Kaum ein Autor lebt so zurückgezogen wie Patrick Süskind, der am Doennerstag, 26. März 2009, vor 60 Jahren geboren wurde. Zum Jahrestag erinnert buchreport in Kooperation mit dem Verlag J.B. Metzler an „Das Parfum“, Süskinds Roman aus dem Jahr 1985. Ein Auszug aus dem neuen Kindlers Literatur Lexikon, das am 4. September 2009 erscheint.
Das Parfum: Die Geschichte eines Mörders
Der 1985 erschienene Roman war einer der großen literarischen Erfolge der 1980er Jahre. Das Parfum ist nicht nur, wie der Untertitel zunächst vermuten lässt, eine Kriminal-, sondern auch ein Stück Sitten- und Kulturgeschichte des 18. Jh.s mit spirituell-mystischen Zügen.
Erzählt wird die Geschichte des Jean-Baptiste Grenouille, einer der »genialsten und abscheulichsten Gestalten dieser an genialen und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche«, geboren 1738 in Paris, in einer Fischerbude in der Rue aux Fers, nahe dem kurz zuvor aufgelassenen Cimetière des Innocents. Dank einer postnatalen Ohnmacht seiner Mutter überlebt er den ersten Anschlag auf sein junges Leben, nämlich zusammen mit den Fischabfällen der abendlichen Müllabfuhr überantwortet zu werden. Seine Mutter aber, die in dieser Weise mit dem Neugeborenen verfahren ist, endet kurze Zeit später, als Kindsmörderin entlarvt, auf dem Schafott. Gerüche, in ihrer ganzen Breite vom Gestank bis zum feinsten Duft, zeichnen ebenso wie der Tod in all seinen Erscheinungsformen vom ersten Tag an den Lebensweg Grenouilles.
Diesen verfolgend, werden dem Leser bald zwei Eigenschaften des Knaben Jean-Baptiste enthüllt: Er hat keinen Eigengeruch und riecht dennoch alles, ist ausgestattet mit einem äußerst differenzierten, empfindlichen, sozusagen absoluten Geruchssinn. Grenouille bemerkt an sich zunächst nur diese zweite Eigenschaft, und er lernt, das Leben im Wesentlichen mittels dieser Fähigkeit zu erfassen. Geleitet von den Gerüchen und Düften dieser Welt erschließt er sich Paris, und diese Fähigkeit, die alsbald seine einzige Leidenschaft wird, treibt ihn im Alter von 15 Jahren zu seinem ersten Mord an einem jungen Mädchen, dessen Duft ihn eines Nachts über ganze Stadtviertel hinweg betört. Er vermag den Duft des Mädchens vollständig in sich aufzunehmen; noch Jahre später kann er ihn in allen Nuancen analysieren.
Grenouille tritt bei einem der berühmten zwölf Pariser Parfumeure eine Lehre an, nur um zu lernen, wie man Düfte extrahiert und konserviert, um sie auch materiell zu besitzen. Nach Abschluss seiner Ausbildung macht er sich auf den Weg nach Grasse, dem französischen Parfumzentrum. Seine Reise dauert sieben Jahre, in denen er die für ihn entscheidende Erkenntnis seiner eigenen Geruchlosigkeit gewinnt. In Grasse kreiert er nun die unterschiedlichsten menschlichen Duftnoten. Seine Jagd nach Duftnoten aller Art lässt ihn zum Mörder an 25 der schönsten und anmutigsten Frauen von Grasse werden. Und wie er es bei den Parfumeuren gelernt hat, konserviert er deren Duft, um ihn zu besitzen und an sich selbst zu verwenden.
Schließlich seiner Taten überführt und zum Tode verurteilt, gelingt es ihm, die der Hinrichtung beiwohnende Menschenmenge in den Zustand einer Massenhypnose zu versetzen, die ihm die Freiheit schenkt; von nun an weiß er endgültig um seine Macht. Er kehrt an seinen Geburtsort, den Cimetière des Innocents in Paris zurück; dort aber wird er von den sich allnächtlich versammelnden Dieben, Mördern und Huren der Stadt in einem mystisch-sakral anmutenden Opfergang getötet.
• Lit.: W. Frizen/M. Spancken: P. S. ›Das Parfum‹. Interpretation, 1996. • M. C. Barbetta: Poetik des Neo-Phantastischen. P. S.s Roman ›Das Parfum‹, 2002. • S. Steinig: P. S. ›Das Parfum‹, in: Romane des 20. Jh.s, Bd. 3, 2003, 157–174.
Heinz Vestner
Zur Person: Patrick Süskind
geb. 26.3.1949 Ambach/Starnberger See (Deutschland)
Sohn des Publizisten und Schriftstellers W. E. Süskind; Studium in München und Aix-en-Provence; ab 1971 Drehbücher fürs Fernsehen; 1981 Debüt mit dem Einpersonenstück Der Kontrabaß; nach dem internationalen Erfolg des Romans Das Parfum (1985) blieb die spätere Erzählprosa ohne große Resonanz.
Mehr zum neuen Kindler unter www.derkindler.de
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