Gefährdet Wikipedia mit der Vermarktung der eigenen Bestände durch das Bertelsmann Lexikon Institut (hier die Pressemitteilung) ihr Erfolgsmodell? Arne Klempert (Foto: privat), Geschäftsführer des Trägervereins Wikimedia, versteht die Aufregung nicht und reagiert im Gespräch mit buchreport auf die Kritik, die Wikipedia begehe durch das Zusammengehen mit dem Medienriesen „einen Tabubruch“ und habe „seine Seele verkauft“ (wie etwa Medienexperte Hans-Peter Siebenhaar im „Handelsblatt“ schimpfte – hier der Podcast dazu): „Die Kritik beruht auf dem Missverständnis, dass Wikipedia ein antikommerzielles Projekt wäre“, erklärt Klempert. Der gemeinnützige Verein Wikimedia selbst sei zwar nicht auf Gewinnerzielung aus, aber für Kooperationen mit kommerziellen Partnern stets offen gewesen.
- Vom Prinzip her ist nicht neu, was die Wikipedianer mit Bertelsmann planen. So ist seit 2005 eine Wikipedia-DVD auf dem Markt, die von dem Berliner Unternehmen Direct Media Publishing kommerziell vertrieben wird und an deren Erlös der Trägerverein mit je 1 Euro pro verkauftem Exemplar beteiligt ist.
- Die Idee zu dem einbändigen gedruckten Wikipedia-Lexikon sei in der Community der Autoren selbst entstanden, argumentiert Klempert weiter.
- Auch die Einschätzung des „Handelsblatt“-Kritikers, das geplante einbändige Lexikon sei „ein Schlag in das Gesicht des Erzrivalen Brockhaus“ mag Klempert nicht teilen: „Seit Jahren gehen wir auf Verlage zu, um diese zur Nutzung freier Inhalte zu ermuntern. Mit dem Brockhaus haben wir darüber bereits 2004 gesprochen – ein knappes Jahr vor unserem ersten Treffen mit Bertelsmann.“
- Das Projekt ist nicht der erste Fall, in dem ein Medienkonzern die gemeinnützigen Enzyklopädisten an Einnahmen einer kommerziellen Nutzung beteiligt. Auch in das im Februar gestartete Internetportal „Spiegel Wissen“, ein Gemeinschaftsprojekt der Bertelsmann-Tochter Wissen Media und der Spiegel-Gruppe (zu der auch der Harenberg Verlag mit buchreport gehört) sind Wikipedia-Inhalte integriert. Für die Nutzung der Marke Wikipedia in dem werbefinanzierten Portal zahlten die Betreiber den gemeinnützigen Enzyklopädisten ebenfalls „einen ansehnlichen Betrag“, so Klempert.
Neue Auflage des einbändigen Brockhaus
Durch solche Kooperationen begebe der Trägerverein sich auch nicht in Abhängigkeit von Medienkonzernen, betont der Wikimedia-Geschäftsführer: „Die Einnahmen aus solchen Kooperationen machen sowohl in Deutschland als auch bei der internationalen Wikimedia Foundation maximal einen ein- bis knapp zweistelligen Prozentsatz unseres Budgets aus.“
Sehr gelassen sieht man das Projekt auch beim Konkurrenten Brockhaus in Mannheim. Die Ankündigung aus der vergangenen Woche, in diesem Jahr eine neue Auflage des einbändigen Brockhaus-Lexikons herauszubringen, sei kein Konter auf das Bertelsmann/Wikipedia-Projekt gewesen, versichert Sprecher Klaus Holoch. „Diese 13. Auflage war sowieso seit Längerem geplant“, erklärt Holoch und fügt selbstbewusst hinzu: „Wir freuen uns auf den Wettbewerb im Herbst.“
Über Wikimedia Deutschland e.V.:
„Der Verein Wikimedia Deutschland – Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e.V. wurde am 13. Juni 2004 an der Technischen Universität Berlin gegründet. (…) Satzungsgemäßer Zweck des Vereins ist es, die Erstellung, Sammlung und Verbreitung Freier Inhalte (engl. Open Content) in selbstloser Tätigkeit zu fördern, um die Chancengleichheit beim Zugang zu Wissen und die Bildung zu fördern.
Freie Inhalte im Sinne des Vereins sind alle Werke, die von ihren Urhebern unter eine Lizenz gestellt werden, die es jedem gestattet, diese Werke kostenlos zu verbreiten und zu verarbeiten. Dazu soll auch das Bewusstsein für die damit zusammenhängenden gesellschaftlichen und philosophischen Fragen geschärft werden. Der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt dabei entsprechend der Satzung auf den verschiedenen von der Wikimedia Foundation betriebenen Projekten. Darunter die freie Enzyklopädie Wikipedia (www.wikipedia.org).“
Quelle: Tätigkeitsbericht Wikimedia e.V.
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