Das Verlagsgeschäft wandelt sich schneller und schneller durch Schärfung des Zielgruppen-Fokus, neue Geschäftsmodelle und neue Technologien. Was bedeutet dies für die Herstellungsabteilungen?
Stephan Huber, im C.H. Beck Verlag für die Produktion verantwortlich, berichtet im Interview im Produktionschannel von buchreport.de, wie die Agenda seines Bereichs sich verändert hat und in Zukunft weiter verändern wird. Das Interview ist Teil einer Serie über den Wandel der Herstellung. Der nächste Teil erscheint am 30. Mai 2019.
Ältere Verlagshersteller erinnern sich noch gut: Da galt es in jedem Buchprojekt Layout, Schriftsatz, Druck und Bindung aufeinander abzustimmen – gestalterisch, technisch und zeitlich. Und dazu noch kaufmännisch den besten Deal herauszuholen. Waren das schöne Zeiten für Hersteller?
Waren? Ist das heute nicht mehr so? Natürlich, früher hatte die Herstellung noch mehr romantische Elemente. Manche schätzten und mochten das sehr. Diese Sichtweisen passen aber heute meistens nicht mehr so richtig. Die Kunst besteht darin, die alten Herstellerwerte ins Jetzt zu holen.
Heute können Sie an jeder Straßenecke gutes DTP einkaufen, um Zehntel Cent wird allenfalls noch in Rahmenverträgen gefeilscht, aus Druckereien wurden Buchfabriken, die Bindereien sind fast alle verschwunden und die Automatisierung der materialwirtschaftlichen und produktionstechnischen Prozesse schreitet fort. Folgt der Hersteller dem Schriftsetzer auf den Kehrichthaufen der Verlagsgeschichte?
Das denke ich nicht. Die Herstellerarbeit ist – wenn sie effiziente Rahmenbedingungen vorfindet und gefördert wird – so gewinnbringend für den Verlag, dass gilt: „Hersteller verdienen sich selbst.“ Und Kehrichthaufen trifft schon gar nicht zu. Denn das würde bedeuten: Weg damit, aus den Augen – in den Müll.
So passiert das aber nicht. Manche Verlage machen ihre Herstellung zwar dicht, kaufen dann aber Herstellungsleistung zu, sie sourcen out. Oder sie lassen Redaktionen die Herstellung mitmachen …
Ob das passt und ob das dem Verlag, seinen Menschen, Kunden und Produkten guttut, das muss jedes Haus für sich entscheiden.
Welches sind die wesentlichen Änderungen in Ihrem Verlagsgenre in der Herstellung in den letzten fünf bis acht Jahren?
Im Vorstufenbereich ist das die Implementierung von automatisierten Satzstrecken. Und damit verbunden der Satz mit standardisierten Satztemplates – das geht schneller und ist günstiger. Im Druckbereich ist es die Notwendigkeit der Auswahl des passenden Betriebes und Druckverfahrens – und eine sehr genaue Auflagenplanung, um Makulaturen am Ende des Produktzyklus zu vermeiden. Wenn ein Produkt für den Digitaldruck geeignet ist, dann muss erforderlichenfalls digital produziert und nachgedruckt werden.
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Welche Fähigkeiten und Fachkenntnisse muss ein guter Verlagshersteller heute mitbringen?
Neugierde, Kreativität, Flexibilität und Termin- und Kostenbewusstsein sind schon immer die Tugenden des Verlagsherstellers. Diese werden immer noch wichtiger. Dazu kommt natürlich die Herausforderung, technisch am Ball zu bleiben. Entwicklungen bei Satz und Druck zu verfolgen und in den Verlagskontext zu bringen. Vernetzt zu sein!
Brauchen Verlage überhaupt noch eine Herstellung im Haus oder kann man die Leistung besser einkaufen? Welche Leistungen sollte man Inhouse haben?
Das hängt von der Komplexität der Produkte und Prozesse ab. Verlage mit komplexen Produktionen, die direkte Abstimmungen und kurze Inhouse-Wege brauchen, sind gut beraten, ihre Herstellungsfachleute zu halten. Allerdings müssen diese Häuser dafür sorgen, dass sie ihre Herstellungsabteilungen richtig und effizient in die Prozesse einbinden. Dafür braucht es intelligente Prozessanalysen und -umsetzungen.
In welche Richtung muss sich die Herstellung weiterentwickeln, welche Kompetenzen werden künftig dringend gebraucht – besonders in Ihrem Genre?
Dazu könnte man ganze Bücher schreiben. Ich will es mal in einem Satz versuchen: Das ist vor allem die Fähigkeit, immer neugierig zu bleiben und täglich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass mit geringem Aufwand und mit höchster Qualität aus einem Datentopf die verschiedenen Medienkanäle und -formen zuverlässig bespielt werden können.
Wie wirkt sich die fortschreitende Automatisierung der Entstehungs- und Herstellungsprozesse auf die tägliche Arbeit aus?
Die Produktionszeiten werden kürzer und die Prozesse effizienter. Und natürlich sinken die Kosten – vor allem in der Vorstufe. Das hat bei sinkenden Druckauflagen eine wachsende Bedeutung!
Welche Bedeutung werden gedruckte Medien in fünf Jahren in Ihrem Tätigkeitsbereich noch haben?
Kurz- und mittelfristig sehe ich ein Nebeneinander der beiden Medienformen Digital und Print.
Im Fachinformationsbereich sind die gedruckten Medien heute noch auf Augenhöhe mit den Digitalangeboten. Allerdings gibt es bei der zukünftigen Bedeutung der Medienformen eine klare Richtung: Das wird sich in den kommenden Jahren noch stärker vom Print weg verschieben.
Was bedeutet es für die Herstellung, wenn Inhalte nicht nur gedruckt werden, sondern auch für elektronische Ausgaben zur Verfügung stehen sollen?
Das bedeutet ein im Produktionsprozess sehr frühes Beachten von Strukturvorgaben, weil am Ende der Vorstufe meist eine gültige XML-Instanz herauskommen soll. Die ist schwer zu realisieren, wenn vorher „jeder macht, was er will“. Diese saubere Datenstruktur erreicht man am einfachsten, indem man die am Schluss zu beachtenden Leitplanken möglichst weit nach vorne verlängert – idealerweise bis zu den Autoren und Herausgebern, mindestens aber über die Strecken im Verlag.
Wie attraktiv ist der Herstellerberuf für den Nachwuchs? Was muss sich ändern, damit der Beruf für junge Fachkräfte attraktiver wird?
Der Hersteller arbeitet in einem klasse Umfeld: Intelligente, freundliche Kolleginnen und Kollegen, tolles Produkt, gute Standorte. Die richtige Mischung aus kaufmännischen Tätigkeiten, Kreativität, Technik und „Menscheln“.
So stellt sich das in der Regel in der Praxis dar. Die Hersteller selbst, die Medien und viele andere haben aber gewaltige schwarze Farbtöpfe, mit denen sie die Zukunft dieses tollen Berufes dunkel anstreichen. Dass junge Menschen mit einer Aussicht auf eine fünfzigjährige Arbeitsphase nicht auf einen Beruf springen, bei dem bereits von vielen der Abgesang gesungen wird, ist klar.
Deshalb: Jungen Leuten die Attraktivität des Jobs vermitteln. Die Persistenz mitgeben. Und vielleicht die angestaubte Berufsbezeichnung endlich modernisieren.
Ist die Berufsbezeichnung Hersteller demnach überhaupt noch treffend?
Nein!
Muss also ein neuer Begriff gefunden werden, der das Kompetenzprofil besser beschreibt?
Ja, unbedingt!
Welche Rolle wird künftig granularer Content bei Ihnen spielen?
Der wird sicherlich an Bedeutung gewinnen. Welche Granularität aber in welchen Bereichen für wen in Frage kommt – und sinnvoll ist, das wissen bei uns die Redaktionen und Lektorate.
Welche Verlagstypen sollten sich sinnvollerweise mit der Medienproduktion aus Content Management Systemen befassen?
Vor allem solche, die bereits heute oder zukünftig große Inhaltspakete in immer kürzeren Zyklen in unterschiedliche Medienkanäle mit vielen Beteiligten umwälzen müssen. Zum Beispiel Fachverlage in allen Bereichen.
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