Der Sortimentsbuchhandel steht unter starkem Druck. Das ist an der Umsatzentwicklung und an Geschäftsaufgaben von Standortbuchhandlungen ablesbar. Zu Konditionen, Frachtkosten und was der Börsenverein in dieser Situation für das Sortiment verbessern könnte, ist im buchreport-Blog schon viel Richtiges gesagt worden. Es führt auch zu grundsätzlichen Fragen, was der Verband leisten kann und soll und wo der Händler selbst und seine Kooperationspartner initiativ werden müssen.
1. Braucht das kleine Sortiment den Börsenverein?
Wäre der Rabatt alles, was das Sortiment am Leben hält – nein. Für Rabatterhöhungen sorgen buchhändlerische Verbünde. Die vereinen viele Kleine zur Marktmacht. Die Aufgabe des Börsenvereins liegt anderswo. Nicht nur, weil er kein Sortimenterverband ist und den Konsens aller Sparten braucht, sondern weil er als Verband der ganzen Branche „marktbeherrschend“ ist und das Kartellamt ihm die Festlegung von Konditionen untersagt: „Wenn es im Buchhandel schon keinen Preiswettbewerb auf der Endstufe gibt, dann darf nicht auch noch der Konditionenwettbewerb der Anbieter ausgehebelt werden.“
Ohne ausreichenden Rabatt geht zwar gar nichts, aber was nutzen dem kleinen Sortiment 3% mehr ohne Preisbindung? Ohne die gemeinsame Organisation der Sparten im Börsenverein gibt es die Preisbindung nicht, und ohne die Preisbindung gibt es viele aus dem Drittel der Branche nicht, für das Jörg Robbert spricht. Eine Aufgabenverteilung zwischen den Verbünden und Börsenverein wäre sinnvoll, aber deren Rabattauftrag kann der Börsenverein nicht erfüllen, wenn er gleichzeitig die Existenzgrundlage Preisbindung sichern soll.
2. Warum übernimmt laut Verkehrsordnung das Sortiment die Frachtkosten?
Angeregt durch Jörg Robberts These, das wisse wohl niemand mehr so richtig, bin ich im Jahr 1972 fündig geworden. Damals hatte der Sortimenter-Ausschuss den Zuschlag der Frachtkosten auf den gebundenen Ladenpreis verlangt. Das Vorhaben scheiterte am Kartellamt. Der zufällige Umstand, dass ein Sortiment ein Buch am Lager hat oder nicht, dürfe den festgesetzten Preis nicht nach oben oder unten verändern. Durch die Hintertür käme es zum Preiswettbewerb: Das Sortiment mit einem großen Lagerbestand und niedrigen Besorgungskosten könne billiger anbieten als eines mit kleinem Lager und vielen Besorgungen.
Jörg Robbert will zwar keinen Zuschlag auf den Ladenpreis, sondern die Frachtkosten sollen Teil des gebundenen Preises sein, aber der Effekt wäre derselbe. Welche Kosten die Verlage auch immer in den gebundenen Preis nehmen, eine große Buchhandlung mit vielen gutgängigen Titeln wird vom höheren Preis immer mehr haben als eine kleine mit hohen Besorgungskosten. Das wäre das Gegenteil vom Gewollten.
3. Was helfen 3% mehr Rabatt, wenn das Internet 10% Umsatz wegnimmt?
Auf Dauer nichts. Doch so weit muss es nicht kommen, und deshalb brauchen wir eine konzentrierte Aktion für das stationäre Sortiment. Weniger an die Öffentlichkeit gerichtet („Heute bestellt, morgen abgeholt“, „Bücher sind im Internet nicht billiger“) als nach innen. Die stärkste Kampagne macht das stationäre Sortiment für sich, indem es seinen Auftritt im Internet verbessert. Da ist der Börsenverein gefordert. Hier zu unterstützen, ist seine ureigene Aufgabe.
Derzeit klicke ich mich durch die Internetseiten der Buchhandlungen des Landesverbands: Wie viele haben gar keine Seite im Netz, wie viele eine ohne Bestellfunktion, wie oft ist die individuelle Seite nur das Deckblatt über dem Bestellkatalog und wie viele spiegeln ihren individuellen stationären Auftritt wirklich im Netz? Vorsichtig formuliert, nach oben ist noch Luft.
Man muss aber nicht Thalia sein, um auf 15% und man muss nicht Osiander heißen, um auf 10% Umsatzanteil im Netz zu kommen. Auch kleinere Buchhandlungen erreichen rasch 5%, wenn sie sich der Sache engagiert widmen. Wir brauchen eine Kampagne nach innen, die allen vermittelt, was Christian Riethmüller 2009 schockiert hat: „Alle Welt in Baden-Württemberg kennt die
Osiander-Läden, aber die Hälfte unserer Kunden weiß nichts von unserer Seite im Netz“.
Der stationäre Buchhandel verliert viel an den Internethandel, weil die Kunden, die tagsüber gern zum Stöbern in den Laden kommen, ihren Zielkauf nach Ladenschluss beim Internethandel tätigen. Im schlimmsten Fall mangels Angebot der Buchhandlung, im besten Fall, weil sie noch nichts von der Bestellmöglichkeit bei ihrer stationären Buchhandlung wissen. Dagegen können Sortiment und Börsenverein gemeinsam etwas tun.
Michael Menard ist seit 2006 Geschäftsführer der Region Norddeutschland des Börsenvereins.
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