Der Koalitionsvertrag (hier zum Download), von dem Anfang der Woche ein Entwurf veröffentlicht wurde, enthält in einem ausführlichen Kapitel „Kultur“ eine ganze Reihe von Buchbranchenthemen. Mancher Plan dürfte vor allem in den Verlagen die Alarmglocken schrillen lassen.
Aus Sicht des verbreitenden Buchhandels aber überwiegen beim Lesen des Vertragsentwurfs zunächst einmal die positiven Erlebnisse:
- Preisbindung: Ausdrücklich bekennen sich die Koalitionäre zur Preisbindung als „essenzieller“ Voraussetzung „für die Erhaltung der Vielfalt der Bücher und Buchhandlungen.
- Die fixen Preise will das angehende Regierungsbündnis „europarechtlich auch im Hinblick auf E-Books absichern“.
- Mehrwertsteuer: Der reduzierte Mehrwertsteuersatz für Bücher soll beibehalten werden.
- Die reduzierte Steuer solle „in Zukunft auch für Hörbücher gelten“, heißt es lapidar. Auch für E-Books werde sie angestrebt, allerdings müssten dafür erst europarechtliche Voraussetzungen geschaffen werden.
Auch aus Sicht der Verlage fällt bei der Lektüre Positives ins Auge:
- Künstlersozialkasse: So bekennt sich die Koalition zur Künstlersozialkasse, erkennt aber auch Belastung der Verlage durch die Künstlersozialabgabe an. Sie dürfe nicht weiter steigen und müsse „mittelfristig“ sinken.
- VG Wort: Die Formulierung, die Koalition wolle „die kollektive Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften stärken“, dürfte sich auf den Streit um die Verteilungspläne der VG Wort beziehen und Bereitschaft signalisieren, den Konflikt zur Not per Gesetzesänderung zu lösen.
Urhebervertragsrecht und Wissenschaftsschranke
- Piraterie: Ernüchternd fällt die Exegese dagegen nicht nur im Hinblick auf Maßnahmen gegen Internetpiraterie aus – konkrete Pläne zur Bekämpfung der Internetpiraterie sucht man im Entwurf des Koalitionsvertrags vergebens. Immerhin gibt es einige allgemeine Hinweise: „Wir wollen das Urheberrecht den Erfordernissen und Herausforderungen des digitalen Zeitalters anpassen. Dabei werden digitale Nutzungspraktiken berücksichtigt. Ziel muss ein gerechter Ausgleich der Interessen von Urhebern, Verwertern und Nutzern sein.“
Eine ganze Reihe von Vorhaben im Koalitionsvertrag bergen darüber hinaus Zündstoff:
- Urhebervertragsrecht: Nötig sei „eine Überarbeitung des Urhebervertragsrechts“, eventuell müssten die Verfahren beschleunigt und ihre „Verbindlichkeit verbessert werden“. Verleger erinnert das an die heftigen Auseinandersetzungen bei Einführung des aktuellen Gesetzes vor 12 Jahren. Zudem dürfte der schwelende Konflikt über die Übersetzervergütungen neu angefacht werden.
- Urheberrecht: Die Koalition will durch eine Reform des Urheberrechts „den wichtigen Belangen von Wissenschaft, Forschung und Bildung stärker Rechnung tragen und eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke einführen“, heißt es in der Vereinbarung. Kein gutes Zeichen vor allem für die Wissenschaftsverlage, die schon jetzt fürchten, von den notorisch klammen staatlichen Bildungsträgern quasi durch die Hintertür enteignet zu werden.
- Open Access: Gleiches gilt für die Ankündigung einer „umfassenden Open-Access-Strategie“ durch die Koalitionäre.
- Onleihe: Wissenschafts-, aber vor allem auch Publikumsverlage wird die Ankündigung hellhörig machen: „Wir werden prüfen, ob den öffentlichen Bibliotheken gesetzlich das Recht eingeräumt werden sollte, elektronische Bücher zu lizenzieren.“ Eine solche gesetzliche Zwangslizenz könnte allen Bemühungen, zukunftsfähige Modelle für den Vertrieb von E-Books zu entwickeln, gründlich einen Strich durch die Rechnung machen.
“ Kein gutes Zeichen vor allem für die Wissenschaftsverlage, die schon jetzt fürchten, von den notorisch klammen staatlichen Bildungsträgern quasi durch die Hintertür enteignet zu werden.“
Jetzt denken wir mal scharf nach, wer die Autoren finanziert, deren Texte durch die Wissenschaftsverlage vertrieben werden. Und dann sind da auch noch die oftmals fälligen Publikationszuschüsse…
Kommt jetzt wieder das Klischee, alle wissenschaftliche Literatur würde quasi staatlich finanziert? Bitte nochmal differenzierter drüber nachdenken.
Es geht im Koalitionsvertrag nur um öffentlich finanzierte Publikationen. Dass die frei zugänglich gemacht werden sollen, ist nachvollziehbar.
Das wird auf den weit überwiegenden Teil nicht zutreffen, denn die entsteht ganz oder zum Teil in Privatinitiative. Das ist reine Symbolpolitik.
Lasse mich gerne eines Besseren belehren: In welchen Bereichen (außer Lehrbüchern) sind es denn wirklich die Verlage, die die Autoren wissenschaftlicher Literatur voll finanzieren?
Gegenfrage: In welchen Bereichen ist es der Staat?
Sämtliche universitäre Forschung? DFG-finanzierte Drittmittelforschung? Ansonsten halt der entsprechende Finanzier…