Im Agentenzentrum der Frankfurter Buchmesse herrscht seit Jahren ein großer Andrang – 2011 stieg die Zahl der Besucher im erweiterten Agentencenter in Halle 6.0 um 11%. Doch im Zuge der Digitalisierung, der globalen Ausrichtung von Verlagen sowie infolge der gewachsenen Konkurrenz durch die Messen in London (London Book Fair) und Paris (Salon du Livre) steht der Rechtehandel am Main nach Einschätzung von Branchenexperten unter Druck.
Noch vor fünf oder zehn Jahren sei es beispielsweise für US-Verlage unumgänglich gewesen, die Kosten und Mühen auf sich zu nehmen und nach Frankfurt zu fahren, um dort ihre Titel fürs Lizenzgeschäft anzubieten, erklärte Phil Ollila, verantwortlich für die Inhalte bei der Ingram Content Group, dem nach eigenen Angaben weltgrößten Buchauslieferer, anlässlich der Konferenz „Digital Book World“ (s. Video-Interview). Doch inzwischen gebe es globale Distributionsnetzwerke, in die Verlage ihre Titel einspeisen könnten, ohne die Rechte an die vermittelnden Partner vor Ort zu verkaufen. Die Verlage könnten Bücher anbieten, die früher nicht für den internationalen Rechtemarkt in Frage gekommen wären.
- Verlage speisen ihre Titel ins Netzwerk ein.
- Die Bücher werden in den Zielländern on demand gedruckt – zum Ingram-Firmenkonglomerat gehört auch Lightning Source, der weltweite Marktführer bei Print-on-Demand- und Versanddienstleistungen.
- Die Bücher werden über bereits bestehende Vertriebs- und Handelskanäle ausgeliefert.
- Als erste Allianz hat Ingram den brasilianischen Buchhersteller Singular Digital für das „Global Connect“-Programm gewonnen.
- In Deutschland verbündete sich Ingram mit dem nationalen Print-on-Demand-Champion Books on Demand (Libri), (hier mehr zur Allianz).
- Die international agierenden amerikanischen Unternehmen Apple, Amazon, Barnes & Noble und Kobo bieten Verlagen den globalen Vertrieb ihrer Titel an – im digitalen Format. Heißt konkret: Ein französischer Verlag muss sich keinen Verlags-Lizenzpartner in Kanada besorgen, sondern kann beispielsweise über Kobo den direkten Kontakt zum E-Book-Leser suchen.
- Google kooperiert dabei sogar mit stationären Buchhändlern. Möglicher Ausblick: Vor Ort in den Geschäften können die E-Books z.B. mit Hilfe der Espresso Book Machine als Print-Fassung hergestellt werden (hier mehr zum Thema).
- Im Herbst 2011 ging der US-Spezialist für den Vertrieb von Büchern Baker & Taylor mit einer eigenen E-Book-Shop-Technologie („Blio“) an den Start, im Schulterschluss beispielsweise mit Gardners Books, Großbritanniens führendem Buch-Großhändler, der Titel der Partner-Verlage einspeist (hier mehr).
Update: Die Frankfurter Buchmesse zeigt sich zuversichtlich, dass der Rechtehandel auch weiterhin floriert. Auf Nachfrage von buchreport.de erklärt Katja Böhne, Sprecherin der Buchmesse, dass der Rechtehandel auf der Frankfurter Buchmesse seit einigen Jahren deutlich expandiere, und zwar nicht nur was die klassischen Übersetzungsrechte betrifft, sondern auch und gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung von Inhalten. So sei zum einen eine Ausweitung des Rechtehandels in neue Formate und damit auch in angrenzende Branchen zu beobachten – traditioneller „Buch-Content“ werde zur „Content Brand“, d. h. daraus entstehe ein Film, ein Computerspiel, eine Spielfigur und ein T-Shirt. Der Rechtehandel im „crossmedialen Adaptionsgeschäft“ und neue Geschäftsmodelle, die auf Koproduktionen und Kooperationen basierten, stünden in Frankfurt erst am Anfang.
Gleichzeitig wachse das Interesse an ausländischen Titeln weltweit. „So sind beispielsweise asiatische Länder seit einigen Jahren überdurchschnittlich an ,westlichen‘ Titeln interessiert. Dieses Interesse schlägt sich sowohl in Frankfurt nieder als auch in entsprechend gestiegenen Aktivitäten unserer Außenbüros. Das LitAg auf der Frankfurter Buchmesse ist also nicht ohne Grund im vergangenen Jahr um 11 Prozent gewachsen.“
Ich versteh das nicht: die Buchmesse und das Agentenzentrum haben doch noch nie eine Rolle gespielt, um den Vertrieb eines Titels in anderen Ländern zu gewährleisten? Ein französischer Verlag bedient die DOM/TOM, Belgien, Schweiz, Luxemburg, Kanada ganz sicher nicht mittels Verhandlungen mit Agenten auf der Messe…
Auf der Messe geht es doch um Übersetzungen. Und das ist komplett unsinnig, wenn man etwa als deutscher Verlag versucht einen Titel in zehn Sprachen zu übersetzen und dann über Amazon in den entsprechend sprachlich aufgestellten Ländern auch zu verkaufen. Übersetzungen funktionieren nur, wenn ein im Markt etablierter Verlag aus seiner Marktkenntnis heraus sich für einen Titel entscheidet, diesen auf die Marktbedingungen abgestimmt übersetzt und produziert und vermarktet. Alles andere ist rausgeschmissenes Geld. Und das wird weder durch Print on Demand noch durch Amazon einfacher.