Auch wenn eine Studie gerade gezeigt hat, dass die Buchbranche insgesamt zufrieden mit ihrer Innovationskraft ist – vielen Verlagen fehlt es an Innovationsstrategien, erklärt Martina Steinröder im Interview. Die Beraterin zeigt, was die Verlage von der Softwarebranche lernen können.
Produktentwicklung und Innovationsmanagement sind eng beieinander. Die Buchbranche ist nach einer neuen Studie halbwegs zufrieden mit ihrer Innovationsfähigkeit. Teilen Sie dieses Selbstbild?
Nein, leider nicht. Dies liegt zum einen daran, dass das Verständnis, was Innovationen sind, nicht ausgeprägt ist. Bei Innovationen handelt es sich ja nicht nur um neue Produkte, sondern um Produkte, die vom Kunden als neu erkannt werden und sich erfolgreich am Markt etablieren können. Der „neue“ Romane, dass „neue“ Lehrbuch werden im Verlag als oft innovativ empfunden, nicht jedoch vom Leser. Der Markterfolg digitaler Angebote, die von Verlagen entwickelt werden, ist oft gering. Ich kenne nur relativ wenige Verlagsangebote, die ich als innovativ bezeichnen würde. Dieser Unterschied zwischen Selbst- und Fremdbild von Verlagen bestätigen auch zahlreiche Studien, z.B. die jährlich durchgeführte Untersuchung „Innovationsverhalten der deutschen Wirtschaft“, die zeigt, das Verlage im Branchenvergleich eher im unteren Drittel der Innovationsintensität liegen. So erwirtschaften sie mit Produktinnovationen 8% ihres Umsatzes (Telekommunikation 24,5%, Fahrzeugbau 51,3%). Auch die Ausgaben für Innovationsentwicklung liegen mit 2,1% vom Umsatz eher im unteren Drittel des Branchenvergleichs.
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Dr. Martina Steinröder war viele Jahre als Programmleiterin Print und Online in verschiedenen Fachverlagen der Georg von Holtzbrinck Verlagsgruppe tätig, zuletzt bei Urban & Fischer in München. 2003 gründete sie Steinröder. Publishing Consulting, eine Management-Beratung für Fach- und Special-Interest-Verlage mit den Beratungsschwerpunkten Strategieentwicklung, Innovationsmanagement, Prozessoptimierung und E-Publishing. Für die Akademie des Deutschen Buchhandels leitet sie u. a. das Seminar Co-Creation – Neue Wege zu erfolgreichen (digitalen) Produkten am 03. und 04.04. in München sowie den Zertifikatkurs Produktentwicklung Digital/Mobil vom 07. bis 11.04. und 20. bis 24.10. in München.
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Sie haben in Ihrer Studie für die Deutsche Fachpresse 2013 über Fachverlage geschrieben: „Das Innovationsmanagement ist nach Ansicht der Befragten oft mangelhaft. So fehlt es z.B. an einem systematischen und strukturierten Vorgehen.“ Warum fehlt es daran?
Die wesentlichen Gründe sind:
– Es gibt keine eindeutig formulierte Innovations- und/oder Digitalstrategie. Und ohne Ziel ist natürlich auch der Weg nicht klar.
– Kenntnisse über innovative Produktentwicklungsmethoden fehlen und
– Innovationsentwicklung wird eher fallweise betrachtet und gern zum Produktmanagement oder in die E-Business-Abteilung „abgeschoben“. Innovationsentwicklung ist aber immer eine interdisziplinäre Aufgabe, die auch die entsprechende Unterstützung durch das Management benötigt, nicht nur ideell, sondern auch mit Ressourcen und Investitionen.
In welchen Bereichen der Verlagsbranche sehen Sie die fortschrittlichsten Innovationsmanager?
Das ist keine Frage des Bereiches, sondern des „Mindsets“ und der „Skills“. Innovative Menschen gibt es überall, in der Herstellung, z.B. für Prozessinnovationen, im Marketing oder im Lektorat und im E-Business.
Der Trend geht auch in der Verlagsbranche hin zu agilem Projektmanagement. Was sind die Vorteile?
Agiles Projektmanagement ist eine Methode, um gerade digitale Produkte marktorientiert und schnell zu realisieren. Voraussetzung, um agiles Projektmanagement einsetzten zu können, sind gute und kundenorientierte Produktkonzepte, die möglichst frühzeitig im Rahmen von Co-Creation-Tests zusammen mit Kunden evaluiert und optimiert werden. Hier gilt „Fail often, but fail early“. Ähnlich wie beim agilen Projektmanagement sollte auch in der Produktentwicklung mit kurzen Konzeptschritten (ähnlich den „Sprints“) gearbeitet werden. Generell sind skalierbare Projekte, die schnell am Markt sind und immer weiter entwickelt werden, risikoärmer.
Was kann die Verlagsbranche von der Softwarebranche in diesem Punkt lernen?
Ein klares Ziel, kurze Projektschritte, den Mut, Konzepte als Prototypen zu betrachten und immer wieder zu hinterfragen, zu verwerfen oder zu optimieren und Zusammenarbeit und Austausch, interdisziplinär und mit den Kunden.
Viele Verlage sind bei der Produktentwicklung unzufrieden mit der Innovationsquote – Bestandsprodukte müssen weiter gepflegt werden, da kommen Innovationen oft zu kurz. Wie lässt sich das verbessern? Personelle Trennung für Pflege bestehender Projekte und Suche nach neuen?
Der wichtigste Aspekt ist, dass es eine klar definierte Innovationsstrategie gibt und für die Umsetzung Ressourcen zur Verfügung stehen. Außerdem müssen entsprechende Kenntnisse im Verlag vorhanden sein: Wie komme ich zu neuen und erfolgversprechenden Ideen, wie entwickele ich Produkte, wie beziehe ich Kunden ein, wie definiere ich das Geschäftsmodell, wie sichere ich die Realisierung? Wenn das geklärt ist, müssen die geeigneten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hinzugezogen werden. Ideal für die Entwicklung innovativer Angebote ist eine Projektorganisation, die es ermöglicht, interdisziplinär zu arbeiten, klare Ziele zu verfolgen und Ressourcen zuzuordnen. Innovationsprojekte müssen Teil der Zielvereinbarungen sein. Da Innovationsentwicklung auch immer Bestandteil des laufenden Geschäfts ist – bestehende Produkte müssen optimiert werden, das Portfolio muss um neue digitale Produkte ergänzt werden – sollte dies nicht in einer getrennten Abteilung erfolgen. Innovationsabteilungen sind dann sinnvoll, wenn ergänzend neue Märkte oder Produkte, die zur Zeit nicht im Kernsegment des Verlages liegen, entwickelt werden sollen.
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