Nachhaltigkeit ist die große Herausforderung der aktuellen Dekade. Auch in der Buchbranche folgen zunehmend mehr dem Vorbild weniger Vorreiter. Wo die Branche steht, was ihre Akteure antreibt und wo es anzusetzen gilt.
„Grow Green“ ist Cornelsens griffiger Slogan, mit dem der Bildungskonzern seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in das Projekt Klimaschutz und Nachhaltigkeit einbeziehen will. Denn Nachhaltigkeit hat viele Aspekte, betrifft neben dem – in der Diskussion oft dominierenden – Einsatz von Material und Ressourcen in der Produktion etwa auch die Arbeitsweisen in den Unternehmen und Mobilitätsfragen.
Tatsächlich starten mit Blick auf das Jahr 2030 immer mehr Unternehmen eigene Nachhaltigkeitsinitiativen und beginnen zu dokumentieren, was sie erreicht haben und wo ihre Baustellen sind. Buchverlage spendieren ihren Klimabemühungen mittlerweile ganze Seiten in den Handelsvorschauen und erklären, wo auf mineralölhaltige Farben verzichtet und wie viel an Verpackungsmaterial eingespart wird. Keine Frage: Imagemäßig ist der Klimaschutz auf der Überholspur, Nachhaltigkeit längst auch Wettbewerbsfaktor und Kaufargument für sensibilisierte Zielgruppen.
Wer hinter die Fassade schaut, merkt allerdings schnell, dass ernsthaft und systematisch betriebene Nachhaltigkeitsbemühungen vor allem eins sind: mühsam, kleinteilig und komplex. Gerade bei den ganz großen Baustellen der Branche, Papier und Logistik, zeichnen sich noch keine Lösungen ab, die (derzeit) im großen Stil tragfähig sind.
Die Pioniere
Während sich hier viele Verlage noch orientieren oder im Experimentierstadium befinden, gibt es einige, die Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein längst systematisch in ihr unternehmerisches Handeln einbeziehen: Das sind am einen Ende des Spektrums die großen Verlagskonzerne, die ihren Status ausführlich in Nachhaltigkeitsberichten dokumentieren. Seit 2014 produziert etwa Holtzbrinck seine Bücher klimaneutral, zunächst still und leise, seit 2020 aber mit eigenem Siegel auf der Rückseite der neuen Bücher. Am anderen Ende stehen Ökopioniere wie der Oekom Verlag (München), der bereits 2011 eine Stabsstelle für Nachhaltigkeit eingerichtet und in einem vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt Umweltstandards für die Verlagsbranche entwickelt hat.
Wo ansetzen?
Dass es solche „Leuchttürme“ braucht, die vorangehen und anderen den Weg weisen, davon ist auch Nadja Kneissler überzeugt. Die Buch-Verlagsleiterin bei Delius Klasing ist seit einem Jahr auch Nachhaltigkeitsbeauftragte des Special-Interest-Verlags und will das Thema mit dem Börsenverein auch in der ganzen Branche vorantreiben. Dessen Pilotprojekt, in dem einzelne Unternehmen aus Verlagen, Handel und Zwischenbuchhandel in Zusammenarbeit mit der Agentur ORCA Fallstudien, Ansatzpunkte und Handreichungen für andere Branchenunternehmen produzieren sollen, sucht noch Willige (s. Infokasten am Ende des Beitrags).
Dass der initiale Schritt mitunter eine große Hürde für Unternehmen darstellt, sehen auch die ehemaligen Verlagsmanager Martin Bethke (Geschäftsleiter des Bereichs Märkte & Unternehmen beim WWF Deutschland) und Olaf Deconinck (Berater bei Publisher Consultants) so. Gemeinsam mit Nadja Kneissler haben sie mit buchreport diskutiert, wie sich Hemmschwellen und die Angst vor der Komplexität abbauen lassen, wo Ansatzpunkte, aber (derzeit) auch Grenzen liegen.
»Nicht weniger, sondern klüger Wirtschaften«
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@ Maarten: Sind es aus Ihrer Sicht die Kundinnen oder Kundinnen – oder sind wir im Buchhandel es (also die Buchhändler:innen) die da beim zu verhalten agieren?
Auch wir als kleiner, neu gegründeter Verlag produzieren klimaneutral. Und das schlägt sich natürlich auf den VK Preis aus, die leider viele Kund*innen (noch) nicht bereit sind zu zahlen.
Ich fände es daher super, wenn nicht nur viel geredet wird, sondern es neben Umweltstandards, es auch ein Gesetz gibt, die Klimaneutralität vorschreibt. Ansonsten verkaufen viele (meistens die großen) Verlage schön billig und mit hoher Rendite, während die Pioniere klimaneutral voranschreiten, aber ehrlicherweise mangels Wirkungsmacht nur als ‚Tropfen auf dem heißen Stein‘ gelten.