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Mit künstlicher Intelligenz zum besseren Suchergebnis

Künstliche Intelligenz wird die Wertschöpfung von Fachverlagen verändern. Hans Lecker lotet für Haufe aus, wie KI die juristische Fachrecherche verbessern kann.

Der Autor: Hans Lecker ist als Produktmanager verantwortlich für den Zielgruppenbereich Rechtsanwälte bei der Haufe Group. Der Rechtsanwalt bringt 25 Jahre Erfahrung als Analyst, Product Owner und Product Manager mit und verfügt über Expertise in der Software-Entwicklung. (Foto: privat)

Dass KI, künstliche Intelligenz, und der Teilbereich ML, maschinelles Lernen, mittelfristig einen starken Einfluss auf die Wertschöpfung und die Angebote von Fachverlagen haben werden, wird nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt. Die Frage ist vielmehr, an welcher Stelle der Wertschöpfung im Prozess der Erstellung und Anwendung von Fachwissen die neuen technologischen Möglich­keiten eingesetzt werden können und ob die erzielbaren Ergebnisse bereits so gut sind, dass sie einen Mehrwert für die Anwender in der Praxis darstellen.

 

Wo lässt sich KI einsetzen?

Im Fachinformationsbereich sind für KI diverse Einsatzgebiete denkbar:

  • Erstellen von Fachwissen: Beim Erstellen von Fachinformation können Autoren in ihrem kreativen Prozess unterstützt werden, indem bereits im Entstehungsprozess durch inhaltliche Analysen einer KI Hinweise auf die Wirkung der Sprache, aber auch inhaltliche Aspekte des Textes gegeben werden. Eine automatische Texterstellung findet beispielsweise schon in der Sportberichterstattung und beim Anlegen von Produktbeschreibungen im E-Commerce statt. Dort ist bereits ein hoher Reifegrad der KI-Software-Anwendungen vorhanden, während die populären Beispiele wie z.B. die von KI erstellten Fortsetzungskapitel von „Harry Potter“ zwar sprachlich stimmig wirken, aber weder Handlung noch Charaktere Leser begeistern würden. Im Bereich der Fachliteratur sind auch Entwicklungen zu erwarten, dass insbesondere dort, wo es nicht um die Darstellung von neuen Erkenntnissen und Ideen, sondern um eine geordnete Darstellung von verfügbarem Fachwissen geht, Methoden der KI Texte erstellen oder sie zumindest für die Weiterbearbeitung durch den Menschen vorbereiten.
  • Anwenden von Fachwissen: Auch die eigentliche Anwendung des Fachwissens, z.B. die Recherche eines Rechtsanwalts im Rahmen der Mandatsbearbeitung, wird von den neuen technologischen Möglichkeiten der KI betroffen sein. Die heute vorherrschende Recherchemethode – die Eingabe von Suchbegriffen in eine Suchzeile und die anschließende Bereitstellung einer Such­ergebnisliste, die auf Urteile, Kommentare und Beiträge verweist – wird durch Methoden der KI verbessert werden.
    Auch die Art und Weise, wie wir recherchieren, wird betroffen sein: Beispielsweise kann bei der Recherche zu einem bereits vorliegenden Vertragstext die Auswahl einer spezifischen Stelle eine Recherche zu weiterführenden Fachinformationsangeboten anstoßen. Die Eingabe von Suchbegriffen ist dafür nicht mehr nötig. Es werden also spezifischere Einstiegspunkte für Fachwissensangebote entstehen, die dem jeweiligen Arbeitskontext an einem digitalen Arbeitsplatz Rechnung tragen.
  • Neue Produkte und Lösungen: Disruptiv für vorhandene Fachwissensangebote wirken Entwicklungen, bei denen durch Fachanwendungen Fachliteratur überflüssig wird. Als Beispiel sind hier Anwendungen zu nennen, die die Nutzer durch komplexe Berechnungen und Entscheidungsprozesse führen und im Anschluss als Ergebnis die gewünschten Dokumente generieren.

Die Möglichkeiten von KI zu erkennen und für die eigene Wertschöpfung zu adaptieren, kann für die Wettbewerbsfähigkeit von Fachverlagen entscheidend sein.

 

Kurz erklärt: künstliche Intelligenz

  • Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz (KI) ist der Oberbegriff für Anwendungen und Systeme, die – vereinfacht gesagt – Aufgaben übernehmen oder Leistungen erbringen können, die als charakteristisch für die menschliche Intelligenz gelten. Die Funktion einer KI orientiert sich also an den Fähigkeiten des Menschen: Sie soll bspw. Regelhaftigkeiten erkennen, Informationen einordnen sowie automatisiert Probleme lösen und nach Mustern Entscheidungen treffen.

  • Maschinelles Lernen

Maschinelles Lernen ist ein Teilbereich der künstlichen Intelligenz. Der Begriff bezeichnet Verfahren, bei denen Computersysteme mittels mathematischer Modelle und Algorithmen riesige Datenmengen („Big Data“) analysieren und anhand der so gewonnenen Informationen „lernen“. Viele alltägliche Anwendungen basieren auf solchen Verfahren, u.a. personalisierte Produktempfehlungen in Online-Shops.

 

Prototyp für eine Recherche-Lösung

Auch die Haufe Group erkundet die Möglichkeiten von KI und wie entsprechende Anwendungen optimal in die Arbeitsabläufe der Kunden integriert werden können. Ein Projekt befasst sich mit der Verbesserung der Recherche von Rechtsinformationen: Eine Befragung von Rechtsanwälten hat gezeigt, dass bei der Mandatsbearbeitung ein erheblicher Teil der Zeit auf die Recherche entfällt. 60% der Befragten stecken demnach ca. 20 bis 40% der Zeit in die Fachrecherche.

Genau hier setzt das Forschungsprojekt des Sebis Institutes von Prof. Florian Matthes an der Technischen Universität München und der Haufe Group an:

  • Gemeinsam wurde ein Prototyp für die Recherche von juristischen Fachinforma­tionen entwickelt. „Haufe Recht Word AddIn“ beinhaltet eine neue KI-basierte Suchtechnik für eine semantische Suche und eine neuartige Mensch-Maschine-Interaktion für die juristische Recherche.
  • Die Usability und die Qualität der Suchergebnisse wurden im Anschluss empirisch überprüft.

 

Neue Mensch-Maschine-Interaktion

Ansicht des Haufe Recht Word AddIn

Suchzeile und Tippen adé: Um im „Haufe Recht Word AddIn“ eine Suche anzustoßen, reicht es aus, die entsprechende Textpassage zu markieren. Aus Word heraus lässt sich dann die Fachliteratur in der Datenbank ansteuern. (Foto: Haufe)

Für die Interaktion mit dem Anwender wurde die Suche direkt in Microsoft Word integriert (s. Abbildung):

  • Eine Suche wird durch die Auswahl einer Textpassage in dem aktuell geöffneten Microsoft-Word-Dokument ausgelöst und die relevanten Suchergebnisse dann in einem Fenster auf der rechten Seite von Word angezeigt.
  • In der Suchergebnis-Liste ist auch eine Verlinkung in die Haufe-Fachwissen-Datenbank „Deutsches Anwalt Office Premium“ vorhanden, um die relevante Quelle dort vollständig lesen zu können.

Die Interaktion zeichnet sich dadurch aus, dass der Anwender keine Suchbegriffe mehr in eine Suchzeile wie bei der klassischen Suchmaschinenrecherche eingeben muss. Auf der anderen Seite setzt diese neue Art der Mensch-Maschine-Interaktion voraus, dass ein Dokument als Ausgangspunkt für die Recherche vorhanden ist.

Neben dem Anwendungskomfort einer Selektion statt einer Eingabe von Suchbegriffen ergeben sich auch qualitative Vor­teile: Der Anwender muss nicht die zielführenden Schlagwörter kennen, um ein hoch relevantes Suchergebnis zu erhalten. Gerade dann, wenn jemand in einem Rechtsgebiet recherchiert, dessen Fachbegriffe er nicht umfassend kennt, können hoch relevante Suchergebnisse unabhängig von seinem individuellen Wissensstand angeboten werden.

 

Technologie für semantische Suche

Für das Auffinden von relevanten Suchergebnissen wurde word2vec, ein Verfahren zur Verarbeitung natürlicher Sprache, eingesetzt. Es wurde 2013 von Tomas Mikolov bei Google entwickelt. Mit diesem Verfahren werden Wörter als Vektoren in einem hochdimensionalen Raum abgebildet. Die konkreten Vektoren für bestimmte Begriffe werden durch maschinelles Lernen von der Software erlernt. Dafür ist zunächst ein Training der Software durch eine Vielzahl von Texten erforderlich. Da word2vec zur Kategorie des unüberwachten Lernens gehört, müssen zum Lernen die richtigen Texte geliefert werden.

Diese Technik erlaubt es, bedeutungsgleiche Textpassagen zu ermitteln, auch wenn keine direkte Übereinstimmung der verwendeten Wörter vorliegt. Das heißt: Es findet eine Abstraktion in Richtung Bedeutungsebene – weg von der reinen Wortebene – statt.

 

Neuer Rechercheweg als Ergänzung

Die bisherigen Ergebnisse der Evaluierung haben gezeigt, dass 90% der Teilnehmer die Suche mittels Selektierung auch künftig einsetzen wollen. Wichtigstes Beurteilungskriterium für die Nutzung eines Suchverfahrens ist für den Anwender die Qualität der Suchergebnisse.

Durch den neuen Ansatz wird die klassische Interaktion durch eine Eingabe von Suchbegriffen in eine Suchzeile aber nicht ersetzt, sondern ergänzt. Wenn das Suchergebnis nach spezifischen Aspekten gesteuert werden soll, ist weiterhin die Eingabe in einer Suchzeile das Mittel der Wahl.

Herausforderungen bei der juristischen Recherche
  • Nutzer brauchen Antworten zu spezifischen Rechtsfragen.
  • Immer umfangreichere Informationsbestände müssen schnell zugänglich sein.
  • Die Bedienung muss dabei einfach und intuitiv sein.
  • Technische Hürden müssen reduziert werden.
  • Die Nachvollziehbarkeit der Suchergebnisse ist wichtig.
  • Eine optimale Integration in den Arbeitsablauf ist das Ziel.
  • Inhaltlicher Umfang und Suchmöglichkeiten sind eng miteinander verbunden: Die Suchmöglichkeiten dürfen den inhaltlichen Umfang nicht limitieren. Was nicht gefunden wird, ist für den Nutzer nicht vorhanden!

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen ist davon auszugehen, dass die Recherche von Fachwissen stark von dem Einsatz von KI und ML profitieren wird und Arbeits­weise und Ablauf einer Recherche von den neuen technologischen Möglichkeiten stark beeinflusst werden.

Hans Lecker  Hans.Lecker@haufe-lexware.com

Dieser Beitrag stammt aus dem buchreport.spezial RWS

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