Das Lieferkettengesetz ist eine besondere Herausforderung für Beschaffer. Auch Materialwirte in den Verlagen und im Mittelstand allgemein müssen sich mittelfristig auf gesetzliche Anforderungen einstellen. Inwieweit hilft ihnen Technik dabei?
Fachpublizist Bernhard Kuntz erklärt in einer Übersicht im Channel Produktion & Prozesse von buchreport.de, dass bereits eine Anzahl Alternativen für eine technische Unterstützung angeboten wird und welche Vor- und Nachteile die einzelnen Durchführungswege aufweisen.
Inzwischen laufen in vielen Unternehmen (Pilot-)Projekte zur Umsetzung des Lieferkettengesetzes. Dabei zeigt sich: Ohne Software-Unterstützung sind dessen Anforderungen kaum umsetzbar. Doch welche Lösungen eignen sich wofür am besten?
Ab dem 1. Januar 2023 tritt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (kurz: Lieferkettengesetz) stufenweise in Kraft – zunächst für Unternehmen ab 3000 Beschäftigte, ein Jahr später ab 1000 Beschäftigte. Indirekt betroffen sind zehntausende kleiner und mittlerer Unternehmen vom Produktionsunternehmen bis zum Handwerksbetrieb, denn die Konzerne geben die Anforderungen an ihre Lieferanten und Dienstleister weiter. Zudem plant die Europäische Union eine Verschärfung für Unternehmen ab 250 Beschäftigten in bestimmten Branchen.
Wie soll das funktionieren? Wie können gerade kleine und mittlere Unternehmen, also sogenannte KMU, die Anforderungen umsetzen? Sollen sie von Deutschland und Europa aus Kontrolleure in die ganze Welt schicken? Das ist nur schwer möglich. Deshalb führt das Lieferkettengesetz aktuell zu einem Boom von Softwarelösungen im Bereich Supply-Chain-Management. Deren Anbieter verfolgen drei unterschiedliche Ansätze.
Ansatz 1: Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Risiko-Identifikation
Bequemer geht es kaum. Eine Software durchsucht das Internet kontinuierlich nach Hinweisen darauf, ob zu einem bestimmten Lieferanten negative Meldungen in den sozialen Medien, offiziellen Berichten oder der Presse auftauchen.
Häufen sich zum Beispiel Berichte darüber, dass Sojaproduzenten in Brasilien den Regenwald roden und die Ureinwohner vertreiben, um dort Pflanzen anzubauen, schlägt das System Alarm. Der Soja-Bezieher und -Verarbeiter in Deutschland erhält die Warnung praktisch in Echtzeit. Solche Ansätze verfolgen Unternehmen wie Prewave, riskmethods und IntegrityNext oder PcW mit der Lösung Connected Risk Intelligence.
Vorteil: Die KI-basierten Softwarelösungen ersparen Unternehmen die mühsame Suche nach Informationen im Netz und gehen dabei zum Teil sogar über die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanforderungen hinaus. Der Gesetzgeber fordert jährliche Risikoanalysen; mit Hilfe der künstlichen Intelligenz erfolgen diese Analysen in Echtzeit.
Nachteil: KI-Lösungen decken nur einen Teil des gesetzlich geforderten Risikomanagements ab, nämlich die passive Informationsgewinnung. Wenn sich konkrete Nachfragen ergeben oder gezielt Informationen gewonnen werden sollen, die erst durch Fragen entstehen, genügen diese Softwarelösungen nicht.
Weitere Lösungen, Impulse und Erfahrungsberichte für die Verlagsproduktion lesen Sie im Channel Produktion & Prozesse von buchreport und Channel-Partner Publisher Consultants.
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Ansatz 2: Scoring-Plattformen mit Güte-Zertifikaten
Warum soll jedes Unternehmen seine Lieferanten separat um Auskunft bitten? Es genügt doch, wenn ein Unternehmen einmal die Auskünfte gibt und diese dann für alle Interessierten abrufbar sind. Diesen Gedanken verfolgen Plattformen wie EcoVadis und worldfavor. Unternehmen hinterlegen dort Informationen über sich selbst und ihre Nachhaltigkeitsstrategien, die Plattformen errechnen ein Scoring, das in eine Risikobewertung miteinfließt. Ein guter Score bedeutet, dass das Unternehmen bestimmte Vorschriften einhält. EcoVadis hat nach eigenen Angaben aktuell über 90.000 Unternehmensdaten aus aller Welt gespeichert, worldfavor mehr als 22.000.
Vorteil: Einfach nachzusehen, ob ein Unternehmen einen ausreichend hohen Score hat, ist sehr bequem. Die Bewertungen lassen sich zudem über Schnittstellen in andere Softwareprogramme übertragen, sodass dieser Wert auch in einem anderen Kontext genutzt werden kann. Sowohl für die einkaufenden Unternehmen als auch ihre Lieferanten ist eine Plattformlösung sehr bequem, denn der Aufwand muss nur einmal getätigt werden.
Nachteil: Plattformen wie EcoVadis bieten nur Puzzleteile in einem großen Puzzle. Ein umfassendes – wie vom Gesetzgeber gefordertes – Risikomanagement umfasst der EcoVadis- und worldfavor-Score nicht.
Ansatz 3: Digitale Lieferantenaudits
Unternehmen, die nach Managementsystemen wie beispielsweise ISO 9001 arbeiten, kennen die Praxis regelmäßiger Audits: Audit-Teams besuchen ein Unternehmen und überprüfen stichpunktartig, ob bestimmte Normen eingehalten werden. Bedingt durch die Corona-Krise werden diese Audits seit mehr als zwei Jahren in vielen Unternehmen digital durchgeführt.
Plattformen für sogenannte Remote Audits werden von Unternehmen wie Safety Culture, Wolters Kluwer, Auditboard und Innolytics angeboten. In der Software können Fragesets mit automatisierten Auswertungsregeln angelegt werden. Die Fragebögen werden vollautomatisch ausgewertet und die Risiken klassifiziert.
Vorteil: Digitale Lieferantenaudits können sehr flexibel eingesetzt werden. So können beispielsweise auch Aspekte der Informationssicherheit oder des Qualitätsmanagements mit abgefragt werden. Über Chatfunktionen mit Live-Translate (ähnlich wie in sozialen Netzwerken) können Nachfragen gezielt gestellt werden.
Nachteil: Unternehmen müssen sich selbst auf die Suche nach Informationen begeben und aktiv werden. Software für digitale Lieferantenaudits bietet keine automatisierte Informationsgewinnung, außer die Tools werden mit anderen Datenbanken wie EcoVadis oder Dow Jones verknüpft.
Fazit: Welcher Ansatz der beste ist, hängt vom Anwendungsfall ab
Welche Lösung ist die beste? Wer Flexibilität wünscht und außer den Kriterien des Lieferkettengesetzes auch die Qualität und Informationssicherheit erfassen möchte, ist mit digitalen Auditlösungen am besten aufgehoben. Durch die Integration mehrerer Managementsysteme bietet Innolytics ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis. Wer bestehende Daten, zum Beispiel in einer Lieferantensoftware, um bestimmte Scoring-Werte automatisch anreichern möchte, ist bereits mit einer Investition von einigen hundert Euro jährlich bei EcoVadis gut aufgehoben. Für Unternehmen, die künstliche Intelligenz für sich arbeiten lassen möchten, sind Ansätze wie riskmethods oder IntegrityNext sehr interessant.
In der Praxis kombinieren viele Unternehmen zwei oder sogar alle drei Ansätze miteinander. Schnittstellen zwischen den verschiedenen Lösungen werden in den nächsten Monaten die Entwicklung beherrschen – so zum Beispiel zwischen Integrity Next und SAP, zwischen EcoVadis und Innolytics, zwischen riskmethods und JAGGAER, einem Anbieter für Lieferantenmanagement-Lösungen. Unternehmen, die sowohl ein Risikomonitoring einrichten als auch selbst aktiv nachfragen möchten, kommen an einer Kombination verschiedener Lösungen nicht vorbei.
Eine gute Nachricht: In den vergangenen Jahren sind Standard-Schnittstellen entwickelt worden, sodass praktisch alle Lösungen miteinander kombiniert werden können.
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