Im Börsenverein schlägt das Positionspapier des Verleger-Ausschusses zum Thema Open Access hohe Wellen. Verleger wie Georg Siebeck und Vittorio Klostermann gehen auf Distanz. Der Hamburger Verleger Manfred Meiner (Foto) fordert sogar den Rücktritt des Ausschuss-Vorsitzenden Matthias Ulmer.
Woran entzündet sich die hitzig geführte Debatte?
Am Dienstag hatte der Verband in einer Pressemitteilung und einem Positionspapier („Meinung“, hier zum Download) erklärt, der Börsenverein plädiere in der Open-Access-Debatte für einen „Neuanfang“ im Dialog mit den Wissenschaftsorganisationen. Dabei merkte Ulmer selbstkritisch an: „Wir haben zu lange gebraucht, zu erkennen, dass Open Access von vielen Kunden gewünscht wird und es unsere Aufgabe ist, dafür qualitätsvolle und nachhaltige Angebote zu machen“.
Beteiligt an der Entstehung des Papiers waren laut Ulmer neben dem Verlegerausschuss als Impulsgeber der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger, Albrecht Hauff (Thieme) und der Vorsitzende des Urheber- und Verlagsrechtsausschusses im Börsenverein, Jürgen Hogrefe (Hogrefe Verlag).
Was werfen die Verleger Ulmer & Co. vor?
Steine des Anstoßes sind einerseits inhaltliche Aspekte des Papiers, vor allem aber verbandspolitische.
Zentraler Vorwurf von Meiner, Siebeck und Klostermann: Ulmers Behauptung, dass der gesamte Börsenverein für einen Neubeginn sei, sei falsch. „Die vom Börsenverein verlautete Meinung ist bei weitem nicht die aller Verlage und auch nicht die aller in der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger vertretenen Verlage“, schreibt Siebeck in einer Mail an AwV-Mitglieder. Meiner ergänzt, dass es weder einen Beschluss der Mitgliederversammlung gegeben habe, noch sei der Vorstand des Verbands und nicht einmal der Vorsteher in die Formulierung des Plädoyers einbezogen worden. Heinrich Riethmüller habe am Mittwoch erklärt: „Auch ich bin von dieser Presseerklärung überrascht worden, von der ich nichts gewusst habe. Sie wurde vom Verlegerausschuss ohne Rücksprache mit mir oder anderen Vorstandsmitgliedern veröffentlicht.“
Meiner wirft Ulmer Amtsmissbrauch vor: „Der Vorstand leitet den Börsenverein. Nicht der Vorsitzende des Verlegerausschusses.“ Ulmer versuche, eigenen Interessen „der im Börsenverein organisierten Verlegerschaft in ihrer Gesamtheit den Vorzug zu geben.“
Neben den satzungsmäßigen Fragen kritisieren Meiner & Co. inhaltliche Aspekte des Papiers. Zwar erklärte Ulmer in einer an AwS-Mitglieder verschickten Mail, es habe sich an der Position gegenüber Open Access (Tenor: „Wir haben nichts gegen OA, wir wehren uns gegen den Zwang zu OA“) nichts verändert – es habe keine Kehrtwende in der Sache, sondern nur eine Kehrtwende in der Kommunikation gegeben.
Meiner hält aber dagegen, dass im Positionspapier ein anderer Eindruck erweckt werde. Der Passus „Wie können Hybridmodelle als sinnvolle Übergangslösung gestaltet werden ….“ könne nur so verstanden werden, schreibt Meiner, „dass Open Access künftig ohne Alternative bleiben soll, z.B. auch in den Geisteswissenschaften, für die ,Open-Access-Modelle‘ ,erschlossen werden‘ sollen. Wenn das keine ,Kehrtwende in der Sache‘ ist, weiß ich nicht, was darunter zu verstehen wäre.“
Wie geht es weiter?
Ulmer räumte in einer Mail an Verleger den Fehler ein, vor Veröffentlichung den Verlegern nicht die Gelegenheit gegeben zu haben, dazu vorab Stellung zu nehmen. Jetzt solle die gemeinsame Position in einer größeren Gruppe erarbeitet werden.
Meiner schreibt in der Mail an Ulmer: „Bei näherer Betrachtung der von Ihnen als Vorsitzendem des Verlegerausschusses zu verantwortenden Aktion in Sachen Open Access bleibt zwischen nüchterner Analyse und Verschwörungstheorie nur noch wenig Spielraum. Um es vornweg zu sagen: ich fordere Sie hiermit auf, von Ihrem Amt zurückzutreten.“
Stellungnahmen von Matthias Ulmer, Albrecht Hauff und Jürgen Hogrefe sind angefragt.
Wie Sie ganz richtig schreiben, geht es in erster Linie um ein Problem der internen und externen Kommunikation des Börsenvereins.
In der Sache kann man über „Open Access“ unterschiedlicher Meinung sein. Ich halte dieses Modell nach wie vor für ganz grundsätzlich falsch, aber wir machen alle in unseren Unternehmen viele Dinge, die wir zwar für grundsätzlich falsch halten, die aber unsere wichtigsten Partner und Kunden so wollen und uns anderes Grundsätzliches anderswo wichtiger ist. Ich will aber weiterhin sagen dürfen, was ich für falsch halte, ohne von meinem Verband deshalb als „nicht in der Realität angekommen“ apostrophiert zu werden. (Ein Kollege mag das tun.)
Der eigentliche Knackpunkt sind aber Stil, Argumentation, Zeitpunkt und Zustandekommen der fraglichen Erklärung des Börsenvereins. Wie passt eine solche Erklärung zu einem Verband, der sich sonst gern als Kulturinstitution sieht? (Verlage als „Gatekeeper“, zu deutsch etwa Türsteher?) Wie passt das zur großen Jahreskampagne „Vorsicht Buch!“? Muss man mit einer solchen Erklärung ausgerechnet das zehnjährige Jubiläum einer „Berliner Erklärung“ feiern, die jedenfalls damals deutlich gegen Verlage gerichtet war? Und schließlich: Wie geht ein kollegial konstituierter Verein mit solchen Alleingängen in die Öffentlichkeit um?
Georg Siebeck