Hinsichtlich Filialisierung gilt der Buchhandel als späte Branche, die jetzt aber mächtig „aufholt“: Seit fünf Jahren erfolgt eine starke Annäherung an die Strukturen anderer Einzelhandelsbranchen, die in der Heftigkeit als Strukturbruch empfunden wird, der das Branchengefüge durcheinanderbringt und auch erheblichen Einfluss auf die Vertriebsstrukturen hat.
Die Filial-Entwicklung zeigt sich fokussiert in den seit 8 Jahren von buchreport erhobenen Daten zum „Filialatlas“. Besonders eindrucksvoll sind die jährlichen Zuwächse an Flächen, die von den Filialisten bespielt werden, durch Neueröffnungen, Erweiterungen und Übernahmen bestehender Standortbuchhandlungen: 2006 wurde ein Plus von knapp 30000 qm Verkaufsfläche gemessen, 2007 ein Zuwachs von 45000 qm und 2008 kommen über alle Buchhandelsformate sogar gut 60000 qm hinzu.
Im Gegenzug wird auch geschlossen
Dahinter steckt allerdings eine differenzierte Entwicklung:
- In den 60000 qm sind auch jene 12000 qm enthalten, die die DBH seit dem Sommer als Shops in Karstadt-Warenhäusern unter den Marken Weltbild und Hugendubel betreiben. Sie bedeuten zwar für die DBH einen massiven Flächengewinn, stellen aber aus der Gesamtsicht keine echte Filial-Flächenvermehrung dar, weil sie herkömmliche Karstadt-Buchabteilungen ersetzen.
- Auffällig ist eine ausgeprägtere Portfoliobereinigung: Brutto lassen sich sogar 70000 „neue“ Quadratmeter addieren, denen aber erstmals in größerem Umfang Filialschließungen und Standortverlagerungen gegenüberstehen in einer Größenordnung von immerhin 10000 qm. Vor allem die DBH hat durchforstet, angefangen von Schließungen bei den Schmalspurketten bis zur Aufgabe großer Filialen an überbesetzten Standorten.
„Ich rechne damit, dass 2009 eher mehr Buchhandlungen geschlossen werden als in diesem Jahr“, prognostiziert Hugendubel-Geschäftsführer Maximilian Hugendubel in einem Gespräch mit buchreport eine weitere Konsolidierung. Wie alle Filialisten stellt auch die DBH jeden Standort auf den Prüfstand, weil der Gesamtmarkt bestenfalls stagniert und viele Standorte mittlerweile mit großen Buchhandelsflächen mehrfach besetzt sind. „Große Sprünge sind nicht mehr realistisch“, hatte kürzlich auch Mayersche-Chef Hartmut Falter anlässlich der Eröffnung seines neuen Düsseldorfer Buchhauses erklärt, weil nahezu alle Standorte verteilt sind.
Der neue „Filialatlas“, der mit ausführlicher Analyse im buchreport.magazin November erschienen ist (hier kann das Heft bestellt werden), listet mehr als 970 Filialbuchhandlungen in 346 deutschen Städten auf (2007: 329/2006: 314). Während kaum noch attraktive Standorte zu besetzen sind, könnte der Fokus der Branchenkonzentration somit wieder stärker auf Übernahmen und Fusionen auch der Filialisten untereinander liegen. Mancher Regionalfilialist würde gut in das Portfolio der marktführenden Gruppen Thalia oder DBH passen…
Die große Unbekannte ist allerdings der DBH-50%-Eigner Weltbild, nachdem die katholische Kirche als Weltbild-Eigner im Juli ihr Interesse öffentlich gemacht hat, ihren Medienkonzern zu verkaufen. Unter die Interessenten hatte sich in Augsburg auch gleich die Thalia-Mutter Douglas eingereiht.
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