Das gibt es nur beim CEO-Talk: Eine einstündige Intensivbefragung von Verlegern durch die internationale Branchenpresse, darunter buchreport als deutscher Vertreter. Und Simon & Schuster-Chefin Carolyn Reidy ließ sich nicht lange bitten, die amerikanischen Interessen auf den europäischen Märkten zu formulieren: Der Brexit werde die Stellung britischer Verlage maßgeblich verändern und ihre bisherige Vorrangposition auf dem europäischen Markt in Frage stellen. Reidy bezieht sich damit auf Absprachen britischer Verlage mit Agenten, dass sie ihre englischsprachigen Ausgaben exklusiv in die europäischen Märkte liefern dürfen. Die Amerikaner fordern dagegen schon seit Jahren freien Zugang nach Europa.
Britische Verlage und Agenten wiesen Reidys Aussage im Nachgang der Veranstaltung zurück und betonten die enge Vernetzung mit den europäischen Festlandmärkten, unabhängig von der politischen Ablösung von der Europäischen Union.
Verankert in den Sprachmärkten
Carolyn Reidy und Guillaume Dervieux vom Pariser Verlag Albin Michel diskutierten weitere Markt- und Strategiefragen aus der Perspektive von Verlagen, die ihr Geschäft auf den englisch- bzw. französischsprachigen Markt fokussieren und sich etwa von der jüngsten Expansionsstrategie von HarperCollins abheben. Als Verlag sei man immer im lokalen Markt verankert, so Reidy. International wachse Simon & Schuster dadurch, dass man Autoren auf andere Märkte bringe oder mit Verlagen kooperiere: „Ich möchte den Verlag nicht einfach nur größer machen, sondern größer in dem sein, was wir tun.“ Dervieux profiliert Albin Michel als Familienunternehmen mit festen Wurzeln im französischsprachigen Markt und sieht dies ebenfalls als Stärke. Man fürchte sich sogar eher davor, eine große Unternehmensgruppe zu werden.
Intensiver wurden drei Themen angesprochen:
- Die politische Rolle der Verlage: Angesichts der angespannten politischen Großwetterlage sehen sich die Verlage vor neue, kommunikative Herausforderungen gestellt. Reidy sieht ihren Verlag im Auftrag, mit seinen Titeln auf Pluralität der Meinung zu setzen. Dazu gehöre auch, Verlagsautoren bei politischem oder öffentlichem Gegenwind zu unterstützen. Beispiele seien Autoren aus der Türkei oder in der Kritik stehende Autoren wie Bill Cosby (dem sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden).
- E-Book-Markt: Das rückläufige E-Book-Geschäft sieht Reidy nicht als Zeichen geringerer Anstrengungen von Verlagsseite. Man habe viel experimentiert, aber die Leser wollten mehrheitlich nicht am Bildschirm lesen und präferierten das physische Objekt Buch. Die Zukunft des digitalen Buchmarkts sieht sie weiterhin positiv: Vorteile seien Möglichkeiten der Datenspeicherung und Distribution, darunter auch in Gebiete, die wenig oder keinen Zugang zum Buchmarkt haben. Und irgendwann werde es „ein neues Format für Bücher geben, das derzeit noch nicht existiert“.
- Selfpublishing: Produkte aus dem Selfpublishing-Bereich sieht Albin Michel-Chef Dervieux nicht bei sich im Programm, sondern bleibt bei einem klassisch verlegerisch definierten und kuratierten Angebot. Reidy setzt dagegen auf Selfpublishing als wachsenden Markt und sieht es auch als Chance für die Aufwertung und Profilierung verlegerischer Serviceleistungen. Probleme bereite aber der Preisverfall von digitalen Selfpublishing-Titeln.
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