Projektarbeit nimmt auch im Verlagswesen zu. Und weil die Erfahrung dafür spricht, dass Projekte besser laufen, wenn eine Person dafür verantwortlich ist, ernennt man ein Teammitglied zum/zur Projektleiter*in. Aber diese müssen nicht nur ihr Projekt, sondern auch sich selbst organisieren. Wie kann das glücken?
„Weniger schlecht Projekte managen“ haben sich die Projektmanager Anne Schüßler und Peter Schüßler auf die Fahnen geschrieben in ihrem zwar flapsig geschriebenen, aber sehr ernst gemeinten gleichnamigen Buch. Im Channel Produktion & Prozesse auf buchreport.de werden in einer dreiteiligen Serie Auszüge daraus veröffentlicht. Teil 1: Wer ist ein Projektmanager und was ist (k)ein Projekt?
Da stehen Sie nun, sind Projektmanager*in und wissen gar nicht so genau, was das eigentlich bedeutet. Immerhin können Sie hier etwas darüber lesen, womit die ersten Schritte gemacht wären. Zudem haben Sie erkannt, dass jetzt möglicherweise Aufgaben und Situationen auf Sie zukommen, die neu sind und sich von dem, was Sie bisher gemacht haben, unterscheiden könnten. Irgendwas wird anders werden, als es bisher war. Das ist eine wichtige Erkenntnis.
Bevor wir Ihnen aber beibringen, wie man ein weniger schlechter Projektmanager wird, müssen wir erst herausfinden, ob Sie überhaupt ein Projektmanager sind, oder vielmehr, ob Sie vielleicht kein Projektmanager sind.
Woran erkenne ich, dass ich kein Projektmanager bin?
Nicht überall, wo Projektmanager draufsteht, steckt auch Projektmanager drin.
„Projektmanager“ ist ein Begriff, der sein Schicksal mit Buzzwords wie „agil“, „Web 2.0“ oder „Cloud“ teilt. Niemand weiß, was es bedeutet, aber es klingt so schön, kommt bei Kunden und Managern gut an und wird entsprechend auf jede Visitenkarte gedruckt und in jedes Dokument geschrieben, das nicht bei drei auf den Bäumen ist. Danach passiert oft nichts.
Eventuell kommt Ihnen das bekannt vor. Ihr Chef verkündet Ihnen mit stolzgeschwellter Brust, dass Sie nun Projektmanager seien, auf Ihren Visitenkarten prangt ebenfalls bereits dieser kühne Titel, geändert hat sich aber seitdem nichts.
Oder es war ganz anders: Auch diesmal wird Ihnen mit großer Freude offenbart, dass Sie nunmehr Projektmanager seien, und auf einmal sitzen Sie in Meetings mit kryptischen Bezeichnungen, andere Menschen erwarten Entscheidungen von Ihnen oder wollen irgendwelche Dokumente von Ihnen haben. Das haben Sie alles so nicht gewollt, und gefragt hat Sie irgendwie auch keiner.
Es gibt viele Beispiele dafür, dass Sie nur Projektmanager heißen, aber keiner sind. Wenn Ihnen der Titel auf Ihrer Visitenkarte ausreicht und Sie eigentlich ganz glücklich damit sind, dass sich sonst nichts geändert hat, können Sie an dieser Stelle aufhören zu lesen. Haben Sie jedoch den Anspruch, diesem Titel auch gerecht zu werden, lesen Sie weiter. Wir werden versuchen, Ihnen auf Ihrem Weg zum weniger schlechten Projektmanager hilfreich zur Seite zu stehen und Sie mit den Informationen zu versorgen, die Ihnen bislang niemand verraten wollte.
Mir wurde gesagt, ich sei jetzt Projektmanager und für das Projekt „Transport Eulen nach Athen“ verantwortlich. Nächste Woche soll ich das Kick-off-Meeting leiten. Die Fachabteilung schickt mir dauernd Dokumente, und Frau Schneidereit aus dem Controlling möchte, dass ich ihr einen Ressourcenplan schicke. Ich weiß aber weder, was ein Kick-off-Meeting ist, noch, was ich mit den Dokumenten machen soll – und vor allem habe ich noch nie einen Ressourcenplan erstellt!
Herzlichen Glückwunsch! Die gute Nachricht: Sie sind tatsächlich Projektmanager, denn Sie haben ein Projekt. Die schlechte: Sie haben leider keine Ahnung, was Sie jetzt tun müssen. Das ist natürlich nicht ganz unproblematisch, aber lösbar, zum Beispiel mit dieser Lektüre. Was Sie jetzt brauchen, ist eine schnelle Einführung ins Projektmanagement, ein verständnisvolles Projektteam, gute Nerven und viel Kaffee.
Weitere Lösungen, Impulse und Erfahrungsberichte für die Verlagsproduktion lesen Sie im Channel Produktion & Prozesse von buchreport und Channel-Partner Publisher Consultants.
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Mir wurde gesagt, ich sei jetzt Projektmanagerin und für das Projekt „Ein besseres Image für Sternmulle“ verantwortlich, weil ich mich doch fachlich so gut auskennen würde. Mein Chef strahlte bei der Verkündigung dieser Neuigkeiten und meinte, das wäre doch toll für mich. Jetzt soll ich Meetings organisieren und leiten und mit anderen Menschen reden, obwohl ich doch am liebsten alleine am Schreibtisch sitze und meine Aufgaben erledige. Das habe ich so nie gewollt!
Herzlichen Glückwunsch! Die gute Nachricht: Auch Sie sind jetzt Projektmanagerin, denn auch Sie haben ein Projekt. Die schlechte: Sie sind leider überhaupt nicht für diesen Job geeignet, denn als Projektmanagerin hilft es zwar ungemein, sich fachlich auszukennen, Sie werden aber über ein großes Maß an organisatorischen und kommunikativen Aufgaben nicht herumkommen. Sie haben jetzt vor allem zwei Möglichkeiten: Sie können zu Ihrem Chef gehen und ihn darum bitten, jemand anderen zum Projektmanager zu machen, weil Sie sich für diesen Job nicht geeignet fühlen. Sie können dann auch aufhören zu lesen. Oder aber Sie stellen sich dieser Aufgabe und lesen weiter. Wir werden Ihnen später nämlich erklären, welche persönlichen Eigenschaften eine Projektmanagerin am besten haben sollte und – viel besser noch – wie man diese lernen kann.
Mir wurde gesagt, ich sei jetzt Projektmanager. Ich habe auch schon neue Visitenkarten bekommen, die sehr hübsch aussehen. Meine Chefin meinte, das sei doch für mich auch schön, wenn ich jetzt überall sagen kann, dass ich Projektmanager wäre. Ansonsten ist alles wie vorher.
Herzlichen Glückwunsch! Die gute Nachricht: Ihre Chefin wollte Ihnen bestimmt etwas Gutes tun, und Ihre Visitenkarten werden sicherlich auch Eindruck machen. Die schlechte: Sie sind leider kein Projektmanager, denn Sie haben kein Projekt. Dennoch ist nicht alles verloren: Möglicherweise eignet sich ja die Arbeit, die Sie machen, tatsächlich dazu, Projekte daraus zu machen. Dazu müssen Sie natürlich wissen, was Projektarbeit von anderer Arbeit unterscheidet, wie man ein Projekt definiert und wie man es dann tatsächlich in den einzelnen Phasen durchführt. Auch das werden wir erklären. Weiterlesen!
Mir wurde gesagt, ich sei jetzt Projektmanagerin. Zehn andere Kollegen sind jetzt übrigens auch Projektmanager. Eigentlich sind jetzt alle in meiner Abteilung Projektmanager, und demnächst bekommen wir eine Schulung über Projektmanagement. Mehr wissen wir nicht, aber alle sind ganz aufgeregt und wuseln rum. (Die neuen Visitenkarten sind auch schön.)
Herzlichen Glückwunsch! Die gute Nachricht: Ihr Unternehmen hat schon mal etwas von Projektmanagement gehört und ist bereit, Geld und Zeit zu investieren, um Sie und Ihre Kollegen zu Projektmanagern zu machen. Die schlechte: Ob mehr dabei rauskommt als neue Visitenkarten, ist schwer zu sagen. Prinzipiell ist es ein gutes Zeichen, wenn Ihr Unternehmen in größerem Stil Projektmanagement einführen will. Auch die Tatsache, dass gleich mehrere Kollegen zu Projektmanagern ernannt wurden, ist hier nicht beunruhigend, denn wenn Sie in Zukunft mehr als ein Projekt im Unternehmen durchführen wollen, brauchen Sie auch mehr als einen Projektmanager. Beobachten Sie einfach genau, was in den nächsten Monaten passiert. Wenn nach der Schulung alles so weitergeht wie zuvor, sind Sie vermutlich kein Projektmanager, haben aber immerhin ein bisschen was über Projektmanagement lernen dürfen. Wird in Zukunft die bisherige Arbeit in Projekten organisiert und durchgeführt, sind Sie tatsächlich ein Projektmanager und können dann auch weiterlesen.
Wenn Sie sich in einem dieser Beispiele wiederfinden konnten, haben Sie nun hoffentlich nicht den Mut verloren. Mal abgesehen von dem Sonderfall, dass Sie herausgefunden haben, wirklich, wirklich kein Projektmanager sein zu wollen, ist die Lage nicht hoffnungslos.
Was ist eigentlich ein Projekt?
Die Geschichte des Projektmanagements ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Das größte Missverständnis ist möglicherweise, dass man einfach alles irgendwie Projekt nennen kann, so wie man ja auch fast alles irgendwie Kunst nennen kann. Während Kunst aber tatsächlich ein dehnbarer Begriff ist und die Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“ nicht immer eindeutig beantwortet werden kann, gibt es relativ klare Regeln, die definieren, ob etwas ein Projekt ist oder nicht. Man muss nur wenige typische Eigenschaften prüfen, um die Frage „Ist das ein Projekt oder einfach nur irgendwie Arbeit?“ mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“ beantworten zu können.
Um herauszufinden, ob Sie ein Projektmanager sind (oder sein könnten), schauen Sie sich also an, was Sie üblicherweise jeden Tag tun. Dann prüfen Sie, ob die wichtigsten Eigenschaften eines Projekts auf Ihre Arbeit zutreffen (oder zutreffen könnten) oder eben nicht.
Können Sie alle diese Fragen mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten, haben Sie ein Projekt oder zumindest etwas, das ein Projekt sein könnte. Haben Sie mindestens eine Frage mit „Nein“ beantwortet, haben Sie aller Wahrscheinlichkeit nach kein Projekt. Besteht Ihre Antwort auf eine oder mehrere Fragen aus „Weiß nicht“, müssen Sie sich Ihr potenzielles Projekt noch einmal genauer anschauen. Möglicherweise liegt hier auch der Hase im Pfeffer, und es fehlen nur wenige Schritte, um aus einer etwas konfusen Aufgabenstellung ein formschönes Projekt zu basteln.
Haben Sie zum Beispiel lediglich die Frage nach der zeitlichen Begrenzung mit „Nein“ oder „Weiß nicht“ beantwortet, dann prüfen Sie doch mal, warum Sie keine definierten Start- und Endpunkte haben. Ist es wirklich unmöglich zu sagen, wann Sie fertig sein werden, oder liegt das nur daran, dass sich bislang noch niemand die Mühe gemacht hat, sich darüber Gedanken zu machen?
Haben Sie hingegen die Frage nach dem Ziel mit „Nein“ oder „Weiß nicht“ beantwortet, dann haben Sie ein ganz anderes Problem, denn Sie wissen ja gar nicht, warum Sie tun, was Sie da gerade tun. Vielleicht wissen Sie es ungefähr und haben eine etwas schwammige Vorstellung davon, was am Ende dabei rauskommen soll, sind aber im ganzen Bürostress noch nicht dazu gekommen, sich das genauer zu überlegen. Nehmen Sie sich also die Zeit und überlegen Sie sorgfältig, was Sie da eigentlich tun, warum Sie es tun und wie das Ergebnis dann schlussendlich aussehen soll.
Unabhängig davon, ob Sie es nachher wirklich mit einem waschechten Projekt zu tun haben werden, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Ihre Arbeit befriedigender ist, wenn Sie das Ziel besser vor Augen haben.
Auf diese Weise können Sie sämtliche mit „Nein“ beantwortete Fragen daraufhin abklopfen, ob man sie vielleicht doch mit „Ja“ beantworten könnte, wenn man sich ein bisschen detaillierter mit dem, was man täglich tut, auseinandersetzt. Kommt dabei am Ende ein Projekt für Sie heraus, umso besser, in jedem Fall wissen Sie aber nachher etwas mehr über Ihre tägliche Arbeit.
Zusammenfassend kann man ein Projekt also wie folgt definieren:
Ein Projekt ist einmalig, hat einen definierten Start- und einen definierten Endzeitpunkt, benötigt eine gewisse und eingeschränkte Menge an Ressourcen, hat ein definiertes Ziel und ist nicht komplett trivial.
Alles, was nicht alle diese Eigenschaften erfüllt, ist kein Projekt. Wie sich das Tagesgeschäft vom Projekt unterscheidet, wird in Abbildung 2 noch mal dargestellt.
Es ist auch nicht hilfreich, solche Konstrukte „projektartig“ zu nennen oder krampfhaft zu versuchen, ein Projekt daraus zu machen. Tun Sie sich den Gefallen und denken Sie hier ausnahmsweise schwarz-weiß. Genauso, wie man nicht „ein bisschen schwanger“ sein kann, kann etwas nicht „ein bisschen Projekt“ sein. Am Ende sind dann alle Beteiligten nur verwirrt und unglücklich, und das kann ja niemand wollen. Es gibt ausreichend viele und gute Wege, Arbeit, die kein Projekt ist, sinnvoll zu organisieren. Der Heilsweg zum Glück führt nicht zwangsläufig über Projekte.
Sie wissen nun hoffentlich, ob Sie tatsächlich ein Projektmanager sind und auch, woran Sie ein Projekt erkennen können, wenn es denn vor Ihnen steht. Sollte sich überraschend herausgestellt haben, dass Sie kein Projektmanager sind, hoffen wir, dass Sie trotzdem neugierig genug auf das Thema „Projektmanagement“ sind, um weiterzulesen.
Für alle anderen haben wir jetzt vermutlich ungefähr ein Prozent aller drängenden Fragen beantwortet. Nach unserer Erfahrung liegt das Problem des schlechten Projektmanagements oft gar nicht darin, dass an einer Stelle ein konkreter großer Fehler gemacht wurde, sondern darin, dass es an den methodischen Grundlagen hapert, sodass ein solides und erfolgreiches Managen von Projekten erst gar nicht möglich ist. Wir sind also der Auffassung, dass der Weg zum weniger schlechten Projektmanager nicht im geschickten Ausweichen mehr oder weniger bekannter Fallstricke liegt, sondern einfach in der bewussten Anwendung etablierter Projektmanagementmethoden.
Mit freundlicher Genehmigung von O’Reilly Media.
Anne Schüßler / Peter Schüßler: Weniger schlecht Projekte managen
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