Lieber gar kein Preisbindungsgesetz als eines, das einen Teil der Branche benachteiligt, meinen die HTWK-Studentinnen Cigdem Aker und Friederike Gildemeister mit Blick in die Schweiz.
In diesen Tagen wird bei unseren Nachbarn in der Schweiz fleißig über die Wiedereinführung der Preisbindung debattiert. Eigentlich eine positive Entwicklung für die Buchbranche bei den Eidgenossen, aber der aktuelle Gesetzesentwurf bietet keinen einheitlichen Schutz des Kulturgutes Buch, weil der traditionelle Versandbuchhandel und der ausländische Internethandel von der Preisbindung ausgenommen werden. Damit steigt der Konkurrenzdruck auf den stationären Buchhandel, da dieser Bücher nur zum festen Ladenpreis verkaufen darf, während Weltbild & Co. im Internet munter legales Preis-Dumping betreiben können.
Der Tatsache, dass Kunden aufgrund der höheren Markttransparenz immer mehr Preise vergleichen und es keine Rolle spielt, ob das Produkt online oder offline verfügbar ist, wird im Entwurf nicht Rechnung getragen. Gibt es ein und dasselbe Produkt zu zwei verschiedenen Preisen, sucht sich der Kunde natürlich das günstigste aus. Der stationäre Buchhandel hat dann das Nachsehen. Seine Umsätze sinken und der Marktanteil des Versandhandels wächst noch schneller, als er es ohnehin schon tut. Der aktuelle Gesetzesentwurf wirkt also als Katalysator auf die Entwicklung des Internetbuchhandels. Ein Effekt, den das Preisbindungsgesetz eigentlich verhindern sollte.
Dazu kommt eine Diskriminierung des stationären Buchhandels. Er muss sich an die vom Verlag festgelegten Preise halten und verliert im Preiswettbewerb mit der ambulanten Konkurrenz. Zusätzlich bedeutet der Betrieb des Ladenlokals höhere Kosten in Bezug auf Miete und Personal. Zwar würde das Bandbreitenmodell eine Erhöhung des Ladenpreises um bis zu 20 % ermöglichen und eine höhere Marge erlauben, mit der Ausnahmeregelung für den Versandhandel ist es für den stationären Buchhandel aber praktisch nicht anwendbar. Preisunterschiede von 40% oder mehr bezahlt kein Endkunde ohne ersichtlichen Zusatznutzen. Auch der Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband ist mit der aktuellen Fassung unzufrieden und plädiert für eine Überarbeitung des Entwurfs zugunsten des stationären Buchhandels.
Sollte dieses Gesetz tatsächlich im März vom Ständerat verabschiedet werden, brechen schwere Zeiten für den traditionellen Schweizer Buchhandel an. Lieber gar kein Preisbindungsgesetz als eines, das einen Teil der Branche benachteiligt.
Generell ist die Preisbindung ein wichtiges Instrument in der Buchbranche. Laut Preisbindungsgesetz in Deutschland schützt es den klassischen Sortimentsbuchhandel und ermöglicht eine flächendeckende Versorgung mit dem Kulturgut Buch. In Ländern ohne Preisbindung beobachten wir einen stetigen Rückgang der kleinen Buchhändler und einen verstärkten Preiskampf, in dem auch branchenfremde Großunternehmen eine immer wichtigere Rolle spielen.
Zum Beispiel verlagert sich in Großbritannien vor allem der Bestsellerverkauf auf die großen Supermarktketten. Der Marktanteil von Tesco, Asda und Sainsburys am Verkauf in der allgemeinen Literatur lag im ersten Halbjahr 2009 insgesamt bei 19,5%.
Auch in den USA ist der Preiskampf wegen einer fehlenden Gesetzesgrundlage längst entfacht. Amazon bietet aktuelle Hardcover-Bestseller oft schon zum halben Preis an. Bei solchen Rabatten fragt man sich, ob diese Bücher überhaupt noch Gewinn abwerfen oder sogar schon unter dem Einkaufspreis verkauft werden. Ein gutes Beispiel ist der neueste Roman von Dan Brown. Der Listenpreis für „The Lost Symbol“ liegt bei 29,95 Dollar, Amazon verkauft ihn für 12 Dollar. Ironischerweise kostet das E-Book mit 13,79 Dollar sogar etwas mehr als die gedruckte Variante.
Solche Szenarien sind in Deutschland dank Preisbindungsgesetz nicht möglich. Aber in der Praxis kommt es vermehrt zu Preisbindungsverstößen. Jüngstes Beispiel ist das vom Landgericht Hamburg verhängte Gerichtsurteil gegen Amazon Deutschland, das dem Online-Buchhändler vorschreibt, sich an die in Deutschland geltende Preisbindung zu halten. Der Kläger Dietrich Wienecke, Inhaber einer Buchhandlung in Brunsbüttel, zog im Frühjahr 2008 vor Gericht, nachdem er Amazon schon mehrmals wegen falscher Preise abgemahnt hatte. Grund war die verfrühte Auslieferung des dritten Bandes der erfolgreichen „Bis(s)“-Reihe von Stephenie Meyer, die außerdem drei Euro günstiger verkauft wurde. Amazon hat gerade Berufung gegen diese Entscheidung eingelegt.
Wir dürfen also mit Spannung das Urteil der nächsthöheren Instanz erwarten. Problematisch ist der Abgleich der Verkaufspreise, solange es keine Datenbank gibt, die hundertprozentig korrekte Preise ausweist. Die Verlage, welche die Preishoheit besitzen, müssen die Preise im VLB regelmäßig pflegen, damit solche Verstöße in Zukunft verhindert werden. Wenn nötig muss der Börsenverein eine verbindliche Regelung schaffen, um das VLB als sichere Quelle für Endkäuferpreise zu stärken.
Aber nicht nur der verbreitende Buchhandel verstößt immer wieder gegen die Preisbindung, auch die Verlage untergraben diese mit dem Verkauf preisreduzierter Mängelexemplare, deren einziger Mangel der Stempel an der Unterseite der Bücher ist.
Solche Einzelfälle bedrohen die gesetzliche Buchpreisbindung, die ein wichtiger Faktor für die Stabilität in der deutschen Buchbranche ist und insbesondere für kleine Buchhandlungen die Existenzgrundlage bedeutet. Zurzeit erlebt der Buchhandel viele Veränderungen; die wichtigsten sind vermutlich die verstärkte Unternehmenskonzentration und die zunehmende Bedeutung digitaler Produkte. Die Preisbindung sollte trotz allem nicht zum Aussitzen der aktuellen strukturellen Probleme genutzt werden, sondern vielmehr als Schutzschirm dienen, unter dem der stationäre Buchhandel seinen eigenen Weg im 21. Jahrhundert finden kann.
Cigdem Aker und Friederike Gildemeister sind Studentinnen im Bereich Buchhandel/Verlagswirtschaft, Fakultät Medien, an der HTWK Leipzig
Hallo Friederike,
hatte heute mal gegoogelt. Ich wusste, dass aus dir mal was Grosses wird. Welch eine Überraschung im Netz!!! :-)))
Melde dich mal! Bin über Ostern in Clarholz.
Lieben Gruß
Walter
Ist es denn schlecht, dass die nicht internetnutzende Oma oder die Hartz-4- Mutter in der Kleinstadt ein Buch für den gleichen Preis erstehen kann, wie jene, die in Reichweite preisbrechender Riesen leben oder online einkaufen können? Ich finde es für den Konsumenten ganz angenehm, mal nicht links und rechts nach dem besseren Preis schielen zu müssen. Und auch wenn ein Großteil der preisgebundenen Bücher vielleicht nicht zu Bildungszwecken verkauft wird: mein Sohn lernt nicht mit Goethe lesen und ich bin froh, daß die Erstlesereihe in meiner Buchhandlung das Gleiche kostet wie in der Großstadt und der Verlag genug Geld verdient, um mal was Neues zu entwickeln.
das hier kommt mir vor wie das Privatisierungs-Marketing der Bahn!! Jede Branche beneidet die Buchbranche für die Preisbindung und schreibt unverbindl. Preisempfehlungen auf ihre Artikel. Wenn die Preisbindung fällt, haben wir bald amerikanische Verhältnisse. Außerdem zieht man die Kunden über den Tisch, wenn Bücher nach 2 Wochen 20 Euro weniger kosten, nur noch Markenautoren garantieren angemessene Preise und wer will den nur solche lesen?
Gut argumentiert, aber mein Fazit wäre dann eben kein Preisbindungsgesetz. Ist es 2010 noch zeitgemäß, solche Mechanismen im Markt zu haben? Warum Preisbindung für Bücher, und nicht für Äpfel? Ich übertreibe, aber die Begründung wäre natürlich, dass Bücher Kulturgüter sind. Daran darf man aber zweifeln, oder bestenfalls zugeben, dass weniger als 2% der Verlagsprodukte etwas mit einem schützenswerten Kulturbegriff zu tun haben. Preisbindung hat meines Erachtens viel mehr mit dem Überleben von der Buchbranche zu tun, als mit der Bewahrung von Kultur. Aus der Perspektive der Konsumenten, kann es nur unlogisch wirken. Nur weil man Goethe-Bändchen verkauft, muss der Staat die Existenz mit dieser Methode gewährleisten?
Jede Branche hat selbstverständlich das Recht, um ihre Existenz zu kämpfen, aber bitte nicht auf Kosten meiner Rechte als Konsument.