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Naturalistisch, abstrakt oder surrealistisch

Am 23. April vor 393 Jahren starb William Shakespeare. Zum Jahrestag erinnert buchreport in Kooperation mit dem Verlag J.B. Metzler an das Drama „Wie es euch gefällt. Ein Auszug aus dem neuen Kindlers Literatur Lexikon, das am 4. September 2009 erscheint.

As You Like It

Hauptgattung: Dramatik Untergattung: Komödie
(engl.; Wie es euch gefällt, 1840, A. W. v. Schlegel) – Das vermutlich um 1599 entstandene Drama entsprach der zeitgenössischen Begeisterung für das pastorale Genre, ist jedoch mit realistischen und kritischen Akzenten versehen. Die Vorgänge, die zum Auszug der Protagonisten aus der Hofwelt führen, beanspruchen in Shakespeares Quelle (Thomas Lodges Schäferroman Rosalynde, 1590) noch die Hälfte der Erzählung, sind nun jedoch zur Exposition komprimiert.
Frederick hat seinen Bruder entmachtet und den älteren Herzog zum Exil im Ardennerwald gezwungen, wo die Verbannten wie der legendäre  Robin Hood in Höhlen leben. Bruderzwist veranlasst auch Orlando, den jüngsten Sohn des Ritters Sir Rowland de Boys, zur Flucht in die Wälder. Sein Bruder Oliver, der ihn nach dem Tod des Vaters standesgemäß erziehen lassen sollte, hält ihn als Knecht und trachtet ihm sogar nach dem Leben.

In einem Ringkampf am Hof gelingt es Orlando zwar, einen stärkeren Gegner zu besiegen; statt der erhofften Anerkennung zieht er sich jedoch den Zorn des Usurpators zu, der sich an Orlandos Vater als einen Freund seines geflohenen Bruders erinnert. Von neu erwachtem Hass erfüllt, verstößt er seine Nichte Rosalind, die er nur wegen ihrer innigen Freundschaft zu seiner Tochter Celia am Hof geduldet hatte. Doch Celia sagt sich von ihrem tyrannischen Vater los. Zusammen mit dem Narren Touchstone begleitet sie die als Mann verkleidete Cousine ins Exil und gibt sich als ihre Schwester aus.

Im Ardennerwald treffen sie auf Orlando, der sich dem verbannten Herzog angeschlossen hat. Rosalind, die sich bei dem Ringkampf in den jungen Mann verliebt hatte, so wie er sich in sie, behält ihre als Sicherheitsmaßnahme mittlerweile überflüssige Männerkleidung aus übermütiger Spiellaune bei. Dadurch kann sie aus der vorgeschriebenen passiven Frauenrolle ausbrechen, selbst die Initiative ergreifen und verschiedene Formen des Umgangs mit Orlando erproben; wobei sich die Illusionsverschachtelung auf Shakespeares Bühne noch erhöhte, da alle Frauenrollen mit Knaben besetzt wurden. Rosalinds überlegenem Witz und ihrer Gefühlswärme ist es zuzuschreiben, dass sich Orlando aus der konventionellen Pose eines romantischen Liebhabers zu lösen vermag.

In kaum einem anderen Stück Shakespeares ist die äußere Handlung von so untergeordneter Bedeutung. Drei Akte lang treffen die Neuankömmlinge und Bewohner des Ardennerwaldes in immer neuen Gruppierungen aufeinander, tauschen Gedanken aus, widersprechen oder ergänzen einander. Zuhörer finden sich ein, die in die Debatten eingreifen oder das Gesagte kommentieren. Diese ›zufälligen‹ Begegnungen werden unter dem Aspekt thematischer Korrespondenz- und Kontrastbezüge verknüpft, etwa dem der Liebe in ihren unterschiedlichen Facetten.

So manifestiert sich die leichte Verführbarkeit der Verliebten durch den Augenschein an dem Schäferpaar Silvius und Phoebe, die sämtliche Klischees pastoraler Dichtung artikulieren. Als bodenständiger Gegenpol wirken die derb sinnlichen Werbeszenen des Hofnarren Touchstone um die Ziegenhirtin Audrey. Dem Komödiengesetz der Paarbildung folgend, taucht schließlich noch ein Heiratskandidat für Celia auf, der das Quartett von Liebespärchen komplettiert. Es ist Oliver, der in Verfolgung seines Bruders im Wald eintrifft, von diesem jedoch aus einer bedrohlichen Situation gerettet wird und seine Untaten bereut. In einem von Rosalind inszenierten Hochzeitsmaskenspiel lösen sich die Verwirrungen um ihre Identität.

Dieses Spiel im Spiel ist wohl die spektakulärste Einlage in einem Stück, in dem sich das Theater immer wieder selbst thematisiert. Der berühmteste Exkurs ist der von Jaques über die sieben Lebensphasen des Menschen, mit dem viel zitierten Beginn »All the world’s a stage« (»Die Welt ist eine Bühne«). Dabei handelt es sich eventuell um eine Anspielung auf das Theater von Shakespeares Truppe, das mit seinem Namen, ›The Globe‹ (Die Weltkugel), den Anspruch vertrat, die Welt im Kleinen abzubilden.

Die Raumstruktur des Stückes ist bestimmt vom Kontrast zweier Schauplätze – der Herzogshof, an dem bedrohliche Intrigen gesponnen werden, und der Naturbereich des Ardennerwaldes, der die Flüchtlinge gastlich aufnimmt. Bemerkenswert ist die Kunst, mit der es Shakespeare mittels Wortkulisse gelingt, den Eindruck eines von Flora und Fauna belebten Raumes hinter der Bühne zu evozieren. Hierzu tragen auch die Lieder bei, die unterschiedliche Stimmungen beschwören und das Verfließen der Zeit bewusst machen. Zum glücklichen Dénouement steigern sich die Heilkräfte des Waldes ins romanzenhaft Wundersame. Der Usurpator Frederick wird von einem Eremiten dazu bekehrt, seinem Bruder das Herzogtum zurückzugeben und selbst der Welt zu entsagen.

Trotz des erfrischenden Landlebens in Arden zögern die Exilierten keinen Augenblick lang, an den Hof zurückzukehren. Über die Vorzüge und Nachteile von Natur und Zivilisation ist im Stück mit großer Beredsamkeit gestritten worden. Dass Arden kein Schlaraffenland ist, verdeutlicht gleich der erste Eindruck vom Leben der »outlaws« in der Wildnis; aber auch die ökonomischen Sorgen des alten Schäfers Corin, der einem geizigen Herrn dient, weisen darauf hin. Corin ist mit seinem Mutterwitz den Sophismen Touchstones durchaus gewachsen, der am Hofleben vor allem den Komfort schätzt. Als kritischer Kommentator tritt Jaques, der sich in der Pose eines Melancholikers gefällt, gegen die jeweils vorherrschende Meinung an. Er ist der Einzige, der sich am Schluss der Hofgesellschaft nicht anschließt.

Die Komödie, die zu Shakespeares am häufigsten aufgeführten Dramen zählt, bietet Regisseuren neben der Inszenierung von Geschlechterambiguität jede erdenkliche Freiheit in der Präsentation des Ardennerwaldes, der naturalistisch, abstrakt, surrealistisch oder, wie in der Verfilmung von Christine Edzard 1992, als urbane Dystopie visualisiert worden ist.

• Lit.: J. P. Ward: ›As You Like It‹, 1992. • ›As You Like It‹ from 1600 to the Present. Critical Essays, Hg. E. Tomarken, 1997. • P. Mills: S. ›As You Like It‹, 2002. • E. Schuch: ›I exceed my sex‹. Inszenierung von Geschlecht in S.’s Dramen. Text und Aufführung, 2003.

Ingeborg Boltz

William Shakespeare

geb. vermutlich 23. 4. 1564 Stratford-upon-Avon (Großbritannien) 
gest. 23.4.1616 Stratford-upon-Avon (Großbritannien)
26. April 1564 Eintrag ins Taufregister; ab 1569 Besuch der örtlichen Lateinschule; 1585–1592 sogenannte ›verlorene Jahre‹, d. h. ohne dokumentierte Lebensspuren; 1594 anlässlich einer Aufführung am Hof in Greenwich erste Erwähnung als Mitglied der »Lord Chamberlain’s Men«, einer der beiden führenden Schauspieltruppen auf dem hart umkämpften englischen Theatermarkt; 1599 Eröffnung des ›Globe-Theatres‹, 1590–1594 Entstehung und erfolgreiche Aufführung erster Stücke, zunächst vor allem Komödien; daneben mehrteilige Dramatisierung der dynastischen Konflikte im Zeitalter der englischen Rosenkriege im 15. Jh. (Entstehung des Historiendramas); 1595–1600 Entstehung und Aufführung romantischer Komödien, daneben frühe Tragödien sowie weitere mehrteilige Historiendramen; 1601–1607 Entstehung und Aufführung der großen Tragödien; daneben entstanden in dichter Folge reife Komödien, sogenannte ›Problemstücke‹ und Römerdramen; 1609–1613 Entstehung und Aufführung der späten Stücke, einige davon in Zusammenarbeit mit Kollegen verfasst; 1613 endgültiger Abschied vom Londoner Theatergeschäft und Investition der offenbar erheblichen Profite daraus in weiteren Grundbesitz zum Ausbau der bürgerlichen Existenz in Stratford; 1623 Erscheinen von Mr. William Shakespeares Comedies, Histories, & Tragedies, einer sorgsam vorbereiteten Werkausgabe der Dramen im Folio-Format; mit der erklärten Absicht, die Theatertexte nach den »echten Originalexemplaren« wiederzugeben, bietet der Band 36 Stücke, 18 davon zum ersten Mal im Druck.

• Ausg.: The Arden S. Third Series, Hg. R. Proudfoot/A. Thompson/D. S. Kastan, 1983 ff. • The New Cambridge S., Hg. P. Brockbank/B. Gibbons, 1984 ff. • The Complete Oxford S., Hg. G. Taylor/S. Wells, 1986.
• Übers.: Gesamtausgabe, F. Günther, 39 Bde, 2000–2009.
• Lit.: P. Honan: S. A Life, 1998. • S.-Handbuch, Hg. I. Schabert, 42000. • M. Dobson/S. Wells: The Oxford Companion to S., 2001. • P. Holland: W. S., in: Dictionary of National Biography, Hg. L. Stephen/S. Lee, 2004, 1286–1335.

Mehr zum neuen Kindler unter www.derkindler.de

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