Thomas Rathnow führt das deutsche Penguin Random House. Mit ihm steht nach einigen Managern wieder ein Programmmacher an der Spitze.Wie er die Gruppe ausrichtet und wo es hingehen soll, berichtet er im Interview.
Rückblick: Als Thomas Rathnow im November 2018 die Führung der Münchner Verlagsgruppe Penguin Random House (PRH) übernimmt, waren zuvor, nach den Boom-Jahren 2012/13 (u.a. „Shades of Grey“), die Umsätze stärker als bei anderen Verlagsgruppen gebröckelt. Rathnow, hausintern vom Verleger auf den CEO-Posten gerückt, konzentrierte sich zunächst auf die interne Organisation und präsentierte der Branche dann 2019 sein neu aufgestelltes Führungsteam – nebst klarer Ansage: mehr Kooperation im großen Penguin Random House, weniger interne Konkurrenz und getrenntes Vor-sich-Hin-Arbeiten der über 40 Verlagsmarken.
Nebst weicherem Teambuilding-Gedanken spielte dabei vor allem auch wirtschaftliches Kalkül eine Rolle: Es galt, die Größe der Verlagsgruppe besser ertragsfördernd zu nutzen, insbesondere im Bereich der Digitalisierung und datenbasierter Entscheidungen in Marketing und Vertrieb.
Jetzt, gut drei Jahre später, spürt Rathnow, der die Penguin-Random-House-Kultur seit 2004 mitlebt, weiterhin kreativitätsfördernden Wettbewerb in den Lektoraten, aber bei gemeinsamen Projekten auch eine „verlagsübergreifende Zusammenarbeit, die früher auf Widerstände gestoßen wäre“. Auch wirtschaftlich habe man in der Zeit einiges bewegt, berichtet er im buchreport-Interview: Den Fokus primär darauf gelegt profitabler zu werden, anstatt um jeden Preis Marktanteile zu erhöhen. Rathnow lässt die Konkurrenz aber auch wissen, dass er in einigen Segmenten für Penguin Random House noch Luft sieht, etwa im Kinder- und Jugendbuch sowie im Ratgeberbereich weiter wachsen und, ja, auch Marktanteile ausbauen will.
4 Prioritäten als strategischer Überbau
Damit das gelingt, hat Rathnow für die Verlagsgruppe 4 strategische Schwerpunkte identifiziert, die ineinandergreifen und so ihr Potenzial entfalten sollen:
- Inhalte: Mit ihnen stehe und falle das Geschäft, sie genössen „oberste Priorität“. Dabei gelte es, sich das Vertrauen der Autoren immer wieder zu verdienen und die Vorteile einer professionellen Verlagsbetreuung deutlich zu machen.
- Reichweitenfunktion: Ein schlagkräftiger Vertrieb, enge Kontakte zu den Handelspartnern und datengestützte, zielgruppengenaue Marketingaktivitäten sollen die Inhalte zu den Buchkäufern bringen.
- Daten und Technologie: Insgesamt gelte es, die Qualität der Entscheidungen zu erhöhen. Datenbasierte Entscheidungen gelten vor allem auch im Marketing als zunehmend erfolgskritisch, auch wenn Verlage darin bislang keine größeren Kompetenzen mitgebracht haben. Auch Rathnow sieht Lernbedarf, nicht zuletzt, weil sich das Buchgeschäft, befeuert durch die Pandemie, deutlich stärker in Richtung Online verschoben hat. Wer seine Titel da in die richtige Position rücken will, ihnen Sichtbarkeit und Auffindbarkeit sichern will, muss neben den klassischen Offline-Maßnahmen auch die digitale Klaviatur beherrschen.
- Personal: Für all das braucht es die passenden Mitarbeitenden, inklusive Weiterentwicklung von Arbeitskultur und -modellen. Aktuelle Stichworte sind New Work und Flexibilisierung von Arbeit.
Wo Thomas Rathnow Penguin Random House sieht und was seine Antworten auf die Fragen des Buchmarktes sind, erklärt er auf den folgenden Seiten.
Amtsantritt Ende 2018, ein Jahr Arbeit, dann die Pandemie: Wie viel haben Sie bislang geschafft, von dem, was Sie sich als CEO vorgenommen haben?
Unsere Hauptziele und strategischen Prioritäten haben sich durch die Pandemie nicht verändert. Im Gegenteil. Corona hat ja auch den Buchmarkt nicht in die Knie gezwungen. Für mich war von Beginn an klar, dass wir uns bei Penguin Random House wieder stärker auf einen Wachstumskurs begeben müssen und sowohl quantitativ als auch qualitativ zulegen wollen. Dafür ist interne Kooperation ganz entscheidend. Das habe ich nach meinem Amtsantritt mantraartig wiederholt: Mit falsch verstandener Konkurrenz zwischen unseren Verlagen schaden wir uns selbst. Wie bei jeder Organisation entsteht auch bei einer Verlagsgruppe ab einer gewissen Größe Komplexität. Wenn dann die internen Prozesse und die Zusammenarbeit nicht gut funktionieren, kann man die Vorteile der Größe nicht nutzen.
War Ihre Teambildungsmaßnahme erfolgreich?
Es gibt weiterhin gewisse Formen von Wettbewerb und die sind auch völlig in Ordnung. Selbst in kleinsten Lektoraten herrscht ein sportlicher Wettstreit – jeder möchte die besten Autorinnen und Autoren, die erfolgreichsten Titel und die attraktivsten Themen haben. Das ist nützlich und hält alle wach. Wichtig ist aber, dass wir nicht gegeneinander arbeiten, dass wir Wissen teilen und gemeinsam Projekte anstoßen, von denen alle profitieren. Gerade mit Blick auf die Digitalisierung ist es unsinnig, für unsere mehr als 40 Verlage und Imprints einzelne Plattformen getrennt voneinander zu entwickeln. Alles Datenbasierte lebt von Größe und Zentralität. Die Nutzung der Daten erfolgt dann dezentral und erlaubt es, bessere Entscheidungen zu treffen. In dieser Hinsicht haben wir große Schritte nach vorn gemacht. Wir pflegen heute eine Art der verlagsübergreifenden Zusammenarbeit, die früher auf Widerstände gestoßen wäre.
Von Haus aus sind Sie Programmmacher. Sie werden nicht nur organisatorisch aufräumen.
Das stimmt. Als jemand, der von der verlegerischen Seite kommt, will ich die Attraktivität unserer Programme steigern.
Dafür ist es auch wichtig, dass wir den strategischen Gesamtrahmen für unser Haus verständlich und klar kommunizieren. Was ist der Sinn unseres Tuns? Die Antwort lautet: Es geht nicht wirklich darum, große Zahlen zu schreiben oder möglichst viele Bestseller zu landen. Wir wollen mit den Inhalten, die uns Autorinnen und Autoren anvertrauen, das Leben der Menschen bereichern. Und wir wollen die Zukunft des Lesens für kommende Generationen mitgestalten. Ich will nicht sagen, dass diese sinnstiftende, ideelle Sichtweise auf unser Geschäft bei uns früher nicht existierte, aber heute ist uns dieser Aspekt deutlich bewusster – auch, weil wir uns in der Pandemie in der Bedeutung unseres verlegerischen Handelns bestätigt sehen konnten. Letzteres gilt nicht exklusiv für uns bei Penguin Random House, sondern für die gesamte Branche.
Wie viel Einfluss nehmen Sie auf die einzelnen Programmmacher?
Ich will nicht im Weg stehen, wenn es um Entscheidungen für einzelne Projekte geht. Als Haus mit über 40 Verlagen, die in verschiedenen Einheiten gebündelt sind, wollen wir auf der kreativen Seite so viel Autonomie haben wie möglich. Das ist eine Voraussetzung für Erfolg und dafür, dass interessante Bücher entstehen. Schon als ich Programmleiter war, hatte ich immer die Sorge, dass sich bei zu großen Abstimmungsrunden nur der kleinste gemeinsame Nenner durchsetzt und das Besondere oder auch die vermeintlich verrückte Idee eines Einzelnen den Bedenken der Gruppe zum Opfer fällt. Es ist mir wichtig, dass wir die Vorteile kleiner eigenständiger Strukturen erhalten und nutzen. Natürlich bin ich aber im engen Austausch mit unseren Programmverantwortlichen. Und natürlich habe ich auch mal selbst Ideen, oder Autorinnen und Autoren kommen auf mich zu.
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