Das Verlagsgeschäft wandelt sich schneller und schneller durch Schärfung des Zielgruppen-Fokus, neue Geschäftsmodelle und neue Technologien. Was bedeutet dies für die Herstellungsabteilungen?
Ellen Böckmann, bei den Cornelsen Schulverlagen für die Produktion verantwortlich, berichtet im Interview im Produktionschannel von buchreport.de, wie die Agenda ihres Bereichs sich verändert hat und in Zukunft weiter verändern wird. Das Interview ist Teil einer Serie über den Wandel der Herstellung.
Welches sind die wesentlichen Änderungen in Ihrem Verlagsgenre in der Herstellung in den letzten fünf bis acht Jahren?
Die Herstellung kann heute einen wesentlichen Teil der Wertschöpfungskette mitgestalten und damit einen wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg der Projekte leisten. Angefangen von der Bereitstellung von Tools oder Systemen für die strukturierte Erfassung der Inhalte, über die weitestgehend automatisierte Ausgabe von typografisch aufbereitetem Text für Print- oder/und Digitalausgaben, bis hin zu bedarfsgerechter Produktion auf Basis von Produktionsstandards, die aufwändige Qualitätskontrollen der einzelnen Produktionsphasen überflüssig machen. Die Herstellung kann heute die Prozesse aktiv steuern. Dieser Aspekt macht den Verantwortungsbereich viel interessanter als noch vor Jahren, wo es eher darum ging, zu reagieren und ggf. noch „die Kohlen aus dem Feuer zu holen“, wenn zum Beispiel Manuskriptabgabetermine nicht eingehalten wurden oder produktionstechnische Mängel auftraten.
Welche Fähigkeiten und Fachkenntnisse muss ein guter Verlagshersteller heute mitbringen?
Herstellerinnen und Hersteller in Verlagen sind heute Produktionsmanager mit betriebswirtschaftlichem Know-how, einem Grundverständnis des Leistungsvermögens von IT-Systemen, Know-how über die Produktion von Digital- und Printprodukten, Prozessverständnis und Kommunikationsfähigkeit.
Brauchen Verlag überhaupt noch eine Herstellung im Haus oder kann man die Leistung besser einkaufen? Welche Leistungen sollte man inhouse haben?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Fährt ein Unternehmen eine strikte Outsourcing-Strategie mit intern darauf angepassten Strukturen, kann es sinnvoll sein, auch den Bereich der Herstellung nach außen zu verlagern. Das ist auch stark abhängig von der Größe des Unternehmens, der Art des Programms und den Marktanforderungen.
Grundsätzlich sehe ich den Bereich Herstellung als einen Kernbereich im Verlagsunternehmen, hier werden Liefertermine gesteuert, Lieferfähigkeit und Produktionsqualität abgesichert und ein großer Kostenblock des Unternehmens verantwortet. Da ist eine interne Vernetzung und zentrale Steuerung eine unbedingte Voraussetzung.
Weitere Lösungen, Impulse und Erfahrungsberichte für die Verlagsproduktion lesen Sie im Channel Produktion & Prozesse von buchreport und Channel-Partner Publisher Consultants. Hier mehr…
Wie wirkt sich die fortschreitende Automatisierung der Entstehungs- und Herstellungsprozesse auf die tägliche Arbeit aus?
Die fortschreitende Automatisierung erfordert eine Verschiebung von der aufwändigen Steuerung von Einzelprojektes hin zum effizienten Managen der geplanten und der laufenden Produktion mit einzelnen Absicherungsmaßnamen dort, wo es tatsächlich erforderlich ist. Darüber hinaus ist die Definition und Einhaltung von Prozess- und Produktionsstandards ein wesentlicher Aspekt.
Welche Bedeutung werden gedruckte Medien in fünf Jahren in Ihrem Tätigkeitsbereich noch haben?
Wir entwickeln für unsere Kunden passende Lösungen als Kombination aus Print- und Digitalprodukten. Wir gehen davon aus, dass uns diese Varianz im System eine längere Zeit begleiten wird, da die Voraussetzungen noch nicht gegeben sind, flächendeckend mit digitalen Lösungen zu arbeiten.
Welchen Anteil wird in der Medienproduktion der Digitaldruck in den nächsten fünf Jahren erreichen? Glauben Sie, dass Zero Inventory möglich und sinnvoll ist?
Der Digitaldruck ist nunmehr technisch ausgereift und bietet hohes Potential für die Printproduktion vieler Verlage. Dies ist abhängig von der Höhe der Produktionsauflage, der Planbarkeit der Verkaufserwartung, den Vertriebskanälen und dem Lifecycle eines Titels. Das kontinuierliche Wachstum des Digitaldrucks ist schon jetzt deutlich sichtbar. Eine grundsätzliche Einschätzung ist schwierig, durch die Produktion von Titeln im Digitaldruck werden die Auflagenhöhen ja zunächst reduziert. Der Einsatz des Digitaldrucks ist aber in vielen Verlagsunternehmen bereits heute Teil der Standardproduktionsstrecken. Die wirtschaftliche Prüfung vorausgesetzt, ist Zero Inventory dort sinnvoll, wo sich Produktionsstandards und Prozessstrecken konsequent darauf abgestimmen lassen incl. der erforderlichen Systemunterstützung, entweder für einzelne Titelgruppen oder auch für ganze Programme.
Wie attraktiv ist der Herstellerberuf für den Nachwuchs? Was muss sich ändern, damit der Beruf für junge Fachkräfte attraktiver wird?
Wesentlich ist die Positionierung des Herstellungsbereichs im Unternehmen. Eine Herstellungsabteilung, die alle möglichen Potenziale ausschöpft, muss bereits bei der Programmplanung, bei der Planung von Marketingaktivitäten und auch bei der Planung, Auswahl und Einführung von ERP- und Produktionssystemen eingebunden sein. Die Herstellung hat ein wichtiges Mandat bei der Optimierung der internen Prozesse sowie bei der Definition von Kriterien der Übergabequalität an den Schnittstellen im Unternehmen. Dazu kommt das erforderliche betriebswirtschaftliche Know-how incl. Lieferantenmanagement, um wirtschaftlich einzukaufen sowie Einsparungshebel entlang der Prozesskette zu identifizieren und abzusichern. Das ist ein spannendes und verantwortungsvolles Aufgabengebiet und setzt eine entsprechende Qualifikation, also Ausbildung voraus – und eine adäquate Eingruppierung bzw. Vergütung.
Ist die Berufsbezeichnung Hersteller überhaupt noch treffend oder muss ein neuer Begriff gefunden werden, der das Kompetenzprofil besser beschreibt?
Das Berufsbild des Herstellers hat einen radikalen Wandel vollzogen, von der Ausbildung über das Tätigkeitsprofil, den Verantwortungsbereich bis zur Positionierung in den Verlagsunternehmen. Dieser Veränderung sollte durch eine Veränderung der Rollenbezeichnung Rechnung getragen werden. Der Bezeichnung „Produktionsmanager“ entspricht deutlich mehr der Herausforderung in diesem Aufgabengebiet und verdeutlicht auch die veränderten Anforderungen.
Alle bisher erschienen Teile der Serie „Herstellung der Zukunft“ finden Sie hier.
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