In den aktuellen Herbstprogrammen finden sich zahlreiche Romandebüts deutschsprachiger Autoren. buchreport stellt 13 dieser Newcomer in Steckbriefen vor. Heute: Miku Sophie Kühmel.
Mein Roman in drei Sätzen
1. Max und Reik sind seit 20 Jahren ein Paar, Tonio ist ihr ältester Freund, Pega dessen erwachsene Tochter, und die vier meinen vor einem Wochenende an einem See in der Uckermark, sich sehr genau zu kennen. 2. Sie bekommen zu spüren, dass manchmal auch zerbrechen kann, was man stets für unkaputtbar hielt. 3. Aber Kintsugi ist das japanische Kunsthandwerk, zerbrochenes Porzellan mit Gold zu reparieren, sodass im Bruch die Chance auf etwas Neues, Schöneres, Stärkeres, Wertvolleres liegt.
Mein Weg zu Fischer
Ich durfte vor ein paar Jahren als Studentin einen Kurs bei Roger Willemsen besuchen und eine Bemerkung, die er fallen ließ, war: „S. Fischer ist der beste Verlag, den es gibt.“ Deswegen war S. Fischer ganz oben auf meiner Wunschliste, als meine Agentin mit dem Manuskript loszog. Dass „Kintsugi“ nun dort erscheint, ist nach wie vor eine der schönsten Unwahrscheinlichkeiten, die ich bisher erleben durfte.
Das Verdienst meiner Lektorin
Juliane Schindler ist ein Glücksfall. Ihre Hartnäckigkeit, ihre Hingabe und ihr genauer Blick reichten so weit, dass sie mir irgendwann erklären konnte: „Also dieser Satz hier, der klingt nicht nach Max. Das würde der so nicht sagen.“ Die Figuren und die Autorin danken ihr dafür, dass sie in unseren vertrauten Kreis getreten ist.
Mein Eindruck von Literaturbetrieb und Buchbranche
Die Menschen sind meist fein (und angenehm vernarrt), die Schnittchen lassen hin und wieder zu wünschen übrig.
Meine Lieblingsbuchhandlung
Die Buchhandlung am Schäfersee in Berlin. Meinen Namen muss ich dort mittlerweile nicht mehr sagen, die Kolleginnen kennen mein Gesicht und ich habe einen festen Platz im Regal mit den Bestellungen.
Meine Lieblingsautoren
Das ist wirklich keine gute Kategorie für Lieblingse! Daher lieber letzte (Re-)Lektüren: Chimamanda Ngozi Adichie, Roland Barthes, Ingeborg Bachmann, Annie Ernaux, Edouard Louis und der Comiczeichner Igort.
So lese ich
Mit dem Stift im Anschlag. Weil ich mir Notizen mache, und zwar, jawohl, Sie müssen jetzt stark sein: ins Buch. Wenn der Stift leer ist, mache ich übrigens auch Eselsohren, und ja, ich kann nachts ruhig schlafen.
Schreiben ist für mich
Ein heißer Brei energetisches Potenzial, gebirgsquellartig sprudelnde Möglichkeiten? Und vielleicht das Gegenteil von Gucken. Und deshalb oder trotzdem Folge von.
Wenn ich nicht gerade schreibe
Schneide ich wahrscheinlich gerade einen Podcast. Oder höre wenigstens einen. Und gieße Kaffeesatz den Abfluss hinunter. Und manchmal fülle ich Fragebögen aus.
Warum haben Sie dieses Debüt ins Programm genommen?
Ein Wochenende in der Uckermark und vier Menschen, die sich – im Grunde – gut kennen. Ich las es sofort und vergaß mich dabei. Und noch der letzte Satz packte mich so richtig. Ich war melancholisch und seltsam froh und gleich googelte ich „Kintsugi“. Ein Wort, das mir bis dahin fremd war und das ich seitdem oft in den Mund nehme. Da schrieb eine 27-jährige Autorin konzentriert, warmherzig und zeitgemäß von der Liebe in all ihren Facetten, über eine moderne Familie und über den Trost, den wir in der steten Veränderung, selbst im Bruch, finden können. Das müssen jetzt sehr viele lesen, dachte ich mir. Glücklicherweise sahen das die Kolleginnen und Kollegen im Verlag genauso. Ein gleichermaßen erzählerischer wie kluger Roman, ein Glücksfall.
Juliane Schindler, Lektorin
Debütanten im Herbst 2019 – im buchreport.magazin 09/2019
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