Die soziale, unternehmerische und technische Kraft von Netzwerken wird selten bewusst als Ressource herangezogen. Mit der Corona-Krise hat sich das fundamental geändert. Doch wie genau denkt und handelt man resilienzsteigernd in Netzwerk-Kategorien?
Im 3. Teil der Serie „Resilienz für Verlage” im Channel Produktion & Prozesse auf buchreport.de interpretieren Theresa Bolkart, Olaf Deconinck und Frank Ladd (alle in der Unternehmensberatung Publisher Consultants aktiv) die Frage nach der Kraft von Netzwerken mit Blick auf die Bereiche IT, Geschäftsmodell sowie Führung der Mitarbeitenden.
- Im 1. Teil sind Markus Wilhelm und Nikola Ulrich auf die Frage eingegangen, wie sich Geschäftsmodelle in Zeiten der Krise stabilisieren lassen.
- Im 2. Teil haben Theresa Bolkart und Anja Paquin beschrieben, wie man lernt, Veränderungen als gegeben anzunehmen, sie als Teil der eigenen (Arbeits-)Realität zu akzeptieren und damit einen zentralen Schritt in Richtung Resilienz zu gehen.
„Wir halten zusammen!“ – Dieser mit viel Pathos vorgetragene Satz hat mit Corona seinen Weg als zentrale Beschwörungsformel in die Mitte der Gesellschaft gefunden. Er beschreibt einen wichtigen Punkt für die Überwindung von Krisen, ein Basis-Hilfsmittel für mehr Resilienz: Stärke und Kraft für einen Neuanfang nach einer Krise gewinnt der Einzelne vor allem im Zusammenspiel mit anderen, in der Vernetzung, im Team.
Doch wie kann man diese zentrale Erkenntnis innerhalb von Unternehmen in den unterschiedlichen Bereichen umsetzen und damit die Widerstandskraft und Krisenfestigkeit erhöhen?
1. Technik als Grundbaustein für Krisenfestigkeit
Schon vor Corona war Digitalisierung eines der am liebsten gekrähten Buzzwords der Buch- und Medienbranche, mal über-ernst genommen, mal bagatellisiert. Mit Ausbruch von Covid-19 und der damit einhergehenden zwingenden Notwendigkeit, sich anders zu organisieren, wurde klar: Das Ende des Gegackers ist erreicht, es ist jetzt Zeit, ein Ei zu legen und sich der Aufgabe zu stellen, dem abstrakten Thema Digitalisierung ein klares und für jedes einzelne Unternehmen stimmiges Gesicht zu verpassen. Wie gut, wie resilient Unternehmen in der Krise waren, hing unmittelbar mit dem Grad ihrer Digitalisierung zusammen.
Auf die ersten Notfallmaßnahmen mit verschiedensten Systemen, Cloud-Diensten und Anwendungen am Anfang der Pandemie folgte die Erkenntnis: Um die soziale Vernetzung und damit Arbeitsfähigkeit von Teams und Abteilungen herzustellen, ist es notwendig, das sozial-zwischenmenschliche Netzwerk auch systemisch-technisch zu denken und innerhalb der unternehmerischen Systemlandschaft sämtliche Kommunikations-Notwendigkeiten abzubilden. Die Stärke und Stabilität der technischen Netzwerke sowie der entsprechenden Infrastruktur wurden stärker denn je zur Grundlage für die Verbindung der einzelnen Mitarbeitenden und damit zum Grundbaustein für die Widerstandsfähigkeit und Krisenfestigkeit ganzer Unternehmen.
Kein Weg zurück
Nach über einem Jahr Pandemie wissen wir: Aus der Digitalisierung der Arbeitswelt, dem Homeoffice und der Videokonferenz führt kein Weg zurück ins analoge Zeitalter. Die Analyse und Neuausrichtung der technischen – und damit sozialen – Infrastruktur von Unternehmen ist damit nicht nur eine Notwendigkeit der Gegenwart, sondern ein Erfolgsfaktor für die Zukunft. Dass hier auch kleine und schlanke Lösungen schnell zum Ziel führen können, hat uns die Zeit des Corona-Lockdowns als eine Zeit des Improvisierens und Ausprobierens mehr als deutlich gemacht.
Schlank, schnell, klar: 3 Schritte für mehr System-Resilienz
Vernetzung
Eine vollständige Sicht auf die Systeme und deren Anbindung aneinander ist unerlässlich. Aus dieser Sicht lässt sich bewerten und entscheiden, welche weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen, um eine optimale Vernetzung und somit auch Transparenz und Schnelligkeit zu erreichen. Entscheidend ist dabei die Erstellung einer Systemarchitektur, die aufzeigt, ob Systeme und Tools eine effiziente technische Verbindung zueinander haben, um miteinander „sprechen zu können“. Sie schafft visuelle und dann auch konzeptionelle Klarheit über die technischen Gegebenheiten in Ihrem Unternehmen.
Stärken
Schöpfen Sie die Potenziale im Unternehmen aus. Dafür muss in vielen Fällen die Rolle der IT neu definiert werden, weg von der Sicht eines hausinternen „Kabel-Steckers“ hin zum Sparringspartner für Digitalisierungsthemen. Nutzen Sie das Technologie-Know-how im eigenen Haus zur Entwicklung von digitalen Lösungen für die Zusammenarbeit intern und extern.
Standards
Standards helfen, Aufwände zu minimieren: Welche Softwarelösungen können aus Cloud-Angeboten bezogen werden? Welche Softwarelösungen brauche ich noch, um die Produkte und Services zu erzeugen? Wie schnell kann ich meine Softwarelösungen skalieren? Erwägen Sie, eingesetzte Individualsoftware gegen „Software as a Service“-Angebote (SaaS) einzutauschen. Vorteile von Standardanwendungen sind die laufende Weiterentwicklung durch den Softwarehersteller, eine breitere Anwenderbasis, umfassendes Dokumentationsmaterial und Schulungsmöglichkeiten zum schnelleren Onboarding von neuen Anwendern sowie eine meist ausgereifte Benutzeroberfläche und Ergonomie. Durch die Arbeit mit cloudbasierten Lösungen entsteht eine zeitnahe Skalierbarkeit der IT-Leistungen, und Risiken im Sicherheits-, Auslastungs-, Know-how- und Technologiebereich werden an den Softwaredienstleister ausgelagert. Nicht zuletzt strapazieren Sie die Investitionskosten für Hardware nicht so sehr und sorgen für einen geräte-, zeit- und ortsunabhängigen Zugriff auf Ihre Softwareanwendungen.
2. Kooperation = Netzwerk als Geschäftsmodell
Doch nicht nur im technischen Bereich, also auf der Mikroebene von Unternehmen, sorgen kluge Netze für mehr Stabilität. Auch auf der Makroebene im Bereich der Geschäftsmodelle hilft das gezielte Knüpfen von Verbindungen, die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Dass dies durchaus gelingen kann, war zuletzt bei den „B2B Media Days 2021” der Deutschen Fachpresse von Robert Höllein, Geschäftsführer von CPI Druck, zu erfahren. Die von ihm begleitete Kooperation von CPI mit Zeitfracht ist eines der am meisten beachteten Projekte in diesem Bereich und ein gutes Beispiel dafür, wie unternehmensübergreifende Zusammenarbeit gelingen kann.
Was die Zusammenarbeit von Zeitfracht und CPI für den Buchmarkt bedeutet
Mehr als nur »Vetterleswirtschaft«
Doch was bedeutet in diesem Zusammenhang eigentlich „gelungene Kooperation“? Für den einen ist es ein reines Tauschgeschäft, für den anderen die Bündelung von Ressourcen und der Dritte benutzt den Begriff als weniger verfängliches Wort für die Vetterleswirtschaft. Von Allianz bis Zusammenarbeit ist der Interpretationsspielraum weit, doch um Kooperationen gewinnbringend aufzusetzen, ist es wichtig, mehr im Blick zu haben als nur die Überschneidung von wirtschaftlichen Interessen.
Wer, wie, was dann? – 3 Schritte für gelungene Kooperationen
Zieldefinition
Wenn sich zwei unternehmerisch zusammentun, haben die Beteiligten oft zunächst nur die eigenen Vorteile im Blick. Bekomme ich neue Kundschaft? Bessere Preise? Kann ich Personal abbauen? – Werfen Sie diese Gedanken über Bord und konzentrieren Sie sich darauf, Ihre jeweiligen Interessen transparent zu machen. Welche ökonomischen, ökologischen oder sozialen Vorhaben leiten Sie und die Menschen auf der anderen Seite des Verhandlungstisches? An welchen Stellen gibt es Schnittmengen? Aus dieser Schnittmenge entwickelt sich eine gemeinsame Zielsetzung, die den Grundstein legt für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
Risikomanagement
Wenn eine Kooperation gelingt, die für alle Beteiligten Vorteile verspricht, liegt es nicht unbedingt nahe, an das Ende zu denken. Tun Sie es trotzdem. Stellen Sie sich den schlimmsten Szenarien, denken Sie von einer „schlechten Zukunft“ her. Was geschieht, wenn die zentral handelnden Personen das Unternehmen verlassen? Eine Insolvenz droht? Die Kartellbehörde vor der Tür steht? Wenn Sie Ihre Worst Cases beschreiben können, gelingt es Ihnen auch, dafür vorab Lösungen zu definieren, und die Gefahr, dass Unvorhergesehenes die Zusammenarbeit schnell wieder beendet, ist gebannt.
Vertrauen
Egal, wie viele Faktoren Sie bedenken, wie ausführlich Ihre Unterlagen und Verträge sind – am Anfang zählt, ob die Personen einander vertrauen, die hier zusammenarbeiten sollen. Vertrauen muss wachsen, aber es lässt sich auch gezielt herstellen: Kommunizieren Sie offen. Formulieren Sie Beobachtungen, die Sie irritieren oder zweifeln lassen und beobachten Sie genau, wer welche Rolle übernimmt und ob auf Augenhöhe gesprochen wird, damit alle Verhandelnden das Ergebnis als gemeinsames Projekt begreifen und so die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass im Geheimen opponiert wird.
Weitere Lösungen, Impulse und Erfahrungsberichte für die Verlagsproduktion lesen Sie im Channel Produktion & Prozesse von buchreport und Channel-Partner Publisher Consultants.
Hier mehr…
3. Resilienz als soziale Technik
Es ist vergleichsweise neu, dass für die Kraft, gut oder sogar gestärkt aus Krisen hervorzugehen, mit Resilienz ein eigener Begriff geprägt wurde. Diese Fähigkeit, auch in schweren Zeiten den Kopf oben zu behalten, ist jedoch so alt wie die Menschheit. Denken Sie nur an diejenigen, die nach Kriegen und Katastrophen ganze Dörfer, Städte und Länder wieder aufgebaut haben. Denken wir an unsere eigene Fähigkeit, Kummer auszuhalten, und an die Rezepte gegen Sorgen jeder Art, die die Presse verbreitet und die doch nur die Formulierung eines kollektiven Wissens sind: Wir Menschen haben die Fähigkeit, nach Krisen wieder aufzustehen.
Nicht nur besitzt jeder einzelne Mensch die Kraft, widerständig zu sein. Auch soziale Netze und Systeme wie Familien, Abteilungen oder Freundeskreise besitzen die Fähigkeit, sich gemeinsam aus Krisen zu helfen. Diese sozialen Netze sind die Ur-Systeme unseres Daseins, durch gesamtgesellschaftliche Megatrends wie die Individualisierung gerät dies nur in Vergessenheit, und wir machen uns zu selten deutlich, wie groß die Kraft von zwischenmenschlichen Verbindungen sein kann.
Connection – 3 Schritte, um Resilienz zu fördern
Verbundenheit als menschliches Grundbedürfnis
Machen Sie sich klar, dass die Verbundenheit mit anderen ein zentrales menschliches Grundbedürfnis ist, das unterstützt und gefördert werden kann. Als „Connection“ bezeichnet der Resilienz-Coach Denis Mourlane in seinem Buch „Resilienz – die unentdeckte Fähigkeit der wirklich Erfolgreichen” eine starke Verbindung zwischen zwei Menschen und damit einen zentralen Grundbaustein für Resilienz.
„Connection to Work“
Wer seine Aufgabe und seinen Sinn im Leben gefunden hat, geht widerstandsfähiger durchs Leben als andere, die diese Frage nicht beantworten können. Schaffen Sie daher Klarheit und Verbundenheit der Mitarbeitenden mit ihrer Arbeit und ihren Aufgaben, indem Sie sie ihren Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechend einsetzen und akzeptieren und fördern Sie den Wunsch nach Veränderung und Handlungsspielraum.
„Connection to Life“
Auch wenn die Work-Life-Balance inzwischen schon fast zum Buzzword verkommen ist, ist doch wichtig, zu beachten, was der Begriff beinhaltet. Gerade in Zeiten der Digitalisierung, des Homeoffice und der Vermischung von Beruflichem und Privatem ist es umso notwendiger, die Bereiche ins Gleichgewicht zu bringen. Wer seinen Platz im Leben kennt, der kennt auch seinen Platz im Büro und schöpft daraus Kraft. Gehen Sie hier mit gutem Beispiel voran und unterstreichen und leben Sie die Wichtigkeit dieser Balance – für Ihre eigene und für die Resilienz Ihrer Mitarbeitenden.
Kommentar hinterlassen zu "Wo Sie die Kraft von Netzwerken nutzen können"