Eine Umfrage zeigt, wie Digital-Dienstleister ihre Verlagskunden sehen. Knackpunkte sind Standards, Agilität und die richtigen Prioritäten. Gastbeitrag von Aljoscha Walser, Narses.
Digitale Mediendienstleister sind wichtige Partner für die industrielle und digitale Abbildung von Geschäftsmodellen und Publikationsformen. Die Verlage profitieren auch von dem IT-geschulten Blick auf ihre Arbeit und Strukturen.
Um das Wissen und die Erfahrung dieser Partner für die Medienbranche nutzbar zu machen, führt die Narses Beratungsgesellschaft seit April 2015 eine Panelbefragung unter Geschäftsführer/innen und Top-Führungskräften der wichtigsten digitalen Mediendienstleister im deutschsprachigen Markt durch. Initialzündung für die Studie war eine Executive Session auf dem Publishersʼ Forum 2015. Dort wurden den Erwartungen der Verlage an eine IT der Zukunft die Erwartungen der Dienstleister an ihre Verlagskunden gegenübergestellt, als Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Es zeigte sich, dass die Mediendienstleister auf Verlagsseite in vielen Bereichen Nachholbedarf sehen. Es sind vor allem (s. Abbildung unten):
- Standardprozesse
- Prozesskenntnis
- IT-Know-how
- agiles Management.
Dazu ein Umfrageteilnehmer: „IT ist mittlerweile genauso wesentlich für den Unternehmenserfolg wie guter Content. Die Wahrnehmung in Verlagen und die Ausstattung der Verlage insbesondere bei der Personalqualifikation wird dieser Bedeutung selten gerecht.“ Aus den Antworten der befragten Dienstleister spricht dabei weniger Frustration über die aus IT-Sicht unzureichende Professionalität als eine große innere Verbundenheit mit der Verlagsbranche.
In Bezug auf IT-Entscheidungen beobachten digitale Mediendienstleister mit Sorge, dass die digitale Transformation viele Medienhäuser vor ein Dilemma stellt: Versuche ich zuerst die schwindenden Erlöse durch IT-basierte Kostensenkungen in den Griff zu bekommen? Oder ist es wichtiger, in die Abbildung neuer – und zum Teil noch unbekannter – Geschäftsmodelle zu investieren? Für beide Ansätze braucht es nach Ansicht der Dienstleister vor allem eines: Eine passende Softwarearchitektur.
Aus der Fülle an Anforderungen, die Verlage nennen, ergibt sich, dass die Lösung selten in Extremen liegt, also weder in der bestmöglichen technologischen Einzellösung für jede Anforderung (Best-of-Breed-Ansatz) noch in einem homogenen Gesamtsystem.
Unterschiedliche Prioritäten
Bei Investitionsentscheidungen geht es für die Verlage vor allem die Frage, welche technologischen Themen wirklich wichtig sind, oder es bald werden. In der aktuellen Narses-Umfrage wurden die digitalen Dienstleister gefragt, welche Buzz-Words für Verlage wirklich relevant sein sollten und welche Prioritäten sie bei ihren Verlagskunden wahrnehmen. Übereinstimmend oben auf der Agenda:
- Responsivität: Oberflächen-Design, das sich den Eigenschaften des jeweils benutzen Endgeräts anpasst.
- Customer Analytics: Analyse des Kundenverhaltens als Grundlage für zielgerichtetes Marketing.
Eine ganze Reihe technologischer Themen findet sich bei Dienstleistern und Verlagen an recht unterschiedlichen Positionen der Prioritäten-Liste (s. Abbildung unten). Diese Abweichung zwischen eigener Relevanzeinschätzung und wahrgenommenem Kundeninteresse kann verschiedene Ursachen haben. Als Technologen richten Dienstleister ihren Blick häufig schon ein Stück weiter in die Zukunft. Verlage haben noch eine Fülle anderer tagesaktueller Herausforderungen auf dem Tisch und fragen häufig vor allem nach technischen Lösungen, die schnelle Effekte wie Kostenersparnis oder Umsatzsteigerungen versprechen.
Prioritätenlisten: Dienstleister bemerken, dass sie selbst (linke Spalte) und ihre Verlagskunden (rechts) die Bedeutung technologischer Trends zum Teil recht unterschiedlich einschätzen.
Hieraus ergibt sich die Frage, ob digitale Dienstleister ihre Angebotsstrategie noch näher an ihren Kunden und deren akuten Schmerzpunkten ausrichten sollten oder ob nicht mehr strategische Beratung angebracht wäre. Die kontinuierliche Panel-Befragung liefert jedenfalls Verlagen und ihren Dienstleistern gleichermaßen ein Bild von dem Wandel der Akzentsetzungen und wahrgenommenen Anforderungen.
Aljoscha Walser ist Geschäftsführer des auf die Medienindustrie ausgerichteten Beratungsunternehmens Narses (Bad Vilbel). Zuvor war er Führungskraft bei einer IT-Servicegesellschaft und in den Fachverlagen Haufe und Beuth.
Wer als Dienstleister in das Panel aufgenommen werden möchte, kann sich an info@narses.de wenden. Die vollständigen Auswertungen aller bisherigen Umfragen können unter http://narses.de/publikationen kostenfrei angefordert werden.
Foto: Gudrun-Holde Ortner
aus: pubiz.spezial Herstellung & Management 2016 (hier zu bestellen)
Kommentar hinterlassen zu "Mit dem Technologen-Blick"