buchreport

Michael Ostrowski über »Der Onkel«

Michael Ostrowski, eigentlich Michael Stockinger, geboren 1973 in Leoben, studierte Englisch und Französisch in Graz, Oxford und New York und wurde dann Schauspieler, am Theater, im Fernsehen und im Kino. Daneben betätigt sich Ostrowski regelmäßig als Moderator und führt Regie. „Der Onkel“ (Rowohlt) ist sein erster Roman. (Foto: Nora Obergeschwandner)

In den aktuellen Herbstprogrammen der Verlage finden sich zahlreiche Romandebüts deutschsprachiger Autorinnen und Autoren. buchreport stellt 11 dieser Newcomer in Steckbriefen vor. Heute: Michael Ostrowski.

Mein Roman in drei Sätzen

Der Trickbetrüger und Lebemann Mike Bittini erfährt, dass sein Bruder, ein erfolgreicher Immobilienanwalt, ins Koma gefallen ist. Er kehrt nach 17 Jahren zurück, und schleicht sich – nicht ohne Hintergedanken – ins feudale Haus der Schwägerin wie der Habicht in den Hühnerstall. Danach geht’s ordentlich rund.

Mein Weg zu

Ein Freund gab mir den Kontakt von Marcus Gärtner. Dem hab ich ein Mail mit meinem Manuskript geschickt, ca. 150 Seiten, also das Manuskript, nicht das Mail. Er hat sicher gedacht: „Oh Gott, ein halbverrückter, schwieriger Schauspieler will mir seinen Schrott andrehen“, und hat sich sehr lange nicht gemeldet. Während dieser Zeit hab ich mich nur von Karotten und Stroh ernährt. Gefühlte 100 Wochen später (es waren knapp 3) kam sein Anruf: Wir machen das Buch. Seit dem: Kaviar und Caipirinha!

Das Verdienst meiner Lektorin

Das größte Verdienst: der Katharina (Katharina Schlott) gefällt die Sprache und der Stil. Die Geschichte und die Figuren. Wir haben uns in Wien getroffen und super verstanden. Sie weiß, worum’s mir geht und jetzt wird getüftelt.

Mein Eindruck von Literaturbetrieb und Buchbranche

Ich hab immer geschrieben, immer wieder mal ein paar Texte veröffentlicht und im Forum Stadtpark, Graz, in den 90ern einen „Literatur-Slam“ gewonnen (per Publikums-Voting) und dafür ein Stipendium bekommen, aber ich wollte nicht den klassischen Weg gehen. Ich bin nach dem Sprachstudium dann irgendwie übers Theater, das Drehbuchschreiben und das Filmemachen beim Roman gelandet, das war mein Weg und für mich war es genau der richtige. Jetzt freu ich mich über die Unabhängigkeit und die große Freiheit, die mir das literarische Arbeiten bietet. Es ist schön, nicht mit 50 anderen Leuten am Set zu stehen, sondern allein vor dem Laptop zu sitzen und künstlerische Entscheidungen zu treffen. Außerdem kann man nebenbei Musik hören. Und aufs Klo gehen, wann man will.

Meine Lieblingsbuchhandlung

Hab ich keine, ich geh generell gerne in Buchläden, sei es am Flughafen oder in einem kleinen Kaff, und stöbere dort nach Büchern, die ich mir normalerweise nie kaufen würde.

Meine Lieblingsautoren

Ich hab ein paar, die ich immer wieder lese, also nehm ich an, dass es meine LieblingsautorInnen sind. Wenn ich selber schreibe, kann ich aber nur Dinge lesen, die das ganze stilistisch und inhaltlich befeuern, beim „Onkel“ waren das am ehesten Philippe Djian, Jack Kerouac, Virginie Despentes … Ansonsten mag ich Houellebecq, Hemingway, Anaïs Nin, Henry Miller, Elfriede Jelinek, Georges Simenon, Ernst Jandl, Stefanie Sargnagel, Rex Stout, Milan Kundera, Gerhard Polt, Woody Allen und 398 andere.

So lese ich

Immer den Anfang, dann oft nicht weiter. Manchmal durcheinander, weil ich keine Zeit habe fürs ganze Buch und nur ein Gefühl dafür kriegen will. Simenon und Rex Stout höre ich auch gern (zum Einschlafen fast so gut wie Kosmologie). Die echt guten Bücher zieh ich mir rein in einem WUMMS!

Schreiben ist für mich

… eigentlich das Schönste. Weil die Freiheit am größten ist und ich mich selber überraschen kann. Ich will mich beim Schreiben links überholen und mir dabei erstaunt zuschauen, was passiert im Schreibfluss. Und manchmal fahr ich auch rechts an mir vorüber. Ich mag das schnelle Schreiben, ich will aus dem Unterbewussten starten und Gas geben. Als ich Creative Writing unterrichtet hab an der Uni, hab ich immer mit „Écriture automatique“ zu einer Trance-artigen Musik angefangen. Das hab ich von den Surrealisten gefladert, die haben schon gewusst, warum sie das machen.

Wenn ich nicht gerade schreibe

Filme drehen, moderieren, Zug fahren, Fernsehen, Auto fahren, Musik hören, Kinder schauen, essen, trinken, atmen.

Debüts im Herbst – im buchreport.magazin 7-8/2022

Warum haben Sie dieses Debüt ins Programm genommen?

Als mich Michael Ostrowski unangekündigt anschrieb, dachte ich: Oh Gott, ein halbverrückter, schwieriger Schauspieler will mir seinen Schrott andrehen. Die Mail war schon ein bisschen seltsam formuliert und endete mit der Schlussformel „Peace!“. Nach kurzem Hineinlesen ahnte, nach Lektüre des gesamten Teilmanuskripts wusste ich: Das ist kein Schrott. Das wird ein Gauner-, Spießer-, Trickster-, Familien-, Liebesroman ohne Vorbild werden, lustig und bös, traurig, moralisch zweifelhaft und auf komplizierte Weise herzerwärmend.

Marcus Gärtner, Lektor

Kommentare

Kommentar hinterlassen zu "Michael Ostrowski über »Der Onkel«"

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Mit dem Abschicken des Kommentars erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihre Daten elektronisch gespeichert werden. Diese Einverständniserklärung können Sie jederzeit gegenüber der Harenberg Kommunikation Verlags- und Medien-GmbH & Co. KG widerrufen. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutz-Richtlinien

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*