Wie kann Weltbild überleben? Aufbau-Geschäftsführer Tom Erben rät den Augsburgern, an die früheren Tugenden der Zielgruppen-Kenntnis anzuknüpfen.
Wie schätzen Sie die Situation bei Weltbild ein?
Dramatisch. Besonders, wenn Weltbild nicht gerettet wird. Und wenn Hugendubel als Marke beschädigt oder gar vernichtet wird. Ein Insolvenzantrag, der durch die Kirche verursacht wird, ist beispiellos. Dieser Schritt dürfte dort nicht leichtgefallen sein – aber war man sich wirklich der Tragweite bewusst?
Hat Weltbild eine Perspektive?
Eine Insolvenz bietet Chancen, wenn das Geschäftsmodell im Kern funktioniert – und sich dafür ein Investor findet. Die Stärke von Weltbild war immer die genaue Kenntnis der Zielgruppe und dadurch ein sehr konsequentes Eingehen auf deren Wünsche. Das Versandgeschäft (über-)erfüllte über Jahrzehnte die Needs und Wants der bürgerlichen Mitte. Aber auch diese Zielgruppe unterliegt dem mit der Digitalisierung einhergehenden Wertewandel. Wenn es gelingt, diesen Kunden etwas einzigartiges Neues oder besonders Konsequentes zu bieten, hat Weltbild auch als Onliner gerade durch seine Verortung mit Katalog und Läden als Empfehlungssortiment eine veritable Chance. Heißt: Konzentration auf klassische, aber neujustierte Weltbild-Kernkompetenzen. Nach meiner Einschätzung wird das Geschäftsmodell aber nicht allein durch Größe funktionieren.
Welche Folgen erwarten Sie für die gesamte Branche?
Es wird, wie Andreas Meyer es formulierte, Kollateralschäden nach sich ziehen. Die Verunsicherung der Branche vor allem in der Außenwirkung – wird dadurch sicher nicht geringer. Aber Verunsicherungen führen im Idealfall dazu, alte Zöpfe abzuschneiden und neue Wege zu gehen.
Herr Erben vom Aufbau-Verlag schreibt u. a. : ,Ein Insolvenzantrag, der durch die Kirche verursacht wird, ist beispiellos`.
Da muss man sich jetzt fragen: Welche Notbremse hätte da die Kirche in diesem Fall dann ziehen sollen?
Man kann eben nicht in einen Verlag der eine große Summe an Investitionen jetzt benötigt und zudem 190 Millionen Euro Bankschulden hat, weiterhin Geld sozusagen hineinpumpen.
,beispiellos` würde ich dies nicht nennen, denn dies ist doch eine Folge bei Weltbild aus falschen Entscheidungen heraus, die das Verkaufsangebot betreffen und diese Beschlüsse hat damals in keiner Weise die Kirche getroffen.
Die Kirche ist zwar Eigner und Geldgeber von Weltbild, aber wenn hier falsch gewirtschaftet wird, müssen Bremsen gezogen werden.
Wer jetzt da was und wie durchgeführt hat, ist sicher nicht mehr so genau zu prüfen.
Es ist aber nicht richtig, wenn man jetzt die Gesamtschuld in der Kirche suchen will.
Die Verantwortlichen sind sicher auch da zu suchen, wo geschäftliche Strategien laufen und durchgeführt werden.
Die Kirche ist aber geistlichen Standes, d.h. sie hat in ihren Reihen keine eigenen Verlagsmanager.
Wie sich das Ganze jetzt in den Verantwortlichkeiten gegenüber Weltbild zusammensetzt, weiß ich selber nicht.
Man sollte aber da auch mit zweierlei Maß messen können und nicht immer nur auf einer Seite die Schuld sehen und dies auch in den Medien noch sehr groß herausstellen.
Sehr gut finde ich, dass Herr Erben sich für den Katalog von Weltbild weiterhin als eine Kern-Kompetenz ausspricht.
Kern-Kompetenz könnte auch bei Weltbild bedeuten: Wo waren wir bisher gut und können wir diese Gebiete vom Verlag weiter halten?
Weltbild sollte jedenfalls nicht zu ,Kettenreaktionen` in der Buchbranche führen. Es wird Veränderungen geben.
Es bleibt jetzt abzuwarten, wie die laufenden Dinge sich bei Weltbild entwickeln werden.
Nur muss jetzt den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zuerst geholfen werden. Dies wäre jetzt das oberste Ziel. Und dazu ist vor allem auch Klarheit in manchen Fragen notwendig.
Auf die Schnelle kann man sich bei Weltbild keine genaue Lage verschaffen. Dies geht nur in der Bündelung und auch in der Geduld der jeweiligen Verantwortungsträger.
H. Kraft