bezahlt werden muss. das interessiert den Kunden in der Regel nicht, und er fühlt sich provoziert, wenn man darauf hinweist. Warum eine Buchhandlung bestimmte Leistungen nicht erbringen kann/möchte, spielt für den Kunden keine rolle. welcher Zeitaufwand welchem Erlös entgegensteht – der Kunde ist von Haus aus Egoist und sucht (rücksichtslos) nach dem für ihn besten Angebot. Ob der Buchhändler eine 60-Stunden-Woche hat? Egal. Ob er am ende höchstens den mindestlohn verdient? Egal.
    Als Arbeitnehmer jedoch würde dieselbe Person unter diesen Bedingungen nicht arbeiten wollen.
    Das ist schizophren.
    Dazu ein kleiner vergleich zwischen Buchhandel und Amazon:
    Amazon presst die Verlage zu Rabatten, die der kleine Buchhändler nicht bekommt. Amazon wälzt Versandkosten auf die Verlage bzw. die Kunden ab. Amazon bezahlt Industriearbeiter, keine ausgebildeten Buchhändler. Amazon hat einen extrem hohen Durchlauf, sodass sich eine hohe Automatisierung (=Kostenersparnis) rechnet. Andererseits: wurden sie jemals von einem der Amazon-mitarbeiter am Packband freundlich beraten?
    Kein Zweifel: Verlage und Buchhandel müssen über sich nachdenken, ich kann dem Artikel von Martina Bergmann nur zustimmen.
    Aber die zunehmende Anspruchshaltung vieler Kunden bei gleichzeitiger Gedankenlosigkeit macht mir ebenfalls große Sorgen. Wenn sie, liebe Frau von Tharach, also irgendwann nur noch von programmierten Algorithmen bedient werden und irgendwo in einer großen Lagerhalle am band für sich und andere Kunden Päckchen packen …

  2. Leider ist es mir auch schon mehrfach passiert, dass mir meine Buchhandlung vor Ort aktuelle Titel aus Kleinverlagen nicht liefern konnte (wollte?). Was nützt es denn, wenn ich mich für Titel neben des Mainstreams interessiere und diese Vielfalt im Handel gar nicht unterstützt wird? Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass die Titel bei amazon lieferbar waren …

    • Wenn die Bücher nicht sehr hochpreisig sind und obendrein nicht mal so eben beim Zwischenbuchhändler bestellt werden können, droht schon mal der komplette Margenschwund bis hin zum Draufzahlen mit Porto, Handling, Bestellaufwand, etc. Der ließe sich vielleicht gegenfinanzieren, wenn noch genügend Brot-und-Butter-Titel über den Tresen gingen, statt beim „großen, bösen A“ gekauft zu werden. Das ist eben der Monopol-Effekt und geht somit *doch* die Kunden was an. Sprechen Sie noch mal mit Ihrem Händler / Ihrer Händlerin, warum er / sie die Verlagstitel nicht bekommt oder bestellt. Im Gegenzug könnten Sie ja geloben, alle Bücher bei ihm / ihr zu kaufen. 😉
      Sollte er / sie wirklich nicht wollen, dann wäre es schade um die Buchhandlung, die am Ende alle ihre Kund(inn)en verlöre!

      • Martina Bergmann | 23. April 2014 um 19:05 | Antworten

        Einzeltitel aus Kleinverlagen zu beschaffen, ist kaufmännisch unattraktiv. Wir machen das hier trotzdem – aber natürlich lieber, wenn alles andere auch bei uns gekauft wird. Ebenso antiquarische Bestellungen: Möglich ist nahezu alles. Aber wir sind als Buchhändler keine gemeinnützigen Einrichtungen. Das wird mitunter verwechselt.

        • Ich wollte mich eigentlich zurückhalten, aber zu dem Kommentar von Martina Bergmann und dem Satz „Einzeltitel aus Kleinverlagen zu beschaffen, ist kaufmännisch unattraktiv.“ Zuerst wollte ich empört schreiben: „Was ist das für eine Borniertheit??? Der Buchhandel hat hohe Margen, die es in kaum einer anderen Branche gibt, wird durch die Buchpreisbindung geschützt und durch den Steuerzahler mit einem ermäßigten Steuersatz von 7% Quersubventioniert. Dann dachte ich mir: Dazu muss ich ein schönes Beispiel schreiben. Ich kaufe schon lange nicht mehr im Buchhandel, und zwar genau aus den vorstehenden Gründen: Wegen der kaufmännisch-anämischen Grundeinstellung.

          Gestern hab ich über Amazon 3 Bücher und mehrere CDs bestellt. Die Bücher (gebraucht, aber dadurch nicht schlechter) sind vor einer Stunde eingetroffen. Ich habe 8 Euro für die 3 Bücher und jeweils 3 Euro Versandkosten bezahlt. Ich hab mir dann die Website des Verkäufers angesehen, und noch ein paar schöne Schnäppchen direkt nachbestellt. Die CDs werden morgen eintreffen, und ich bin mehr als zufrieden. Aber in einem geschützten Reservat lässt es sich gut jammern

          • Martina Bergmann | 26. April 2014 um 10:40 |

            Liebe Frau von Tharach, was wollen Sie denn nun? Vielfalt lesen oder bequem verblöden. Da müssten Sie sich schon entscheiden.

          • tschulligung, ich wusste nicht, dass der stationäre Buchhandel den rechtstaatlichen Alleinauftrag hat, den „Doofen“ (dem
            grenzdebilen Volk) zwischen lustigen Kaffeetassen, vollkommen überteuerten
            Klassik-CDs, Kochbüchern und infantilen (von quietscheentchenspielenden dada Müttern mit Haaren unter den Armen geschriebenen) Kinderbüchern, und dem hunderttausendundeinsten Aufguss vom Verlagsvertreter reingedrückten („die müssen endlich weg, sonst gibt’s Stress mit dem Vertriebsleiter“) Bildband, so etwas fragiles, wie steuersubventionierte Bildung beizubringen. Ich schwöre beim heiligen Sarrazin,ich werde morgen früh eine Kaffeetasse im nächstgelegen Buchladen erwerben, und dazu eine StarWars-Figur, von Kinderpatschhändchen in Sri-Lanka produziert – nur damit die Innenstädte nicht veröden. Hier hab ich noch mehr zum Thema geschrieben
            http://www.wattpad.com/45283857-ficken-f%C3%BCr-plastik

        • Ob es kaufmännisch unattraktiv für den Buchhändler ist, wird in der Regel einen KUNDEN nicht inetressieren, der sieht nur, dass er schlecht bedient ist, wenn er sich den Weg in ein Fachgeschäft macht, durch eine Fussgängerzone latscht, Parkgebühren bezahlt und dann solche Argumente hier liest: „Porto, Handling, Bestellaufwand, etc.“

          Alleine beim Lesen dieser Posts hier überlege ich mir dreimal je wieder eine Buchhandlung zu betreten. Ihr seid Dienstleister der Kunden und die wiederum sind keine Bittsteller, wenn ihr nicht wollt, dann lasst es. Onliner freuen sich über soviel Arroganz und Vermessenheit und fehlender Kundenorientierung…..jeden Tag brechen euch Kunden weg auf Nimmerwiedersehen und dann sowas *facepalm*

      • Ich bestelle inzwischen die Titel direkt bei den Kleinverlagen. Die freuen sich sehr. Dauert zwar etwas länger im Versand, aber das nehme ich gerne in Kauf. Dort werde ich sehr zuvorkommend behandelt. Und dort wurde mir auch erklärt, warum meine Buchhandlung vor Ort die Titel nicht bestellt (wg. der geringen Marge usw.) Diese Erklärung hätte ich mir aber auch gerne von der Buchhandlung gewünscht, bei der ich durchaus auch Bestandsware kaufe.

        Rosha

        • Martina Bergmann | 24. April 2014 um 14:56 | Antworten

          @disqus_fYQuZtGz9E:disqus – Einfach immer drüber sprechen. Ich bin auch überhaupt keine Freundin dieser jammernden Füßchenstampfer-Buchhändler, die immer sagen: Du musst aber. Du musst am Ort kaufen.

  3. Guter Text. Richtig und wichtig. Aber Amazon ist nicht das Problem, sondern das Resultat. Ein Besuch auf einschlägigen Autoren-Plattformen lässt deutlich werden, wie sehr mittlerweile „Content“ das Geschichtenerzählen ersetzt, ein Blick in die Listen der Neuerscheinungen, das Outsourcen von Qualität (Lektorat, Korrektorat) tut ein Übriges. Die Übernahme dessen, was man glaubt, dass es „der Leser“ lesen will, durch Menschen, die statt Bücher auch Kopfschmerztabletten verkaufen könnten: Die Rechtfertigung all dessen durch (monetär bestimmte) „Erfolgslisten“. Ja, das gab es auch früher schon, und natürlich müssen auch Bücherleute Geld verdienen. Nichts gegen die Bedienung der „Masse“, aber dass Bücher immer auch Ideen und Ideale verkörpern, was sie schließlich zur „Kultur-Ware“ macht(e), das gerät zunehmend in Vergessenheit. Dass „etablierte Kräfte“ der „Bücherwelten“ zunehmend an Bedeutung verlieren, haben sie sich (auch) selbst zuzuschreiben. Es hat schon was: einem Gewerbe, das von der Fantasie lebt, fehlt es an der Fantasie, die (auch digitale) Herausforderung und Chance des Buchmarktes für sich zu entdecken. Stattdessen wird gebetsmühlenartig die „Krake Amazon“ beklagt, der man sicherlich genau diese mangelnde Fantasie nicht vorwerfen kann. Und eines auch nicht: Dass man (auch) als „Nischenkunde“ (- und Produzent) erstklassigen Service erhält. Soll ich sagen: Leider? Ja. Denn Konkurrenz belebt das Geschäft, und ich kenne und liebe die Welt der (kleinen) Buchhandlungen – aber was nutzt das, wenn immer nur geklagt und nicht gehandelt wird?

  4. Amazon interessiert sich nicht für die Autoren, umso mehr für die Leser als Konsumentengruppen. Natürlich wird kartografiert, aber auf diesen Karten sind keine Inseln und Orte zu finden, die es nicht gibt. Es ist eine Landschaft der Schnellstraßen und der Fastfoodkreuzungen.

    Was du beschreibst, sind Modeströmungen, Trends, die jetzt den Buchhandel voll erfassen: Alles ist gleich und mit der nächsten Messe wieder anders. Produziert wird für die 80% der Konsumentinnen, die Sachen tragen, Bücher lesen, Rezepte kochen, Blumen pflanzen, weil ihre Nachbarin und die Nachbarinnen der Nachbarin es ihr vormachen.

    Kollektiver Kaufzwang also, der sich direkt und zuverlässig im Umsatz niederschlägt. Das Buch als Zuflucht der Individualisten (= 20%) hat wohl ausgedient.

    Nicht nur Buchhändler stellen diesen Trend zur Schnellsättigung mit Entsetzen fest. Sie wird durch das Ebook – da niederpreisig (oder umsonst) – eher noch verstärkt.

  5. Ein sehr ehrlicher und guter Text, dem ich als zunehmend frustrierte Leserin vollinhaltlich zustimmen kann.

  6. Wir bemühen uns sehr, die bisschen anderen Bücher zu bieten. Unsere Kunden bestätigen uns auch darin. Wir freuen uns auch immer über Feedback aus dem Buchhandel. Kleinere Verlage haben es da ja auch nicht so leicht … http://www.goldegg-verlag.com

  7. Helmut von Berg | 16. April 2014 um 16:31 | Antworten

    Ob es sich lohnt, wird man sehen. Dass es unbedingt notwendig ist, ist dagegen keine Frage.

    • Martina Bergmann | 23. April 2014 um 19:08 | Antworten

      Also, es lohnt sich kaum noch, wenn man ein reiner EInzelhändler ist. Besser, man positioniert sich als Inhaltslieferant. Das beinhaltet eine ganze Menge Technik, da musste ich mich auch sehr gewöhnen. Aber Kunden schätzen das dann. Es ist ein Aufwand weniger an Geld als an Zeit, sich hineinzufinden.

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