Die französische Nationalversammlung hat das umstrittene Internetgesetz „Loi Hadopi“ verabschiedet. Während die Kreativwirtschaft es begrüßt, steht der Branchenverband Bitkom ihm kritisch gegenüber. Ein Interview mit Mario Rehse.
Ist das französische Internetgesetz auch ein Modell für Deutschland?
Wir beurteilen das sehr skeptisch. Vor allem greifen Internet-Sperren gegen mutmaßliche Verletzer von Urheberrechten tief in das Vertragsverhältnis zwischen Providern und Kunden ein. Damit würde parallel zu den bestehenden Sanktionsmöglichkeiten gegen Raubkopierer ein Bestrafungssystem auf dem Rücken der Provider geschaffen. Das geht unseres Erachtens zu weit.
Was tun die Provider gegen die Verletzung von Urheberrechten im Internet?
Die Internet-Provider und Bitkom unterstützen an vielen Stellen die notwendige Aufklärungsarbeit. Darüber hinaus engagiert sich Bitkom in der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen. Geistiges Eigentum ist ein zentrales Thema für die deutsche Hightech-Wirtschaft. Wir befürworten die im vergangenen Jahr eingeführten neuen Rechtsmittel zur Durchsetzung geistigen Eigentums. Zusammen mit den bisherigen müssen sie konsequent umgesetzt werden.
Welche Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach in Zukunft nötig?
Neben technischen Schutzmaßnahmen ist vor allem eines wichtig: Eine gesellschaftliche Neubewertung geistigen Eigentums. Produktpiraten und Raubkopierer bewirken, dass sich Kreativität langfristig nicht mehr lohnt, und bedrohen so Arbeitsplätze und kulturelle Vielfalt. Wenn es nicht gelingt, ein stärkeres Rechtsbewusstsein zu schaffen, verlieren wir alle, denn dann verarmt das Kultur- und Medienangebot. Auch im Web kann nicht alles gratis sein. Ziel muss sein, einen breiten Konsens in Deutschland zu finden. Für diese Bewusstseinsbildung brauchen wir die Unterstützung der Politik.
Was halten Sie von dem Vorschlag, den Download geschützter Werke freizugeben und dafür eine „Kulturflatrate“ einzuführen?
Gerade im Hinblick auf das Bewusstsein für den Wert geistigen Eigentums sehen wir eine „Kulturflatrate“ kritisch. Wenn ein Pauschaltarif sowohl belanglose Werke als auch ausgesprochen kreative und aufwendige Schöpfungen abdeckt, verschwimmen für den Nutzer leicht die Relationen. Insofern ist ein digitales Rechtemanagement, das den Preis für ein Werk von der konkreten Nutzung abhängig macht, einer Flatrate vorzuziehen. So werden innovative Geschäftsmodelle besser gefördert. Außerdem ist eine individuelle Vergütung gerechter gegenüber Verbrauchern, die das Internet nicht so intensiv nutzen
Die Fragen stellte David Wengenroth
Zur Person: Mario Rehse
ist Referent Gewerblicher Rechtsschutz beim Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom). Der promovierte Jurist betreut in dem Branchenverband den „Arbeitskreis Intellectual Property“ und den „Fachausschuss Produktpiraterie“.
aus: buchreport.express 21/2009
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