Kleine Druckauflagen, geringe Einkaufsvolumina, viele manuelle Herstellungsschritte: Gerade bei mittelständischen Verlagen ist der Wareneinsatz manchmal bedrohlich hoch. Wie glückt da die richtige Kalkulation?
Die Kalkulation gehört zum grundlegenden Handwerkszeug eines Verlags, erfolgt bei kleineren Verlagen aber oft nicht auf neuestem Stand. Oft wurden die Kalkulationsformeln schon vor langer Zeit entwickelt und dem sich wandelnden Geschäft nicht angepasst. Mangels leistungsfähiger Verlagssoftware erfolgt die Kalkulation oft auf der Basis von hochkomplexen Tabellen. Berater Markus Wilhelm gibt im Channel Produktion & Prozesse von buchreport.de Tipps, wie sich die Tools optimieren lassen.
Die Kalkulation gehört zum grundlegenden Handwerkszeug eines Verlags. Schließlich trägt sie nicht unerheblich zur Titelentscheidung und zur Programmstrategie bei, indem sie zu jedem Zeitpunkt verlässliche und belastbare Daten liefert.
Die Praxis zeigt jedoch, dass das Thema bei Weitem nicht so trivial ist, wie man meinen könnte, vor allem für kleinere Verlage. Während in großen Medienunternehmen oftmals leistungsfähige Verlagssoftware mit ausgefeilten Kalkulationssystemen zur Verfügung steht, nutzen kleinere Verlage meist Tabellenkalkulationstools wie Excel. Oft wurden die Kalkulationsformeln schon vor langer Zeit entwickelt und dem sich wandelnden Geschäft nicht angepasst, sodass sie die heute bestehenden Anforderungen nicht mehr abbilden. Intern fehlen meist Ressourcen oder Know-how, um diese Kalkulationstools zu optimieren.
Der Handlungsdruck steigt, denn die veränderten Marktbedingungen beeinflussen naturgemäß die Kosten- und Rechtekalkulation und erhöhen die Komplexität. Zum Geschäftsmodell gehören heute immer selbstverständlicher mehrere Publikationsformen, wie E-Book, Hörbuch, Kompilationen etc., unterschiedliche Vertriebswege und auch zusätzliche Erlöse, beispielsweise durch Ko-Produktionen, Lizenzverkäufe und das Industriegeschäft.
Zudem ist die Honorarsituation durch diese Faktoren komplexer geworden. Wenn diese vielfältigen Einflussgrößen in der Kalkulation jedoch nicht realistisch abgebildet werden, bietet diese letztlich keine sichere Entscheidungsgrundlage und das verlegerische Risiko lässt sich nur schwer einschätzen.
Ein weiteres Manko vieler gewachsener Kalkulationstools ist die fehlende Anwenderfreundlichkeit. Besonders wenn sie vom Controlling aus rein kaufmännischer Perspektive erstellt wurden, gibt es häufiger Klagen aus dem Lektorat über eine wenig praxistaugliche Handhabung. Diese spielt neben Übersichtlichkeit und Aussagekraft jedoch eine große Rolle. Nur wenn alle Beteiligten, besonders Lektoren und Hersteller, die Kalkulation korrekt ausfüllen und vollumfänglich nutzen, können Verleger eine sichere Entscheidung treffen.
Prüfen und optimieren
Bei allen Ansätzen zu Branchenstandards gibt es keinen Königsweg für die Kalkulation. Denn jeder Verlag hat seine eigenen Unternehmensvorgaben, teils individuelle Geschäftsmodelle und Kostenstrukturen. Und die Frage, woraus sich eine Verkaufserwartung eigentlich ableiten lässt, führt stets in einen eigenen Kosmos. Vieles basiert auf Erfahrung, und bei Titelentscheidungen wird es immer einige Unsicherheiten geben.
Doch gerade die stets verbleibenden Unwägbarkeiten im Verlagsgeschäft machen es erforderlich, die grundlegenden Einflussfaktoren zu bestimmen und im Blick zu haben. Nur wer die Kalkulation ernst nimmt, kann von ihr als substanzieller Entscheidungsgrundlage profitieren.
Weitere Lösungen, Impulse und Erfahrungsberichte für die Verlagsproduktion lesen Sie im Channel Produktion & Prozesse von buchreport und Channel-Partner Publisher Consultants.
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Verlage sind also gut beraten, ihre Kalkulation zu prüfen und zu optimieren. Sie sollte auf die unternehmensspezifischen Anforderungen zugeschnitten sein und die Schwerpunkte des Geschäftsmodells berücksichtigen. Großen Wert sollten Verlage darauf legen, ihren verschiedenen Publikationsformen, Ausgabevarianten, Projektarten und auch zukünftigen Vermarktungskonzepten kalkulatorisch gerecht zu werden und diese korrekt abzubilden.
Wichtig ist, dass dabei der gesamte Entstehungsprozess abgedeckt wird. Das bedeutet nicht, bereits zu Beginn eines Titels oder eines Projekts eine hochkomplexe Kalkulation vorlegen zu müssen. Aber es ist von Bedeutung, dass sich die Kalkulation schrittweise verfeinert und zu jedem Zeitpunkt richtige Aussagen liefert: von der Vorkalkulation über die Zwischenkalkulation im Verlauf des Projekts bis zur Nachkalkulation nach dessen Abschluss.
Vorteilhaft an einer präzisen Kalkulationsvorlage ist, dass Faktoren, die anfangs noch nicht relevant waren, fortwährend im Blickfeld bleiben, da sie in der Kalkulation fest vorgesehen sind. Typisches Beispiel: Sonderausstattungen, die während der Vorkalkulation vielleicht noch nicht berücksichtigt werden, deren Kosten später aber natürlich trotzdem eine Rolle spielen.
Das Potenzial der Nachkalkulation
Erstaunlich ist, dass viele Verlage das Potenzial der Nachkalkulation nur wenig nutzen. Tatsächlich bietet sich hier die Chance, Ursachenforschung zu betreiben, wenn es zu Abweichungen kommt, und über die Entscheidungsfindung grundsätzlich nachzudenken:
- Welche Parameter wurden falsch eingeschätzt?
- Wie kann man Annahmen in Zukunft besser stützen?
- An welcher Stelle im Entscheidungsprozess gab es Probleme?
Fragen wie diese lassen sich rückblickend gut klären.
Kalkulation mit Konzept
Ein Kalkulationstool sollte für alle Beteiligten möglichst übersichtlich und transparent sein. Das ist für die Entscheider wie für die Projektmanager von Bedeutung, ebenso wie die einfache Handhabung. Denn das Tool muss schließlich auch genutzt werden. Je angenehmer es in der Bedienung ist, umso mehr trägt es dazu bei, dass sich verschiedene Projektvarianten leicht durchspielen lassen und der Anwender selbst kaufmännisch-kreativ wird: Wie lässt sich der Erlös steigern, wenn sich die Druckauflage, der Ladenpreis, Honorare, Reprokosten und andere Variablen ändern – all das sollte sich einfach errechnen und optimieren lassen. Es kann sinnvoll sein, Preislisten zu hinterlegen, vor allem wenn es sich um standardisierte Publikationen handelt. Welche Deckungsbeiträge schließlich in die Kalkulation einfließen, muss individuell geklärt werden. Auch hier gibt es keinen Königsweg, sondern muss unternehmensspezifisch gelöst werden.
Der Aufwand, eine tragfähige Kalkulation aufzubauen, lohnt sich, denn wer ehrlich rechnet, weiß, dass es unterm Strich zeitraubend und wenig effektiv ist, bei jeder Titelentscheidung stets von Neuem das bestehende Kalkulationsgerüst zu überdenken und anzupassen. Wenn ein neues Kalkulationstool mit externer Unterstützung erstellt wird, sollten die Entscheider im Verlag – Verleger, Geschäftsführer, kaufmännische Entscheider und Programmverantwortliche – involviert sein. Sinnvoll ist es auch, die Anwender einzubeziehen, um die Bedienung so komfortabel wie möglich zu gestalten. Wie die Lösung letztlich aussieht, hängt immer von den individuellen Anforderungen, Bedürfnissen und Geschäftsmodellen der Verlage ab. Das kann eine neue oder überarbeitete Excel-Anwendung sein, genauso aber auch ein Kalkulationsmodul einer Verlagssoftware.
Vom Nutzen profitieren letztlich alle. Denn so ist es möglich, Ergebnisse zu steuern, statt im Blindflug auf den Erfolg von Titeln und gute Erlöse zu hoffen und Misserfolge, wie üblich, auf „den Markt“ oder eine „unkalkulierbare Leserschaft“ zu schieben. Zukunftsprognosen lassen sich tatsächlich auf einer realistischen kalkulatorischen Basis erstellen. Gute Ergebnisse sind planbar.
Eine gute Kalkulation …
- bildet das Geschäftsmodell so realistisch wie möglich ab
- berücksichtigt zum Beispiel unterschiedliche Entstehungsarten der Erstausgabe (Eigenproduktion, Ko-Produktion, Lizenzeinkauf, Direktgeschäft), Nachauflagen und Nachdrucke, weitere Verwertungsformen (TB-Rechte, E-Book, Lizenzverkauf, Audiorechte etc.), Produktion von Buchreihen, Bundles
- bildet auch komplexe Honorarsituationen für die einzelnen Rechtegeber transparent ab, idealerweise über mehrere Auflagen hinweg
- enthält klare Zielvorgaben und eine saubere Deckungsbeitragsrechnung, die zur Kostenstruktur des Unternehmens passt
- kann verschiedene Stadien durchlaufen (Vorkalkulation, Plan-/Zwischenkalkulation, Nachkalkulation)
- ist flexibel für Varianten, um den höchstmöglichen Erlös zu ermitteln
- ist einfach zu erstellen – bei größtmöglicher Exaktheit
- ist aussagekräftig und transparent für Ersteller wie für Entscheider.
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