Die deutschsprachige Presse zeigt sich vom 32. Ingeborg- Bachmann- Wettbewerb in Klagenfurt weitestgehend enttäuscht. „Nur zwei Tage hat der Wettbewerb gedauert, und er war dabei so langweilig wie kaum zuvor“, ätzt die „Neue Züricher Zeitung“. Klagenfurt, das sei in den letzten Jahren vor allem ein Kräftemessen jener Hoffnungsfrohen gewesen, die das Début gerade hinter sich hatten. Während die Verlage ihre zweiten oder dritten Werke in die Auslagen der Buchhandlungen schoben, konnten sich die Autoren am Wörthersee endgültig einen Namen machen. „Aber diesmal? Was soll von diesen ‚Tagen der deutschsprachigen Literatur‘ bleiben? Ein inhaltlich wie ästhetisch meist belangloser Realismus zieht sich durch die beiden Lesetage, und dass die Jury auf die vielen literarischen Unerheblichkeiten nicht etwa mit Unmut reagiert, sondern mit umso grösserem kulturtheoretischem Aufwand, macht die Sache auch nicht besser.“
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ lobt den Humor des Preisträgers Tilmann Rammstedt (Foto), befindet aber, dass die gelesenen Text nicht viel Neues geboten hätten: Viele gute und mehrere sehr gute Texte seien an den Start gegangen, wirklich peinlich seien dabei auch die schwächsten Beiträge nicht gewesen. „An den großen politischen Wurf indes wagte sich niemand. Auch ins Absurde oder Experimentelle schlug die Prosa in keinem Fall um. Bei allen aus mehreren hundert Bewerbern ausgewählten Teilnehmern, vierzehn an der Zahl, spielte die Handlung im Privaten: hauptsächlich Paar-, Familien- und Einsamkeitsgeschichten, Vita contemplativa in Kärnten, das ist nicht neu.“
Die „Süddeutsche Zeitung“ beklagt, dass Klagenfurt immer mehr unter das Diktat des Fernsehens gerate: „Im Lauf des letzten Jahres müssen sich ein paar Fernsehgewaltige öfter mal zusammengesetzt haben, vom Kulturkanal 3sat und vom ORF in Wien, und sie beschlossen dabei, dass es so nicht mehr weitergehen könne. Dieses mehrtägige Wettlesen in Klagenfurt müsse endlich fernsehgerechter werden.“ Was das genau sei, wüssten nur die Leute in den betreffenden Institutionen, aber im Moment laufe es anscheinend auf jemanden wie Dieter Moor hinaus, einen „geckenhaften Kultur-Smalltalker mit verschmitztem Habitus.“ Die Verkürzung der Veranstaltung auf zwei Fernsehtage schien die literarischen Texte wieder ein bisschen mehr in den Mittelpunkt rücken zu wollen, aber auch das habe alles noch viel schlimmer gemacht: „Es war noch nie so egal, wer gewinnen würde. Allenfalls die Hälfte der vierzehn vorgetragenen literarischen Versuche konnte man als halbwegs gediegenes Mittelmaß herauslösen, und wer dabei welches Rennen machte, war zufälliger als bei jeder Pferdewette.“
nzz.ch, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ S. 35, „Süddeutsche Zeitung“ S. 17
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