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Plötzlich 20 Gewerke beteiligt

Augmented Reality am Beispiel des Carlsen Verlags und der Produktreihe „LeYo“ (Foto: Carlsen)

Ein Buch ist keine Software, auch wenn Publishing-Vordenker Dirk von Gehlen dies behauptet. Sein Buchtitel „Eine neue Version ist verfügbar“ (Metrolit) verweist indirekt auf den Widerspruch: 

? Aus Sicht der meisten Publikumsverlage ist das beste Buch eines, das „von allein läuft“, das perfekt ist, sobald die erste Auflage herauskommt. Es lässt sich beliebig oft verkaufen, unverändert nachdrucken und in den verschiedensten Kanälen lizenzieren.
? Software lebt dagegen von der Veränderung. Sie muss laufend optimiert werden, wenn sie auf unterschiedlichen und sich verändernden Betriebssystemen funktionieren soll. Sie muss auch die Bedürfnisse der Anwender immer besser erfüllen, um sich im Wettbewerb zu behaupten.
Zwei Arten von Kreativität
Diesen unterschiedlichen Charakter von Buch und Software muss im Hinterkopf haben, wer die Kreativität von Autoren/Künstlern und Software-Entwicklern bereits am Anfang einer Produktion zusammenbringt. Das muss aber passieren, wenn ein Verlag erfolgreiche Apps oder andere multimedial angereicherte Verlagsprodukte in den Markt bringen möchte, denn eine Verlags-App ist ein Zwitter von Buch und Software.
Die Kunden kaufen sie vielleicht wegen der Inhalte oder wegen des Designs, ganz sicher aber wegen ihrer Funktionen. In den App-Stores stehen Produktionen der Buchverlage im direkten Wettbewerb mit den Produkten von Firmen, deren Denken um Funktionen kreist und weniger um Inhalte, die sie fallweise möglichst günstig zukaufen. Die Herausforderung für Verlage in diesem Wettbewerb ist es also, ihre Inhalte herauszustellen, ohne funktional abzufallen.
Damit Verlags-Apps erfolgreich werden, müssen funktionale Möglichkeiten und Grenzen bereits in der Konzeptionsphase breiten Raum bekommen. Dieses Resümee zieht auch Markus Dömer vom Carlsen Verlag. Dort ging im Herbst 2014 LeYo! an den Start, eine App, mit deren Hilfe die Texte und Bilder von Kinderbüchern erweitert, augmentiert werden können. Bücher und Erweiterungen sind, so Dömer, im besten Sinne Teamprodukte und können nicht sequenziell erstellt werden. Autoren, Lektoren, Illustratoren müssten sich sehr intensiv mit Technik und Technikern, mit Programmierern, 3D-Spezialisten, Gamedesignern, Komponisten, Sprechern, Audiospezialisten, Sounddesignern, Animationsdesignern und Datenbankspezialisten auseinandersetzen. Auf etwa 20 Gewerke kommt Dömer in seiner Aufzählung; in Spitzenzeiten der Entwicklung waren über 60 Personen im Team, davon etwa zehn Carlsen-Mitarbeiter. Im laufenden Betrieb ist der LeYo!-Bereich mit etwa sechs Personen besetzt.
Vom Verlag zur Software-Schmiede
Markus Dömer hat als Leiter Business Development LeYo! entwickelt und ist jetzt Verlagsleiter dieses Bereichs. Nach Experimenten mit Augmented Reality (AR) im Bilderbuch ist LeYo! das erste strategische Projekt im Carlsen-Kinderbuch. Von der Idee zum Beschluss brauchte es zwei Monate, neun Monate war die Zeitvorgabe bis zur ersten öffentlich zugänglichen Betaversion. Das war ambitioniert, weil auch komplette Buchprojekte samt Vorstufenproduktion dazugehören und nur dann möglich, wenn man den Mut hat, mit einem unfertigen Produkt in den Markt zu gehen und es laufend weiterzuentwickeln, wie es sonst Software-Unternehmen tun.
LeYo! ist technologiegetrieben: Voraussetzung war für Dömer eine „multi-hotspotfähige“ AR-Anwendung, das heißt, dass pro Seite beliebig viele Hotspots beliebig viele Dateien auslösen, darunter auch Spiele. Dies sei im Buchmarkt, so Dömer, ein Alleinstellungs-Merkmal.
aus: buchreport.spezial Herstellung und Management 2015 (Opens external link in new windowhier zu bestellen).

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