Kommt jetzt endlich Bewegung ins digitale Lernen? Nachdem Corona-Pandemie und Distanzlernen eindrücklich die digitalen Lücken offen gelegt haben, beginnen Länder und Schulen aufzurüsten. Das Land Nordrhein-Westfalen kauft jetzt digitale Lernmittel in Höhe von 2,6 Mio Euro ein. Haupt-Profiteur ist Brockhaus, der als digitaler Bildungsanbieter zum Comeback ansetzt.
„Wir stellen den Schulen damit Lernmaterialien zur Verfügung, die neue Chancen für die digitale Unterrichtsgestaltung bieten“, sagt NRW-Bildungsministerin Yvonne Gebauer, deren Ministerium für den Erwerb verantwortlich zeichnet. Neben dem bislang größten Ausstattungsprogramm für digitale Endgeräte für bedürftige Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte und einer Fortbildungsoffensive zur Weiterbildung und Qualifizierung vergrößere man jetzt auch das Angebot an digitalen Lerninhalten.
Die Medienberatung NRW hat im Auftrag des Bildungsministeriums die Drei-Jahres-Lizenz für ein Paket des Brockhaus Online-Nachschlagewerks erworben. Das Paket beinhaltet
- die Enzyklopädie
- ein Jugend- und Kinderlexikon
- der Online-Kurs „Richtig Recherchieren“, mit dem Schüler lernen sollen, „selbstbestimmt und verantwortlich mit digitalen Medien umzugehen“
- neben Informationstexten, Bildern, Grafiken und Karten auch Audio- und Videodateien.
Mit der Lizenz sollen Inhalte explizit klassen- und fächerübergreifend zur Verfügung gestellt werden. Die Brockhaus-Plattform bringt unter anderem auch eine Vorlesefunktion und eine Übersetzungsmöglichkeit in 60 Sprachen mit.
Der Lexikon-Anbieter Brockhaus gehörte beim Vormarsch der freien Online-Wissensangebote von Wikipedia und Co. zunächst zu den Verlierern der Digitalisierung. Doch für den Münchner Verlag hat sich das Blatt gewendet: Er feiert ein Comeback als digitaler Anbieter mit dem Schwerpunkt Bildung. Die Übernahme durch den schwedischen Verlag NE Nationalencyklopedin (Malmö) vor sechs Jahren macht es möglich.
Die Lizenzen werden über EDMOND NRW (zukünftig Bildungsmediathek NRW) zur Verfügung gestellt. Es ist außerdem geplant, die Lizenzen auch direkt in das Lernmanagementsystem Logineo NRW LMS zu integrieren, das mehr als 2300 Schulen in Nordrhein-Westfalen nutzen. Nutzungsberechtigt sind alle Schüler, Lehrkräfte und sonstiges pädagogisches Personal an den Schulen in Nordrhein-Westfalen. Der weitere Einkauf von Landeslizenzen ist in Vorbereitung.
Netzpolitik.org: »weder didaktisch noch wirtschaftlich nachhaltig«
Netzpolitik.org, das sich für digitale Freiheitsrechte einsetzt, kritisiert den Brockhaus-Einkauf: Die Entscheidung wirke „etwas aus der Zeit gefallen und weder didaktisch noch wirtschaftlich nachhaltig”. Die Kritik in Auszügen (hier geht es zum kompletten Beitrag bei Netzpolitik.org):
„Neben diesen didaktischen Überlegungen setzt die Beschaffungsentscheidung die fragwürdige Politik des Landes NRW fort, öffentliches Geld für proprietäre Lernmittel auszugeben, statt es in frei lizenzierte Lernunterlagen („Open Educational Resources“, OER) zu investieren. Bislang ist es so, dass die Vergabe öffentlicher Mittel im Bereich von Lernmittelfinanzierung und -freiheit klassisch-proprietäre Formate klar bevorzugt – obwohl es an Vorschlägen für eine (Vor-)Finanzierung offen lizenzierter Lernunterlagen nicht mangelt.
Letztlich sind die Gelder mit dem Erwerb einer Drei-Jahres-Lizenz nicht sehr nachhaltig investiert. Nach Ablauf der drei Jahre wird der Druck groß sein, die Lizenz zu verlängern, weil sonst die bis dahin erworbenen Kompetenzen der Lehrkräfte im Umgang mit der proprietären Enzyklopädie verloren wären. Sowohl aus didaktischen als auch aus wirtschaftlichen Überlegungen wären die 2,6 Millionen Euro also wohl besser in Kurse zum Thema „Richtig Recherchieren mit Wikipedia, YouTube & Co“ als in Lizenzgebühren investiert gewesen.”
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