Neulich war ich in Berlin, und da sprach mich jemand auf der Straße an: „Ach, Sie sind Frau Bergmann aus Facebook.“ Das fand ich gut. Und mir gefiel auch, dass bei einem Buchhändlertreffen jemand Grüße an meinen Edeka aus Borgholzhausen auftrug. Der ist emsig im Netz; Videos bei YouTube inklusive. Und ich habe eine schöne neue Website und ein Blog. Das ist alles möglich ohne einen Riesenapparat oder viel Geld.
Verkaufen wir deshalb besser, Edeka Niehoff und ich? Schwer zu sagen, denn wir können ja nicht mehr nicht im Netz sein. Wir können aber sagen, es schadet nicht. Darüber entsteht in der Netzgemeinde manchmal Unbehagen. Ich unterstelle ökonomische Gründe: Die Digitalwirtschaft hatte ein gutes Geschäft daran, analogen Einzelhändlern ihr Sichtbarwerden zu verkaufen. Es sorgt diese Anbieter, dass wir allmählich mündig werden. Nun gut.
Es war üblich, gerade den Buchhändler tot zu twittern. Ohne Zwischenschritt über den Handel sollten Abläufe effizienter sein. Verkäufe schienen am stationären Sortiment vorbei besser zu funktionieren. Ich war skeptisch. Man kann im Netz leicht Aufmerksamkeit herstellen, man kann die Leute interessieren. Aber das führt nicht automatisch zu Umsatz. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, das besprochene Produkt auch wirklich zu verkaufen.
Konkret habe ich über den Facebook-Chat ein gutes Bestellaufkommen. Aber die Kunden kommen immer noch ins Geschäft, um ihre Bestellungen hier abzuholen. Es ist also online beförderter stationärer Umsatz. Dieses Verfahren nennt sich inzwischen Multichannel und wird vielfach angeraten. Der umgekehrte Fall wäre, dass ein digitaler Büchermacher über eigene Vertriebskanäle nennenswerte Erträge generiert, und dieser Beweis steht aus.
Durch gut bezahlte Expertise entsteht Kostendruck
Ganz im Gegenteil, unser Alltagswissen erfreut sich großer Beliebtheit. Es gibt Foren für Buchhändler, wo wir schreiben, was wir gerade lesen, wo wir einkaufen, wie wir uns positionieren. Diese Nebenöffentlichkeit nutzen viele, die nicht gut auf Tagungen und Konferenzen fahren können. Diese Treffen sind zwar wichtig, aber für Ladenbetreiber schwer zu erreichen. Auch deshalb gehören Einzelhändler unbedingt ins Netz; das nebenbei.
In diesen Foren lesen viele mit: Fachjournalisten, Berater, leider auch Troubleshooter. Und sie greifen ein. Üblich ist etwa, Worthändel und Konflikte für Schlagzeilen zu nutzen. Ich finde das schwierig, ich fordere das Recht an meinem Zitat aktiv ein. Das andere leidige Thema sind Interessenvertretungen. In den letzten Jahren sind Strukturen gewachsen, deren Zweck die Stärkung der Sortimente war. Ich frage mich, ob sie uns nicht inzwischen eher blockieren.
Ob sich diese Verbünde um Einkaufskonditionen, Marketing oder Homepages kümmern: Sie lassen sich ihre Expertise gut bezahlen. So entsteht Kostendruck. Dass sie uns gar mitunter unsere Erfahrung auf links gezogen als ihre Dienstleistung verkaufen wollen: Das ist absurd, darauf fällt auch niemand rein. Diese Anbieter sehen natürlich mit Sorge, dass wir uns individualisieren und emanzipieren. Dabei sichert gerade das unser Auskommen.
Selber denken kostet nichts
Neben genuin ökonomischen Interessen haben wir aber auch eine Verpflichtung. Wir genießen mit der Buchpreisbindung und der vergünstigten Mehrwertsteuer Privilegien. Der Gesetzgeber gesteht uns diese nicht zu, weil wir nette Menschen sind oder es immer schon schwer hatten. Nein, da geht es um Aufgaben in der Gesellschaft. Was, wenn nur noch Amazon Bücher verkauft? Möchten wir den Oktroi des Technologiedienstleisters?
Und wenn nicht dieses, dann eines anderen? Ich habe mir Alibaba aus China angeschaut. Ein smart gedachtes Monopol, bislang aber Fiktion. Justus Haucap von der Monopolkommission hat erst unlängst Argumente vorgetragen, die für Buchhändler beruhigend sind. Amazon hat in Deutschland große Marktanteile. Aber von einem Monopol kann weder bei den physischen noch bei den digitalen Produkten auch nur annähernd die Rede sein.
Wir haben viel Gestaltungsspielraum, und jeder kann sich neu besinnen. Das ist keine Frage von Geld. Selber denken kostet nämlich nichts. Wo man nicht weiterkommt, kann man Kompetenz zukaufen. Aber erst mal selber ausprobieren. Das macht auch einfach Spaß.
Dass es längst einen Bergmann Verlag (http://www.bergmann-verlag.de) gibt, und dass auf der Seite des „neuen Bergmann Verlags“ unter http://bergmannverlag.de/impressum/ kein korrektes Impressum zu finden ist – das Weglassen oder Abkürzen des Zusatzes „haftungsbeschränkt“ bei der UG ist unzulässig – lässt darauf schließen, dass ein wenig „Kompetenz zukaufen“ (Zitat M.B.) hier nicht schaden könnte.