Wohl jeder von uns hatte schon einmal eine „Braunüle“ in der Armvene stecken. Hersteller B.Braun aus dem nordhessischen Melsungen ist mit fast 7 Mrd. Euro Jahresumsatz und über 60.000 Mitarbeitern einer der großen Hersteller der Pharma- und Medizinbedarfs-Branche. 2017 begann dort das, was die Initiatoren als „Sprengung des Organigramms“ bezeichnen.
Diese „Sprengung des Organigramms“ besteht in einer radikalen Neuorganisation der Zusammenarbeit in den Bereichen und über die Bereichsgrenzen hinweg. Digitale Tools spielen in dieser Reorganisation eine zentrale Rolle – aber auch ein „Sprengstoff“, der sich in dem Begriff TnT, „Tasks & Teams“, verkörpert. Inspiriert wurde es vor allem von dem Konzept der Agilen Software-Entwicklung. „Sprengmeister“ waren der Vorstandsvorsitzende Heinz-Walter Große und Bernadette Tillmanns-Estorf, Direktorin der Unternehmenskommunikation und der internationalen Personalabteilung bei B. Braun.
Tasks & Teams besteht zentral aus einem Inventar an Regeln und Methoden, wie man es zum Beispiel auch aus der Agilen Entwicklung mit Scrum kennt. Im Channel Produktion und Prozesse von buchreport.de beschreiben Heinz-Walter Große und Bernadette Tillmanns-Estorf, wie Tasks & Teams in der Praxis auf verschiedene Abteilungen angewendet wird und sich im Sinne von Kundenorientierung, Ergebnisverbesserung und Ressourcenschonung auswirkt.
Vor einiger Zeit war ich Gast bei einem sehr erfolgreichen deutschen Maschinenbau-Unternehmen und habe unsere Gastgeber gefragt: „Haben Sie eigentlich Organigramme?“ Sie haben mich angeschaut, als ob ich sie gefragt hätte, ob morgens die Sonne aufgeht. Selbstverständlich hätten sie Organigramme, sagten sie, und: „Das hat doch jeder! Wollen Sie das etwa antasten?“
Wir haben Tasks & Teams bereits in verschiedenen Abteilungen eingeführt, eine Reihe unterschiedlichster Aufgaben mit Tasks & Teams bearbeitet und Prozesse verändert. Einige Beispiele dafür präsentieren wir hier.
Variante 1: An Kundenbedürfnissen statt an Abteilungen ausrichten
Beginnen wir mit Ansätzen von Tasks & Teams in verschiedenen Abteilungen. Zunächst ein Beispiel aus der Rechtsabteilung. Hier der Bericht eines verantwortlichen Mitarbeiters:
„Die Abteilung Recht, Patente und Compliance besteht derzeit aus 20 Personen. Um die Effektivität unserer Arbeit zu steigern, haben wir vor einiger Zeit die Abteilungsstrukturen und die fachliche Assistenz aufgelöst und Teams für das Tagesgeschäft gebildet. Unsere Ordnungskriterien waren dabei nicht die funktionale und nicht die prozessuale Ausrichtung, sondern die Ausrichtung an den Kunden, die wir intern und extern betreuen. Dadurch ist ein zusätzlicher Gewinn für die Kundenorientierung gegeben, da über die Kundenbedürfnisse ein fachlicher Austausch stattfinden kann, wie er durch eine Trennung nicht gewährleistet wäre. Als optimale Teamgröße hat sich bei uns bewährt, mindestens vier Mitarbeiter in das Team zu nehmen, darunter jeweils immer eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt, eine Expertin/einen Experten für Patente und eine Fachassistenz. Wichtig ist, dass jeweils eine Person dabei ist, die Wissen zu den Themen Digitale Transformation und Teamkoordination mitbringt. Und wir verstehen die Teams nicht als disziplinarische Teams, da ansonsten die Teamstruktur wieder zu einer Abteilungsstruktur führen würde.“
Variante 2: Organisation nach Schwerpunktthemen
Nun ein Beispiel aus Rechnungslegung und Controlling. Hier sind die Kernteams im Gegensatz zur Rechtsabteilung, aber ähnlich zu Corporate Human Resources, derzeit nach Schwerpunktthemen organisiert. Darüber hinaus gibt es bereichsübergreifende wiederkehrende Themen, die in interdisziplinären Circles bearbeitet werden können. Außerdem gibt es auch hier noch temporäre Themen, allerdings weit weniger als zum Beispiel im Bereich Recht & Patente und bei Corporate HR.
Dies ist die Ausgangssituation zu Beginn des Prozesses:
- Konzernrechnungslegung und Konzerncontrolling sind in zwei getrennten Bereichen organisiert, obwohl Daten und Systeme seit mehreren Jahren harmonisiert sind.
- Neben dem Konzerncontrolling gibt es für jede operative Sparte ein Spartencontrolling, in dem ebenfalls jede Controlling-Funktion abgebildet ist.
- Organisatorisch befinden sich Konzerncontrolling und Spartencontrollings auf gleicher Ebene nebeneinander.
Die Problemstellung ist, dass Konzernrechnungslegung und -controlling dieselben Systeme nutzen und auf dieselben Daten zurückgreifen sowie entsprechende Reports erstellen. Durch die organisatorische Trennung können mögliche Synergien nicht realisiert werden. Durch das mehrfache organisatorische Vorhalten einzelner Controlling-Funktionen im Konzern- und Spartencontrolling erfolgt Mehrfacharbeit, und es besteht ein erhöhter Abstimmungsaufwand.
Diese Maßnahmen werden ergriffen:
- Konzernrechnungslegung und -controlling werden zusammengelegt.
- Es werden bereichsübergreifende Controlling-Funktionen aufgebaut (Investitionscontrolling, Reporting Unit und Produktionscontrolling).
Folgende Strukturierung wird gemäß Tasks & Teams vorgenommen:
- Der gesamte Bereich wird in die vier Core-Teams Accounting, Systems & Reports, Group Steering sowie Functional Controlling eingeteilt.
- Es werden team- und bereichsübergreifende Aufgaben identifiziert, die regelmäßig anfallen und daher als Permanent Topic strukturiert werden: Company Controlling, Risikomanagement, Transfer Pricing, Latest Estimate/ Forecasting, Reporting Unit.
- Darüber hinaus werden laufend Projekte als Temporary Topic strukturiert. Hierzu zählen beispielsweise die Erarbeitung von Anwendungsmöglichkeiten für Advanced Analytics, die Überarbeitung des Kennzahlensystems Konzernsteuerung, die Auswahl und Implementierung von neuen Front-End-Lösungen (zum Beispiel Mobile Reporting) und die Definition von Kennzahlen für Accounting- und Controlling-Prozesse. Diese Temporary Topics werden team- und bereichsübergreifend bearbeitet, aber durch den Bereich Corporate Accounting & Controlling initiiert.
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Ergebnis: Das Unternehmen wird schneller und flexibler
Die Ergebnisse des Prozesses:
- Die Hierarchie wird abgebaut.
- Schnittstellen und Abstimmungsaufwand zwischen Accounting und Controlling werden minimiert.
- Permanent Topics ermöglichen eine umfassende und schnellere Bearbeitung der Aufgaben.
- Die funktionale Ausrichtung der Controlling-Funktionen reduziert Doppelarbeit und Abstimmungsaufwand.
- Die Ressourcenallokation zwischen „Tagesgeschäft“ und Projektarbeit wird erleichtert.
- Die Bearbeitung von neuen Aufgaben wird verbessert, da die Grundstruktur des Bereichs flexibler ist.
Beispiel: In Zielgruppen statt in Zuständigkeiten denken
Anschließend möchten wir ein Beispiel für ein Thema geben, das wir mit Tasks & Teams bearbeitet haben und das wir auf diese Weise besser lösen konnten.
Beispiel: B. Braun Newsroom
Aufgabe: Interne und externe Öffentlichkeit über aktuelle Unternehmensthemen und Ereignisse informieren, „Themen setzen“
Team: Sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus interner und externer Kommunikation
Ergebnis: Die Synergien der internen und externen Kommunikation werden besser genutzt. Es wird in Zielgruppen gedacht statt in Zuständigkeiten. Die Themen sind besser vernetzt und werden effizienter bearbeitet, da sie nicht mehr getrennt in verschiedenen Teams entstehen. Themen werden im Sinne eines „Content Marketing“ unternehmensweit gedacht und geplant.
Veränderung durch Tasks & Teams: Die Grenzen zwischen interner und externer Kommunikation sind aufgelöst. Das Team ist bezüglich der Aufgabenteilung flexibler geworden. Vorher gab es starre Hierarchien. Jetzt haben Kollegen mehr Mitspracherechte hinsichtlich der Themensetzung und Vorgehensweisen. Die Meetings finden meist nach Mehrheitsentscheid statt, es gibt einen rollierenden Chef vom Dienst. Die Hierarchie ist nun teilweise flacher, teilweise aber auch zentralisiert worden (durch die Einführung der zentralen Rolle des Chefs vom Dienst).
Mit freundlicher Genehmigung von Murmann Publishers.
Heinz-Walter Große/Bernadette Tillmanns-Estorf
Tasks & Teams. Die neue Formel für bessere Zusammenarbeit.
184 Seiten broschiert. EUR 28,-
ISBN 978-3-86774-622-9
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