Diskussion über das Urheberrecht auf der Frankfurter Buchmesse
Piraterie ist ein Problem in Somalia
Auf dem Podium, v.li.: Moritz Rinke (Autor), Peter Kraus vom Cleff (Rowohlt-Verlag), Matthias Spielkamp (iRights.info) und Sascha Lobo (Berater und Autor).
Harmonie auf dem Podium (überraschend), Kratzen an der Oberfläche (erwartbar), Zweifel an Korsakow (egal) – auf diese Formel lässt sich die Diskussion über die Reform des Urheberrechts bringen, die der Börsenverein am Donnerstag-Nachmittag (11.10.) gemeinsam mit dem Think Tank iRights.lab organisiert hat.
Ähnlich wie Bücher und sonstige Medien müssen auch solche Veranstaltungen an ihrem Anspruch gemessen werden. Dieser lautete: Nach dem gescheiterten Dialog auf den Buchtagen, wo besonders die reformskeptischen Branchenvertreter das Sagen hatten – zum Ärger von Matthias Spielkamp (iRights.info), der seinerzeit auf dem Podium alleine die Fahne der Reform hisste – wieder in die Diskussion einsteigen, möglichst ohne Vorbehalte und die ewig gleichen Verallgemeinerungen, als Auftakt zu einer vertiefenden Diskussion, die fernab der Podien geführt wird.
Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion auf der Frankfurter Buchmesse geglückt, denn sie zeigte, dass die Positionen gar nicht so weit auseinander liegen, wie es monatelang schien – die Debatte wirkte mitunter sogar auffällig harmonisch und locker. Dass der 75-minütige Frankfurter Diskurs inhaltlich kaum neue Impulse lieferte, war zu erwarten, ist aber sekundär. In erster Linie zählt: Die verschiedenen Fraktionen haben einen fruchtbaren Diskussions-Modus gefunden, der auf Totschlagargumente verzichtet und auf Zuhören setzt.
Der prägende Satz der Veranstaltung stammte von Börsenvereins-Geschäftsführer Alexander Skipis, der sich in der Halbzeit der Debatte wunderte: „Wenn die ganze Aufregung um das Urheberrecht nur um DRM und Schutzfristen geht, dann verstehe ich die Welt nicht mehr“. Und sich besonders von Internet-Vordenker Sascha Lobo konkrete Hinweise auf aktuell unüberwindbare Hürden des Urheberrechts erhoffte – offenbar geht Skipis davon aus, dass bei den Themen harter Kopierschutz und Schutzfristen Reformen durchaus möglich sind.
Lobo erklärte daraufhin, dass er keine spezifische Stelle im Urheberrecht benennen könne, die geändert werden müsse. Er warnte aber davor zu glauben, dass es eine einfache Lösung gebe und dass das Urheberrecht nur dazu diene, bestimmte Geschäftsmodelle zu schützen.
Grundsätzlich favorisiere er ein Urheberrecht, das nicht die Kontrolle, sondern die Freiwilligkeit zu zahlen, in den Vordergrund rücke. Lobo spricht sich dafür aus, angelehnt an das amerikanische Urheberrecht „Fair Use“, den privaten Gebrauch von Immaterialgütern zu erlauben und Creative Commons-Lizenzen in einen gesetzlichen Rahmen zu fassen. Abschreckendes Beispiel von Lobo: Ein Foto vom Eiffelturm bei Nacht auf Facebook zu posten, könne aktuell als Urheberrechtsverletzung geahndet werden, weil die Lichtinstallation des Turms geschützt sei.
Jenseits der interessantesten Achse Skipis (der nicht auf dem Podium saß, aber aus dem Publikum mitmischte)-Lobo war es Peter Kraus vom Cleff (kaufmännischer Geschäftsführer im Rowohlt-Verlag) und Moritz Rinke (Autor) vorbehalten, die Rolle der Erklärer von Interessen traditioneller Akteure in der Buchbranche einzunehmen:
Piraterie: Aus Sicht des Rowohlt-Managers in erster Linie ein wirtschaftliches Problem, das in seiner Dimension allerdings nicht genau quantifiziert werden könne. Replik von Lobo: Piraterie sei vor den Küsten von Somalia ein Problem. Und ein Indikator dafür, dass Verlage – anders als Megaupload-Gründer Kim Schmitz – kein attraktives Angebot für ihre Inhalte gemacht hätten. „Die Anbieter machen es den Kunden nicht einfach genug, Geld auszugeben.“ Uni sono die Replik von Spielkamp: Piraterie sei eine gesellschaftliche Herausforderung, ein Angebot zu machen, das besser sei als das, was man in Tauschbörsen finden könne.
Rollenverständnis: Nach Einschätzung von Autor Rinke fehlt vielen Internet-Nutzern das Verständnis dafür, „was der Urheber den ganzen Tag so macht“ – er arbeite neun Monate an einem Theaterstück, mehrere Jahre an einem Roman. Dies sei nicht vergleichbar mit einem Foto vom Eiffelturm, das auf Facebook gepostet werden solle. Der Verlag sei nicht nur als Vertrieb der Inhalte wichtig. Er brauche seine Lektoren um gemeinsam an Inhalten zu arbeiten.
Wie sieht der Dialog nach dem Dialog aus? Lobo plädiert einerseits dafür, den „Dialog im Kleinen“ auszubauen. Beispiel: Er habe lange mit Rowohlt gerungen, damit sein neues Buch „Internet – Segen oder Fluch“ (gemeinsam mit Kathrin Passig) als E-Book ohne DRM angeboten wird. Solch ein Dialog von Verlagen und Autoren sei bei jeder neuen Geschäftsbeziehung nötig, um nutzerorientierte Angebote zu etablieren.
Andererseits ist Lobo für einen runden Tisch, an dem – unter einer Moderation – über Themen wie DRM, Schutzfristen und verwaiste Werke diskutiert werden. Skipis nahm den Ball auf und versprach, sich dafür einzusetzen, dass die Diskussion noch in diesem Jahr weitergeführt wird.
P.S.: Korsakow. Der Börsenverein hat erstmals ein Diskussions-Prinzip getestet, bei dem das Publikum darüber entscheidet, worüber auf dem Podium gesprochen wird. Das Prinzip: Das Publikum kann vorab Themen und Fragen einreichen, vor Ort dann die Auswahl mit einem Laser-Pointer treffen, weitere Fragen stellen oder selbst einen Beitrag abgeben. Bilanz: Korsakow trug zu einer abwechslungsreichen, entspannten Debatte bei, dürfte aber angesichts von kritischen Stimmen vom Podium (Lobo: „Korsakow ist Mist“) und aus dem Publikum bei Folgeveranstaltungen nicht wieder eingesetzt werden. Doch da die Mitstreiter inzwischen einen konstruktiven Ton gefunden haben, ist der Abschied von Korsakow Nebensache.
„Lobo erklärte daraufhin, dass er keine spezifische Stelle im Urheberrecht benennen könne, die geändert werden müsse.“ Diesen Satz allein stehen zu lassen, das finde ich arg tendenziös. Ich habe zur Frage von Herrn Skipis konkret benannt: • Verkürzung der Schutzfristen • Einführung von Fair Use-Modellen • Diskussion über die Schöpfungshöhe • Verankerung der bisher privaten Creative Commons im Urheberrecht • Eingeständnis, dass es sich bei der Weiterentwicklung des Urheberrechts um einen Verhandlungsprozess handeln sollte, bei dem alle Parteien am Tisch sitzen
Die oben angegebene Forderung nach der Abschaffung von DRM kam noch hinzu, hat ja aber primär wenig mit dem Gesetz selbst zu tun. Aber so, wie der Satz da steht, empfinde ich ihn als unverschämt, weil er den Eindruck erweckt, ich könne nicht konkret sagen, was ich für verhandelnswert halte.
Ich habe auf dieser Veranstaltung verstanden, dass man zwei Dinge nicht vermischen sollte: den Komplex Mash-up, Plagiat etc. (wo eine Präzisierung von Urheberrecht/Urheberpersönlichkeitsrecht vielleicht für alle Seiten was bringt) und den Komplex Piraterie (auf den Änderungen des deutschen oder europäischen Urheberrechts m. E. nicht den geringsten Einfluss haben und entsprechende Diskussionen müßig sind). Ansonsten fand ich’s merkwürdig, dass da eigentlich nur Leute auf dem Podium saßen, die meilenweit von der Praxis der Piraterie weg sind. Rowohlt oder Spiegel kümmern sich nicht im geringsten um Piraterie (wie im Netz nicht zu übersehen ist), und können sich das im Moment ja auch (mal sehen, wie lange) noch leisten, weil sie ihr Geld im wesentlichen mit Print verdienen und bislang wenig unter Kannibalisierungseffekten zu leiden haben. Moritz Rinke: nö, fällt auf Piratenseiten nicht weiter auf; warum unterschreibt so jemand „Wir sind die Urheber!“-Aufrufe? Will sagen: Wäre interessanter gewesen, wenn da auch ein Vertreter eines STM-Verlages gesessen hätte, also von echten Betroffenen, für die es um Millionen geht. So war’s halt ein wenig weltfremd.
„Lobo erklärte daraufhin, dass er keine spezifische Stelle im Urheberrecht benennen könne, die geändert werden müsse.“ Diesen Satz allein stehen zu lassen, das finde ich arg tendenziös. Ich habe zur Frage von Herrn Skipis konkret benannt:
• Verkürzung der Schutzfristen
• Einführung von Fair Use-Modellen
• Diskussion über die Schöpfungshöhe
• Verankerung der bisher privaten Creative Commons im Urheberrecht
• Eingeständnis, dass es sich bei der Weiterentwicklung des Urheberrechts um einen Verhandlungsprozess handeln sollte, bei dem alle Parteien am Tisch sitzen
Die oben angegebene Forderung nach der Abschaffung von DRM kam noch hinzu, hat ja aber primär wenig mit dem Gesetz selbst zu tun. Aber so, wie der Satz da steht, empfinde ich ihn als unverschämt, weil er den Eindruck erweckt, ich könne nicht konkret sagen, was ich für verhandelnswert halte.
Ich habe auf dieser Veranstaltung verstanden, dass man zwei Dinge nicht vermischen sollte: den Komplex Mash-up, Plagiat etc. (wo eine Präzisierung von Urheberrecht/Urheberpersönlichkeitsrecht vielleicht für alle Seiten was bringt) und den Komplex Piraterie (auf den Änderungen des deutschen oder europäischen Urheberrechts m. E. nicht den geringsten Einfluss haben und entsprechende Diskussionen müßig sind).
Ansonsten fand ich’s merkwürdig, dass da eigentlich nur Leute auf dem Podium saßen, die meilenweit von der Praxis der Piraterie weg sind. Rowohlt oder Spiegel kümmern sich nicht im geringsten um Piraterie (wie im Netz nicht zu übersehen ist), und können sich das im Moment ja auch (mal sehen, wie lange) noch leisten, weil sie ihr Geld im wesentlichen mit Print verdienen und bislang wenig unter Kannibalisierungseffekten zu leiden haben. Moritz Rinke: nö, fällt auf Piratenseiten nicht weiter auf; warum unterschreibt so jemand „Wir sind die Urheber!“-Aufrufe? Will sagen: Wäre interessanter gewesen, wenn da auch ein Vertreter eines STM-Verlages gesessen hätte, also von echten Betroffenen, für die es um Millionen geht. So war’s halt ein wenig weltfremd.