Amazon Publishing, der gerade offiziell gestartete Verlag des Onliners, sucht hierzulande, wie in den USA, nach einem Verlagspartner, um die hauseigenen Bücher auch über den Buchhandel zu verkaufen. Wie reagieren Sortimenter, werden sie Amazon-Titel ins Regal legen? Das Stimmungsbild ist gemischt.
buchreport.de hat in einer Facebook-Gruppe von Buchhändlern nachgefragt. Viele Befragte erklärten, sie würden durchaus die Amazon-Bücher auf Kundenanfrage übers Barsortiment beziehen, selbst aber nicht ans Lager nehmen – eine Position, die von der Haltung vieler Buchhändler in den USA, darunter Barnes & Noble und viele Indies, abweicht, die Amazon Publishing-Titel per se boykottieren.
Die Bandbreite der Meinungen und Haltungen zu Amazon unter den Buchhändlern ist sehr groß.
So kündigt Klaus Kowalke (Buchhandlung Lessing und Kompanie Literatur) an, dass er voraussichtlich Amazon boykottieren werde. „Sortiment halt. Und Bestellung bei Amazon, ist ja wohl ein Witz. (Der Boykott) Lässt sich, glaube ich, dem Kunden gut vermitteln. Sonst wird man unglaubwürdig. Ich kann nicht auf Amazon schimpfen und hinten herum Geschäfte machen. Ich lehne ja auch den Market-Place ab.“
Demgegenüber erklärt Lutz Heimhalt (Fuhlsbüttel): „Ans Lager nehmen, wohl kaum, aber wenn ein Kunde zu mir in den Laden kommt, um einen Amazon-Titel zu bestellen, auf jeden Fall! Besser, ich mache das Geschäft als Amazon!“
„Boykott schreit man nur, wenn man Angst hat“
Außerhalb des Buchhandels raten mehrere von buchreport befragte Branchenvertreter von einem Boykott ab. So meint die Digitalverlegerin Beate Kuckertz (Dotbooks, Foto): „Diese Diskussion empfinde ich als zu aufgeregt. ‚Boykott!‘ schreit man doch nur, wenn man Angst vor etwas hat, und dazu sehe ich keine Veranlassung. Man muss sich einfach überlegen, was das Lesepublikum im Laden erwartet. In literarischen Buchhandlungen gibt es keine kommerzielle Unterhaltung, in einem Kinderbuchladen wird man vergeblich nach einem harten Thriller suchen. In beiden kann man aber jedes lieferbare Buch bestellen, und das ist auch gut so. Wenn ein Kunde dann ein Amazon-Buch kaufen möchte, ist dies doch eine gute Gelegenheit, um mit ihm darüber ins Gespräch zu kommen und gegebenenfalls Alternativen vorzustellen.“
Steffen Meier (AKEP-Sprecher und neuerdings Produktinnovator bei Readbox) glaubt, dass die „Wahrscheinlichkeit, im unabhängigen Sortiment Titel des ,bösen A‘ zu finden, gegen Null tendieren“ werde, während die großen Fillialisten sicher einzelne Titel in ihr Angebot nehmen werden. „Die Frage ist, ob hier ein Boykott das richtige Instrument ist, zumal in Amazons Strategie der Abdeckung der kompletten Wertschöpfungskette das deutsche Sortiment keine große Rolle spielt. Die extrem durchdeklinierten Vermarktungsinstrumente Amazons funktionieren eben auch nur dort. Der Buchhandel spielt in Amazons Augen nur eine Rolle als Argument für Autoren, die komplette Distributionslandschaft abzubilden.“
Literaturagent Sebastian Ritscher (Mohrbooks) zweifelt ebenfalls an einem Boykott: „Einen Konkurrenten durch systematisches Mobbing vom Markt drängen zu wollen, wäre ein Zeichen von Hilflosigkeit und Schwäche, bliebe vermutlich wirkungslos und wäre schlimmstenfalls sogar illegal. Jedenfalls kann ich daran nichts Gutes erkennen.“
Weitere Stimmen und Analysen zu Amazon Publishing folgen im buchreport.express 12/2014 (hier zu bestellen)
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