Die Forderung, Unternehmen müssten ihre Informations-Silos aufgeben, begleitet die Digitalisierung. Doch vor der Architektur endet oft der Wille zur Innovation. Es herrscht die Isolation und Öde der Korridore mit links und rechts abgehenden Bürotüren. Dabei hängen neue Räume und neues Denken eng zusammen. Dies zeigen Start-ups wie Google.
Der Murmann Verlag hat Ernst gemacht mit einer kommunikations- und denkfreundlichen Aufteilung der Verlagsräume. Ausdrückliches Ziel war es, den internen Informationsfluss zu verbessern. Es blieb nicht bei einer neuen Sitzordnung. Auch neue Tools wurden eingeführt. Kommunikationschef Alexander Karl informiert im Prozesschannel von buchreport.de über den aktuellen Stand und macht deutlich: Murmann will in diesem Punkt flexibel bleiben. Es gibt kein Ankommen, sondern immer Veränderung – je nach Bedarf des Teams und des Verlags.
Doppelzüngigkeit ist nicht so unser Ding: Wer Bücher über neues Arbeiten verlegt, sollte selbst sein Konzept der teaminternen Zusammenarbeit überdenken. Ein entsprechender Workshop innerhalb des Murmann Verlags führte im März 2019 daher zu einem ausgiebigen Tische-, Stühle- und Pflanzenrücken. Aber der Reihe nach.
Wände raus, Kommunikation rein
Im Herzen Hamburgs – dem sogenannten Kontorhausviertel – sitzt der Murmann Verlag, unweit von Zeit, SPIEGEL und Speicherstadt. 2004 gegründet, zog der Verlag 2011 in die Hamburger Innenstadt an seinen heutigen Sitz. Hier entstehen seitdem Bücher rund um Wirtschaft und Innovation.
Zunächst saßen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in hergebrachter Weise in Einzel- bis Viererbüros. 2016, als kollaboratives Arbeiten und abteilungsübergreifendes Denken auch in deutschen Unternehmen zusehends Fuß fassten, begann der erste große Umbau im Murmann Verlag: Weg mit den trennenden Wänden, hin zu offenen Flächen mit Arbeitsplätzen, die schnellen Austausch ermöglichen. Ein langer Flur mit abgehenden Meetingräumen verband von nun an zwei Arbeitsbereiche: In dem einen saßen Kommunikation, Redaktion und Vertrieb zusammen, in dem anderen Herstellung, Projektmanagement und Programmleitung. Dazu entstanden eine große Küche mit langer Tafel, die Platz für Social-Events und inoffiziellen Austausch bot, und zusätzlich separierte Meetingräume für die Projektentwicklung innerhalb unserer Bucherstellungs-Workshops. Kurzum: Bereits damals blieben nur wenige Steine aufeinander.
Diese räumlichen Änderungen gingen mit einem grundlegenden Wandel der Kommunikation und Unternehmenskultur innerhalb des Verlags einher. Das allumfassende Duzen zeugt am deutlichsten davon, der Einsatz von Sound Machines – hosentaschengroße Maschinen mit Knöpfen für kurzen Applaus, Error und weiteren Tönen – hat sich nur als Randphänomen etabliert. Dazu Vertrauensarbeitszeit, mobiles Arbeiten mit Laptop und Co. – das volle New-Work-Programm eben. Dachten wir.
Impulse aus eigenen Büchern
Denn, wie in wahrscheinlich jedem Unternehmen, gibt es eine große Herausforderung: Die Kommunikation in neuen Räumen zum Fließen zu bringen. Dadurch, dass die Flächen offen waren, wussten zwar Vertrieb, Redaktion und Kommunikation sehr genau, was die jeweils andere Abteilung trieb, doch der trennende Flur hemmte den Informationsfluss darüber, was sich in Programm und Herstellung Neues tat. Parallel zu der internen Erkenntnis im Murmann Verlag, dass die Kommunikation durch die räumlichen Gegebenheiten gehemmt wird, erschien bei uns das zweite Buch von Dark Horse Innovation. Die Innovationsagentur berät sonst große deutsche Unternehmen in Sachen Projektmanagement oder Arbeitsraumgestaltung, mit dem „Digital Innovation Playbook“ (2016) und dem „New Workspace Playbook“ (2018) teilten sie in modern gestalteten Büchern zum Lesen, Analysieren und Mitarbeiten ihr Know-how. Eben jenes „New Workspace Playbook“ ließ uns – drei Jahre nach unserem Umbau – unsere Raumgestaltung erneut überdenken. Denn, so schreibt das Team von Dark Horse Innovation in einem Gastbeitrag über heutiges Arbeiten: „Austausch muss schnell, kurz und spontan stattfinden und wir müssen mehr nebenher mitbekommen“, um sich einklinken zu können, wenn Themen und Fragen relevant sind – denn nur so kann Wissen im Team wirklich weitergegeben werden. Dieses Einklinken-Können war genau der Aspekt, der uns überlegen ließ: Sollten wir besser dichter zusammenrücken, den trennenden Flur also überspringen?
»Bibliothek« als Gegenpol zum Großraumbüro
Bei dieser Überlegung galt es, möglichen Vorbehalten gegen die erwartete Anmutung eines Großraumbüros Rechnung zu tragen. Klischees gibt es ja genug: Zum Beispiel fehlende Privatsphäre sowie eine höhere Geräuschbelastung und die damit einhergehende Sorge, zu sehr von der eigenen Arbeit abgelenkt zu werden. Um besonders letzterer vorzubeugen, entstand schnell die Idee, einen Meetingraum zum Stillarbeitsraum – Dark Horse Innovation nennt solche Räume in ihrem Buch „Bibliotheken“ – umzuwandeln. Die Regeln darin sind klar: Hier soll und kann konzentriert gearbeitet werden, auch zu mehreren, aber eben schweigend wie in einer Bibliothek.
In einem internen Workshop im März 2019 entwickelten wir als Team auf der Grundlage all dieser Überlegungen eine neue Sitz- und Arbeitsordnung: Das operative Team und Teile der Verlagsführung sitzen seitdem gemeinsam an nahe gelegenen Tischblöcken, aber mit einem dezidierten Stillarbeitsraum in Sichtweite, der als Refugium zum konzentrierten Arbeiten dient. Zusätzlich haben wir zur internen Kommunikation Microsoft Teams eingeführt: ein Messenger, der, ähnlich wie das von uns bereits zuvor vereinzelt genutzte Slack, auf die Kommunikation im Unternehmen spezialisiert ist. So sollen einerseits die internen Mails reduziert, andererseits manche Konversation in die geräuscharmen digitalen Sphären umgeleitet werden.
So arbeiten wir nun seit Mitte März und haben uns für die erste Aprilwoche eine erste Evaluation vorgenommen: Was läuft gut, was läuft schlecht, brauchen wir noch schalldämpfende Raumtrenner oder reicht es schon, wenn alle das Telefon etwas leiser stellen? Das teamübergreifende Feedback der ersten beiden Arbeitswochen: Die gemeinsame Arbeitsfläche ist leiser als geahnt, aber noch optimierbar. Für richtig konzentriertes Arbeiten macht der Stillarbeitsraum Sinn – und Noise-Canceling-Kopfhörer sowie leise Tastatur testen wir in den kommenden Wochen. Doch das eigentliche Ziel, schnelleren Austausch zu ermöglichen und den Informationsfluss zu verbessern, haben wir erreicht. Und hoffen, das bleibt so.
Status quo: auch wieder nur ein Status quo
Denn eines haben wir bereits jetzt gelernt: Es gibt in der Arbeitsraumgestaltung nicht die eine für alle richtige Antwort. Weder für alle Unternehmen noch für alle Mitarbeiter. Manche Jobs sind per se kommunikativer angelegt – ein Projektmanager etwa muss weniger Stillarbeit leisten als ein Lektor –, manche Kollegen sind geräuschempfindlicher als andere. Die New-Work-Experten von Dark Horse Innovation sehen wie auch wir daher die Zukunft in halboffenen raumtrennenden Strukturen wie etwa den „Supergrids“, die gleichzeitig Offenheit ermöglichen, aber auch die Akustik verbessern sollen. Dennoch haben wir uns vorerst gegen solche Raumtrenner entschieden. Denn der Großteil der Kollegen ist zumindest für den Moment zufrieden mit der neuen Sitzplatzanordnung. Aber wie immer gilt: Nichts ist für immer. Und das gilt auch für die Bürogestaltung.
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