Wenn in dieser Woche die Spielwarenmesse eröffnet, zeigt sich eine Branche im Wandel. Dem Spielwarenhandel geht es so gut wie lange nicht mehr, besonders Gesellschaftsspiele und hochpreisige Artikel sind gefragt. Auch der Buchhandel kann von dieser Entwicklung profitieren: Schließlich bilden Spielwaren ein zukunftsträchtiges Zusatzsortiment.
Ausstellerzuwachs auf der Spielwarenmesse 2011
Dass es der Spielwarenbranche gut geht, zeigt sich an der Ausstellerresonanz und der Zahl der vorgestellten Produkte auf der Nürnberger Messe:
- Resonanz: In diesem Jahr kann die Spielwarenmesse nach leichten Einbrüchen aufgrund der schlechten Wirtschaftslage in 2010 wieder an die Ausstellerzahlen von 2009 anknüpfen: 2683 Aussteller aus 63 Ländern kommen 2011 zur Spielwarenmesse (2010 waren es 2625 Aussteller, 2009 2689), darunter etwa 80 Verlage. Über 76000 Fachbesucher aus 104 Nationen werden erwartet.
- Produktgruppen: Mehr als eine Mio Produkte werden vorgestellt, darunter 70000 Neuheiten. Insbesondere das Segment „Technisches Spielzeug“ ist auf der Messe stark vertreten, 17% der Aussteller (449 von 2683 Ausstellern) kommen aus diesem Bereich; gefolgt von Modellbau und Hobby (13%) und Spielen und Büchern (11%) und Holzspielwaren (11%).
Verbraucher legen Wert auf ökologische Produkte
Das Thema Nachhaltigkeit liegt in diesem Jahr besonders im Fokus: Die Spielwarenmesse widmet dem Thema viel Raum und eine eigene Aktionsfläche. Ökologische Materialien sollen ebenso im Fokus stehen wie soziale Standards und umweltbewusste Produktionsprozesse.
Begleitend hat die Messe eine Studie beim GfK-Lehrstuhl für Marketing Intelligence an der Uni Nürnberg-Erlangen in Auftrag gegeben. Ergebnis: Auch wenn die befragten Konsumenten Nachhaltigkeit sehr unterschiedlich definieren, ist ihnen das Thema beim Kauf von Spielwaren sehr wichtig, nur bei Lebensmitteln legen sie mehr Wert auf Nachhaltigkeit. Nachhaltige Produkte sind besonders für stationäre Fachgeschäfte attraktiv: 61% der Konsumenten geben an, nachhaltige Produkte vor allem im Fachhandel zu kaufen, nur 15 Prozent kauften nachhaltige Spielwaren im Internet. Für nachhaltige Produkte greifen Konsumenten gerne tiefer in die Tasche: 65% sind nach eigener Angabe bereit, mindestens 10% mehr für nachhaltige Spielwaren zu bezahlen. Die Händler möchten dies nicht ganz glauben: Spielwarenhändler schätzen den Anteil der zahlungsbereiten Kunden auf 35%. Ausführliche Studienergebnisse finden Sie auf der Internetseite der Spielwarenmesse.
Weitere Trends, die sich auf der Spielwarenmesse 2011 abbilden:
- Label-isierung: Im Spielwarenbereich zeigt sich nach Angaben der Messe ein Trend zu Ökomaterialien, allen voran Organic Cotton oder Baumwolle aus kontrolliertem biologischen Anbau. Das sei besonders im Baby- und Kleinkindbereich abzulesen, wo relativ viel mit Plüsch und Textilien gearbeitet wird. Auch Holzspielwarenhersteller setzen auf Güte-Labels wie FSC und PEFC.
- Edukativ-isierung: Spielzeug, mit denen die Kinder etwas lernen können, sind nach Einschätzung der Spielwarenmesse besonders gefragt. Dieser Trend ziehe sich quer durch alle Warengruppen, besonders gefragt seien klassische Lernspiele und Bastelsets aus Sperrholz, die technisches Verständnis und handwerkliche Fähigkeiten fördern sollen.
- Virtuell-isierung: Die Bedeutung sozialer Netzwerke im Internet geht auch an der Spielwarenbranche nicht vorbei. Immer mehr Spielzeuge beinhalten nach Meinung des Messeteams einen Zugangscode zu einer Online-Community. Vermehrt würden E-Learning-Angebote im Internet angeboten oder Plüschtiere auf markengerecht inszenierten Social Media Kanäle zum Medienstar erkoren.
- App-isierung: Die Spielfreude auf Smartphones betrifft auch den Spielwarenbereich, inzwischen gäbe es zahlreiche Spiele als App. Aktuellstes Beispiel: Modellbahn-Fans können sich über das iPad oder iPhone im App Store die Märklin Mobile Station herunterladen und die Anwendung auf dem Gerät installieren.
- Techn-isierung: Technisches, insbesodere ferngesteuertes, Spielzeug steht nach wie vor hoch im Kurs.
- Duell-isierung: In vielen neuen Spielkonzepten spiele das Element der „kämpferischen“ Auseinandersetzung eine zentrale Rolle. Dabei sind Fantasy, Vampire, und Mittelalter die Zutaten zu einem Themengemenge, das dem aktuellen Mainstream der Unterhaltungsindustrie entnommen wird. Hier zeigt sich die starke Verknüpfung zur Buchbranche, die diesen Trend erheblich mitbestimmt hat.
Gesellschaftsspiele weiterhin führende Produktgruppe
Mit den neuen Entwicklungen kann die Spielwarenbranche
offenbar ein großes Publikum begeistern. Genaue Zahlen für 2010 liegen noch nicht vor, der erstmalige Sprung des Umsatzes mit klassischem Spielzeug (ohne Computer- und Videospiele) über die Marke von 2,5 Mrd Euro erscheint aber wahrscheinlich. Damit gaben die Deutschen in diesem Jahr voraussichtlich 3% mehr für Spielzeug aus als in 2009.
Positive Rahmenbedingungen, Umsatzrückgänge bei Videospielen und erfolgreiche Sammlerartikel sind laut Eurotoys mögliche Gründe für die erfreuliche Entwicklung, außerdem habe das Segment der höheren Preislagen (mit einem Verkaufsperis von über 50 Euro) im letzten Jahr um 12% zugelegt.
Insbesondere die Fachgruppe Spiel jubelt über kräftige Umsatzsteigerungen: Klassische Kinder- und Gesellschaftsspiele seien mit einem Gesamtumsatz von 400 Mio Euro weiterhin die führende Produktgruppe im Spielwarenbereich. Allein der Bereich Kinderspiele sei in den vergangenen drei Jahren um rund 30% gewachsen, heißt es von der Fachgruppe.
Buchhandel ist ein wichtiger Absatzkanal für Spielwaren
Was bedeuten diese Zahlen für den Buchhandel? Seit Spiele im Rahmen der Sortimentserweiterungen durch Nonbooks stärker berücksichtigt werden, gewinnen Spielwaren im Buchhandel an Bedeutung. Vor allem die Filialisten haben nach wechselvollen Erfahrungen mit Computer- und Konsolenspielen zuletzt verstärkt auf klassische Spielwaren gesetzt.
Laut Umbreit-Einkaufsleiterin Heidrun Leiss-Schott sind Spiele „eine perfekte und zukunftsträchtige Möglichkeit für Buchhandlungen, Zusatzumsätze zu generieren, neue Kunden zu gewinnen, Stammkunden zu binden, sich zu profilieren und mehr Service anzubieten“. Zudem hätten Buchhändler gegenüber Spielwarengeschäften den unschlagbaren Vorteil, Artikel über Nacht bestellen zu können.
Perspektivwechsel: Bücher sind auch im Spielwarenhandel gefragt
Aber auch umgekehrt runden Geschenkartikel, Bücher, Schreibwaren oder Schulartikel zunehmend das Sortiment der Spielwarenhändler ab. Der klassische Spielwarenhändler entwickle sich mit Unterstützung seiner Einkaufskooperation zum „Kinder- und Freizeit-Spezialisten“, charakterisiert der Bundesverband des Spielwarenhandels (BVS) die Tendenz. Im Vedes-Verbund werden inzwischen knapp 8% des Sortiments mit Büchern bestritten, Tendenz steigend. Gefragt sind dort vor allem Bücher für Kinder bis 12 Jahren und All-Age-Bestseller.
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