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Mobiles Lesen ist Häppchenlesen

Prof. Christoph Bläsi hat am Institut für Buchwissenschaft der Uni Mainz das Verhalten von Lesern untersucht. Auf dem Fachkongress „Homer 3.0 – Die Odysee des Buches im digitale Zeitalter“ erklärte er heute vormittag, was sich daraus für die Zukunft des Buches ableiten lässt. Seiner Auffassung nach nimmt digitales Lesen weiter zu, mit einer Einschränkung: Je länger und hochwertiger ein Text, umso gedruckter. 

Buchreport interviewte ihn vor dem Kongress.

Steht der Siegeszug des E-Books unmittelbar bevor?

Für die Ausbreitung der E-Books spielen viele Faktoren eine Rolle, deren Gewicht schwer einzuschätzen ist. Aber das Leseverhalten, das traditionell in der prozessorientierten Leseforschung untersucht wurde, zeigt schon Entwicklungslinien, die eher für die Durchsetzung des E-Books sprechen. So ist zum Beispiel festgestellt worden, dass die Menschen zunehmend in kleineren Portionen lesen, zwischen verschiedenen Textportionen hin- und herspringen oder auch Textpassagen häufiger überfliegen oder ganz links liegen lassen. Das oft genannte Argument, das Lesen langer Texte sei am Bildschirm sehr anstrengend, verliert dadurch als Faktor an Bedeutung. Sprung-Möglichkeiten wie Links oder Suchoptionen dagegen unterstützen ganz offensichtlich diese Aspekte des Leseverhaltens, wie es sich empirisch zeigt.

In Zukunft wird also elektronisch, sprunghaft und schnell gelesen…

Ja, wenn auch nicht nur. Wir haben bei der – zugegebenermaßen kleinen – Gruppe von Studenten, die einen E-Reader besitzen, festgestellt, dass auch Vielleser darauf eher kurze Texte lesen, bei längeren Texten aber Gedrucktes vorziehen. Außerdem ist der Sachverhalt insofern noch komplexer, als neue technologische Lösungen ihrerseits das Leseverhalten beeinflussen.

Das Gerät bestimmt also, wie man liest?

Sicher nicht nur, aber auch, sicher entscheidet es mit, wie jemand liest: Neueste Untersuchungen von Nielsen zeigen zum Beispiel, dass iPad-Nutzer auf ihrem Gerät deutlich längere „Lese-Sitzungen“ abhalten als iPhone-Besitzer. Auch auf dem iPad liegt die durchschnittliche Lesedauer zwar noch unter 30 Minuten, aber sie erreicht damit den Bereich, in dem man nicht nur eine E-Mail, sondern zum Beispiel auch eine Kurzgeschichte lesen kann.

Muss der E-Book-Reader der Zukunft erst noch erfunden werden?

Unsere empirischen Daten geben darauf keine Antwort, aber in Fortschreibung der Beobachtungen des Leseverhaltens erscheint mir diese Annahme plausibel. Die Geräte der Zukunft könnten den hohen Lesekomfort der E-Ink-Bildschirme, wie ihn heute Nur-Lesegeräte bieten, mit der Möglichkeit kombinieren, Multimedia-Angebote zu nutzen oder Links zu verfolgen, wie die Nutzer es auf Tablet-Computern können. Dass es Hinweise darauf gibt, dass diese Möglichkeiten die Konzentrationsfähigkeit systematisch untergraben, ist dabei eine andere Diskussion…                          

Die Fragen stellte David Wengenroth

Die aktuellen Statements können Sie auf twitter unter #Homer verfolgen.

Kommentare

1 Kommentar zu "Mobiles Lesen ist Häppchenlesen"

  1. ich kenne niemanden, der Bücher electronisch von so ’nem kleinen Gerät abliest. Täglich fahr‘ ich U-und S-Bahn, zwar haben „alle“ Stöpsel in den Ohren, aber man hört immer nur das Gezischel von Musik. Die Leute sehen auch nicht aus, als wenn sie viel lesen würden. Und die, die lesen, sieht man natürlich auch in U/S-Bahn: die haben ein Stück gebundenes oder geklebtes Papier, vulgo ein BUCH in der Hand,
    Und wenn ich dann oben lese: „…zugegebenermaßen kleinen – Gruppe von Studenten, die einen E-Reader besitzen“ dann denk‘ ich mir mein Teil.

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