Stühlerücken beim Buchgroßhändler Libri vor dem Hintergrund der Digitalisierung und anderer Umbrüche: Geschäftsführungssprecher Holger Bellmann erläutert im Interview die Ausgangslage vor dem Stabwechsel.
Wie schlagen sich die Veränderungen in der Branche für den Großhandel nieder?
Damit ein Barsortiment erfolgreich ist, braucht man viele Lieferanten, viele Artikel und viele Kunden. Wenn eine der drei Komponenten wegfällt, wird es schwierig. Ein Mangel an Titeln ist nicht zu erkennen, jeder hat was zu sagen und mit Books on Demand helfen wir dem Trend sogar nach. Es gibt weiterhin wenig Konzentration bei den Verlagen, zumindest außerhalb des Fachbuchs.
Wie stark gefährdet die Konzentration im Handel das Barsortimentsmodell?
Es ist eine entscheidende Voraussetzung, dass sich im Buchhandel eine Breite erhält. Wir haben drei Hauptkundengruppen. Dass die Entwicklung der Versender im Internet zu hoher Konzentration neigt, ist zwar grundsätzlich für unser Geschäftsmodell problematisch, allerdings operieren sie mit einer extrem großen Titelbreite, was den Konzentrationseffekt überkompensiert. Die Filialisten wiederum haben eigene Logistik-Strukturen, sie arbeiten mit einem geringen Barsortimentsanteil und einem nicht mehr so breiten Sortiment. Das Geschäft mit ihnen geht ehrlicherweise zurück. Allerdings ist der Höhepunkt der Konzentration und des Umsatzwachstums dieser Gruppe überschritten. Im Bereich des Standortbuchhandels beginnen dafür viele Kunden, mit höheren Barsortimentsanteilen zu arbeiten. Wir können dem unabhängigen Sortiment wie beim Bezugsmodell Anabel ausgefeilte Lösungen anbieten. Das nimmt eindeutig zu.
Bleibt das E-Book als größte Herausforderung?
Insofern ja, als jeder zum Wettbewerber werden kann. Die geübten Regeln werden verlassen, wenn es kein Branchenunternehmen ist, sondern jemand ganz anderes wie zum Beispiel ein Telekommunikationsunternehmen, das alle Kanäle bespielen kann, sich weitere Handlungsstränge eröffnet und zum Aggregator wird. Ansonsten ist das E-Book-Geschäft noch sehr klein, aber wir sind sehr aktiv. Libri ist durch BoD das größte Digitalunternehmen im deutschen Buchmarkt, größter Großhändler im E-Book-Bereich und auch bei den Readern vorn. Und es gibt mit Libri.de eine eingeführte Vertriebsplattform, die sowohl von Buchhändlern als auch Verlagen eingesetzt wird…
…aber mit mäßigem Erfolg.
Der Partner, der sich für seinen Online-Shop engagiert, ist erfolgreich und kommt auf nennenswerte Umsätze. Die meisten nutzen die vorhandenen Chancen zu wenig. Kein Buchhändler vernachlässigt sein Schaufenster, aber das Bewusstsein für Multichannel ist immer noch unterentwickelt. Der Endkunde muss überall abgeholt werden; im Internet sind sicherlich Umsatzanteile in der Größenordnung von 3 bis 7% drin.
Die Fragen stellte Thomas Wilking
Zur Person: Holger Bellmann
ist seit Anfang 2006 Sprecher der Libri-Geschäftsführung. Er wechselt innerhalb der HerzUnternehmungen zur Schwester Tchibo und scheidet Ende 2010 aus der Libri-Geschäftsführung aus. Nachfolger wird (wie berichtet) BoD-Chef Moritz Hagenmüller.
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