Outsourcing war lange Zeit nur Thema, wenn es um Kostensenkung ging. Die Coronakrise hat jetzt die strategische Komponente in den Fokus gerückt: Outsourcing ist ein guter Weg zur Resilienz.
Neben der Reduzierung von Fixkosten ermöglicht Outsourcing auch, rasch wichtiges Know-how auf- und einzubauen – vor allem im Bereich der dezentralen, digitalen Zusammenarbeit. Das klappt aber nur, wenn Workflow und Prozesse angepasst und optimiert werden.
Für Verlage wird es zunehmend schwierig, sich auf ihr eigentliches Kerngeschäft zu konzentrieren: Zum einen wächst der Kostendruck stetig, zum anderen hat die Corona-Pandemie der Branche einen Change aufgezwungen, sich ganz rasch zu digitalisieren. Hinzu kommt, dass neue Geschäftsmodelle und der starke Wettbewerbsdruck mehr Wirtschaftlichkeit erfordern. Verlage sollten sich deshalb heute mehr denn je die Frage stellen, ob Outsourcing eine Lösung sein kann.
Markus Wilhelm und Anja Paquin vom Beratungsunternehmen Publisher Consultants erklären, was bei Make-or-Buy-Entscheidungen zu beachten ist, wie Outsourcing-Projekte angegangen werden sollten und wo Chancen und Risiken liegen.
In der Vergangenheit wurde Outsourcing, also die Nutzung externer Ressourcen, fast ausschließlich als Mittel zur Kostensenkung verstanden, indem ein Teil bestehender Unternehmensleistungen von Dritten erledigt wurde. Heute ist Outsourcing als Teil strategischer Unternehmensführung insbesondere in Zeiten der digitalen Transformation ein Instrument, um Restrukturierungen im Unternehmen oder die Neupositionierung am Markt voranzutreiben. Vor diesem Hintergrund verstehen wir Outsourcing als permanente, individuelle, vertraglich geregelte Nutzung und gewinnbringende Ausschöpfung von Ressourcen, Vermögenswerten und Kompetenzen Dritter.
Grundsätzlich ist Outsourcing für Medienunternehmen jeder Größe interessant, auch für kleine Verlage. Es bietet ihnen einen Ansatz zur Gestaltung von Erfolgsfaktoren und kann einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit leisten. Das gilt ganz besonders in Krisensituationen. So hat auch die Corona-Pandemie gezeigt, dass Unternehmen, die schlank aufgestellt waren, viele Leistungen outgesourct hatten und in der digitalen Transformation weit vorangeschritten waren, weit besser aufgestellt waren und wesentlich besser durch die Krise kamen. Outsourcing ist heute auf operativer wie auch auf strategischer Ebene bedeutsam:
- Sie können Fixkosten sparen.
- Sie können schnell vom Know-how der Dienstleister profitieren, auch schneller produzieren und sich verändernde Märkte mit innovativen Produkten beliefern.
- Das Outsourcing bestimmter Leistungen ermöglicht es, sich wieder besser auf die Kernkompetenzen zu konzentrieren, um mit dem Publizieren von Inhalten Geld zu verdienen.
Chance auf nachhaltige Vorteile
Intelligentes Outsourcing kann einen wesentlichen Beitrag zur Wertschöpfung leisten, wenn nicht nur Rand- oder Unterstützungsthemen outgesourct werden, sondern auch wesentliche Leistungen. Es enthält also weit mehr Potenzial, als man noch vor einigen Jahren vom Fremdbezug erwartete.
Doch Vorsicht: Outsourcing ist ein komplexes Thema, das viele Disziplinen des Unternehmens betrifft. Deshalb ist es notwendig, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen, anstatt punktuell irgendeinen Dienstleister mit einzelnen Leistungen zu beauftragen. Wer allerdings verstanden hat, was Outsourcing bedeutet, welche Leistungen sich sinnvoll outsourcen lassen und wie die richtige Vorgehensweise von der Analyse über Lieferantenmanagement bis zur Umsetzung aussieht, hat gute Chancen auf nachhaltige Wettbewerbsvorteile. Dies gilt insbesondere im Zuge der zunehmenden Geschwindigkeit, die die Digitalisierung mit sich bringt.
Um Make-or-Buy-Entscheidungen treffen zu können, ist ein grundlegendes Verständnis unterschiedlicher Dienstleistungen und deren Bedeutung für das Unternehmen wichtig. Differenziert werden Dienstleistungen
- 1. Grades als wesentliche Bestandteile im Wertschöpfungsprozess eines Verlags, wie z.B. Lektorat, Redaktion, Vertrieb
- 2. Grades, die den Wertschöpfungsprozess des Verlags unterstützen, wie z.B. Finanzbuchhaltung/Abrechnung, Personalmanagement, Herstellung, Presseabteilung
- 3. Grades, die für den Erhalt der Infrastruktur des Verlags wichtig sind, wie z.B. Leistungen rund um die IT-Anlage, Facilitymanagement, Kommunikationstechnologie etc..
Diese Systematik trägt zum Verständnis über das eigene Dienstleistungsspektrum bei und ist ein wichtiger Bestandteil erster Überlegungen rund um Outsourcing.
Differenzierte Entscheidungsgründe
Vor nicht allzu langer Zeit wurden Make-or-Buy-Entscheidungen meist nur im engsten Wortsinn getroffen und nach den Kosten für eine Leistung beurteilt. Da diese Kalkulation wichtige Faktoren außer Acht lässt, prüft man heute weit mehr Aspekte, um einen tragfähigen Outsourcing-Vorschlag generieren zu können.
Tatsächlich liefert nur eine fundierte Ist-Analyse und -Dokumentation der Unternehmensleistungen sowie der dafür nötigen Prozesse eine wirklich belastbare Basis für Make-or-Buy-Entscheidungen. Nur so lässt sich feststellen, ob und welche Leistungen sich überhaupt für ein Outsourcing eignen, wie gegenwärtige und künftige Anforderungen an diese aussehen, welche Qualität bestehende Workflows und Prozesse haben. Dabei wird der ganze Wertschöpfungsprozess berücksichtigt und auch die Unternehmensziele und -strategie sowie die Geschäftsmodelle werden in die Bewertung einbezogen. Eine systematische Vorgehensweise ist in diesem Zusammenhang empfehlenswert, ebenso wie eine externe und objektive Unterstützung.
Geeignete Partner finden
Nach der Empfehlung für das Outsourcing bestimmter Leistungen bildet die tatsächliche Make-or-Buy-Entscheidung die Brücke zwischen der Ist-Analyse und dem Lieferantenmanagement. Hier gilt es, Märkte, Dienstleister und Lieferanten zu identifizieren und Details zu klären.
Die Vorgehensweise:
- Es wird geprüft, in welchem Beschaffungsmarkt (Near- oder Offshore) die Leistung zu erhalten ist und welche Anbieter geeignet sind.
- Soll-Prozesse für die Zusammenarbeit mit möglichen Lieferanten werden bereits grob skizziert, Anforderungen – auch prozessuale – an einen künftigen Lieferanten beschrieben.
- Eine erste Eingrenzung berücksichtigt Unternehmensgröße, Wirtschaftlichkeit und Wettbewerb möglicher Lieferanten.
- Angebote werden eingeholt, bewertet und nachverhandelt.
- Der Lieferant wird ausgewählt.
- Lieferantenvereinbarungen und Vertragsgestaltung werden abgeschlossen.
Die Gestaltung und verbindliche Formulierungen der Vereinbarungen sind wichtige Erfolgsfaktoren der Zusammenarbeit.
Eine bedeutende Rolle spielt im erfolgreichen Outsourcing auch die entsprechende Optimierung der Workflows und Prozesse. Tatsächlich sind das Lieferantenmanagement und die verschiedenen Stadien der Prozessoptimierung eng verzahnt. Noch vor der Auswahl des eigentlichen Lieferanten werden deshalb Soll-Prozesse und Anforderungen abgestimmt. Ist der Lieferant – tatsächlich sollte er ein Partner sein – gefunden, muss eine entsprechend passende Feinjustierung der Prozesse im Verlag und gegebenenfalls auch beim Lieferanten durchgeführt und genau dokumentiert werden, damit alles optimal ineinandergreifen kann.
Umsetzung ist Change-Management
Ein Implementierungskonzept und die Erstellung der Feinplanung liefern die Basis für eine gut funktionierende Umsetzung. Hier spielt auch Change Management eine wichtige Rolle, um mit Widerständen umgehen zu können, die aufgrund von veränderten Aufgaben und Verantwortlichkeiten oft auftauchen. Die operative Durchführung eines Outsourcings sollte deshalb auch durch Externe erfolgen, um Effektivität zu gewährleisten.
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Auch im Anschluss ist ein Implementierungsservice hilfreich, der den Prozess begleitet, um etwaige Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. So ist die fortlaufende Qualitätskontrolle des Prozesses unbedingt erforderlich. Nur so lassen sich Abweichungen frühzeitig erkennen und mit adäquaten Maßnahmen beantworten.
Transparenz und Kennenlernen
Praktische Tipps für eine erfolgreiche Zusammenarbeit beim Outsourcing:
- Wesentliche Ziele des Outsourcings sollten mit allen Beteiligten erörtert worden sein.
- Intern müssen Verantwortlichkeiten und Ansprechpartner geklärt sein.
- Die Anforderungen an die Zusammenarbeit und Schnittstellen werden gemeinsam definiert, um ein transparentes Qualitätsmanagement auf beiden Seiten zu ermöglichen.
- Auch die interne Prozessdokumentation wird dem Dienstleister zur Verfügung gestellt. Darin sind u.a. die Rollen und Zuständigkeiten sowie die geforderte Qualität der eingekauften Leistung eindeutig beschrieben und die notwendigen Produktionszeiten klar definiert.
- Von Vorteil ist es, wenn der Dienstleister den Verlag vor Ort, die Arbeitsweise und die Mitarbeiter kennenlernt – wenn möglich auch umgekehrt. Der Austausch fördert das gegenseitige Verständnis und die spätere reibungslose Zusammenarbeit.
- Weil sich Tätigkeitsbereiche und Rollenprofile durch das Outsourcing verändern, ist es sinnvoll, die Einführung der neuen Prozesse durch Schulungen vorzubereiten und von Anfang an durch aktive Kommunikation zu begleiten.
Die Kunst des Outsourcing
Outsourcing enthält insbesondere in Krisenzeiten und für die schnell wachsenden Anforderungen im Rahmen der digitalen Transformation einiges Potenzial, das Verlage nutzen sollten. Allerdings werden solche Vorhaben oft unterschätzt, denn Outsourcing ist die Kunst, Chancen und Risiken genau abzuwägen und schließlich die verschiedenen, ineinandergreifenden Disziplinen systematisch zu einer funktionierenden Gesamtlösung zusammenzuführen. Gutes Projektmanagement und Veränderungsmanagement sind Minimalanforderungen. Gefragt sind ebenso Lieferantenmanagement und gute Kenntnisse im Prozessmanagement, gepaart mit guter Analysekraft.
Was genau ist Outsourcing?
Bei allen Potenzialen, die Outsourcing bietet, müssen sich Verlage darüber im Klaren sein, dass es kein Allheilmittel zur Unternehmensoptimierung oder Restrukturierung ist und nicht generell als Fitnessprogramm funktioniert. Weil außerdem viele individuelle kritische Faktoren und Facetten zu beachten sind, die über Erfolg oder Misserfolg von Outsourcing entscheiden, gibt es auch kein Patentrezept. Wer sich mit Outsourcing beschäftigt, sollte sich Chancen und Risiken bewusst machen.
Die Chancen:
- Reduktion der Fixkosten und geringere Kapitalbindung
- Schneller Zugang zu Know-how und Technologie im Bereich der digitalen Transformation, neuer Geschäftsmodelle etc.
- Konzentration auf das Kerngeschäft und Erhöhung der Flexibilität
Die Risiken:
- Kostensteigerung und größerer Koordinationsaufwand
- Abhängigkeit von Lieferanten und mangelnde Einflussnahme
- Verlust von Know-how und arbeitsrechtliche Herausforderungen
Voraussetzung für Outsourcing
Die systematische Analyse liefert die Basis für Make-or-Buy-Entscheidungen. Sie ist aufgeteilt in mehrere Phasen, in denen zunächst das Unternehmensumfeld (Wettbewerb, Beschaffungsmanagement, Technologie etc.) und dann interne Einflussfaktoren (Kompetenz, Know-how etc.) geprüft werden.
- Stärken-Schwächen-Analyse: Die Kernkompetenzen des Verlages werden in vielen Dimensionen abgeklopft. Geprüft werden Bereiche, Strukturen, Systeme und Dienstleistungen, und analysiert, welche von ihnen wertschöpfend und welche wertfördernd sind.
- Bewertungsmatrix: Das Stärken-Schwächen-Profil liefert gute Anhaltspunkte, welche Dienstleistungen oder Prozesse outgesourct werden können. Die Bewertung selbst ist meist komplex, weil jeder einzelne Themenbereich umfangreich geprüft werden sollte – das Lieferantenmanagement genauso wie Workflows und Prozesse; auch Unternehmensstrategie und Zielsetzung fließen ein.
- Kalkulation: Die rechnerische Grundlage für Make-or-Buy-Entscheidungen wird geklärt: Beim Kostenvergleich der potenziellen Outsourcing-Partner müssen auch sämtliche Transaktionskosten berücksichtigt werden.
Das Ergebnis der Ist-Analyse soll ein fundiertes Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Kernkompetenzen und Kostenfaktoren ermöglichen und vielfältige Handlungsoptionen aufzeigen.
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