Margaret Atwood erhält den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Die Feuilletons sind mit der Wahl der Kanadierin überwiegend zufrieden. Eine Zeitung hätte sich jedoch ein deutlicheres Zeichen gewünscht. Die Pressestimmen zur Auszeichnung:
SPIEGEL Online: Nobelpreis, pah! Mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet zu werden, ist das Beste, was Margaret Atwood passieren konnte. Keine ist so politisch wie sie. […] Mit dem „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels , den Atwood nun erhalten soll, wird ihr Schaffen in toto adäquater gewürdigt. Eben weil er im Kern einer der politischsten Buchpreise weit und breit ist, mit dem so unterschiedliche Autoren wie Susan Sontag, David Grossmann, Navid Kermani, Jaron Lanier und zuletzt Carolin Emcke bedacht wurden. Den bekommt keiner, weil er eben endlich mal „dran“ ist und ewig auf irgendwelchen Listen gehandelt wird. Was die Ausgezeichneten eint: ihre Haltung, mit der sie sich in die Brandung öffentlicher, zeitgenössischer Diskurse stellen. Sie sind jene, die bei all dem Getöse daran erinnern, wo die Route verläuft, an der wir uns orientieren sollten.
„Welt“: Zuletzt hatte man vermuten können, auch dieser Preis wäre einer, bei dem sich ein bürgerlich-linksliberaler Kulturmillieukonsens etwas dünnstimmig selbst versichert, immer auf der richtigen Seite zu sein. Im Fall von Margaret Atwood bestätigen sich solche Befürchtungen aber nicht – selbst dort, wo ihre Literatur zeitkritisch wird, bleibt sie Literatur, heißt: sie wird nicht mahnend, sondern absurd; wie jeder gute Dystopiker ist die Autorin auch eine Satirikerin. Spricht für die Atwood, spricht für den Zeitgeist.
„Süddeutsche Zeitung“: Es dürften aber kaum ihre literarischen Meriten allein ihr den Friedenspreis eingebracht haben. Margaret Atwood ist eine ideale Repräsentantin der nordamerikanischen Gegenwelten zu Donald Trump. In „Das Jahr der Flut“ (2009) hat sie Biotechnik und Klimakatastrophe literarisiert, in aktuellen Interviews die Politik der USA kritisiert. Navid Kermani wurde 2015 für den „Respekt vor den Kulturen und Religionen“, Carolin Emcke 2016 für ihre Einsprüche gegen „Gewalt, Hass und Sprachlosigkeit“ ausgezeichnet. Zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse wird Margaret Atwood am 15. Oktober in der Paulskirche den Friedenspreis entgegennehmen, als Hoffnungsträgerin in der transatlantischen Krise.
„FAZ“: Die Entscheidung für Margaret Atwood als diesjährige Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels darf man einigermaßen überraschend nennen. Vor allem, weil die Verleihung von der Jury implizit mit der Präsidentschaft von Donald Trump in Zusammenhang gebracht wird. […] Ein Zeichen gegen Trump wäre aus Frankfurt […] glaubwürdiger dadurch gesetzt gewesen, wenn man einen amerikanischen Staatsbürger als Friedenspreisträger ausgewählt hatte. Geeignete Kandidaten, gerade auch aus Gruppen, die besonders im Visier von Trumps repressiver Politik stehen, hätte es einige gegeben.
„taz“: Wenn der Börsenverein des Deutschen Buchhandels mit dieser Wahl ein aktuelles politisches Zeichen mit internationaler Strahlkraft setzen wollte, konnte es keine passendere Preisträgerin geben. Auf ihrem Twitter-Account – mit seinen derzeit 1,64 Millionen Followern ein Publikationskanal von einigem Gewicht – setzt sie sich nimmermüde ein für Umweltbelange. (Bei Redaktionsschluss ist der aktuellste Tweet eine Meldung über das neue Design einer Bio-Kaffeesorte, die nach der Autorin benannt ist und mit deren Verkauf ein Vogelschutzgebiet unterstützt wird.)
„Tagesspiegel“: 1985 veröffentlicht und ein paar Jahre später von Volker Schlöndorff verfilmt, lässt sich in Atwoods Roman [„Der Report der Magd“] manche Parallele zu den USA von Donald Trump erkennen, weshalb die kanadische Schriftstellerin zu einer der Ikonen der Womans March- und Anti-Trump-Bewegung wurde. Dazu passt, dass kürzlich auch das US-Fernsehen „The Handmaids Tale“ adaptiert und die Serie sich zu einer der erfolgreichsten und meistdiskutierten entwickelt hat.
Insofern ist es eine vernünftige und nach den vorherigen Wahlen von Carolin Emcke (2016), Navid Kermani (2015) und Svetlana Alexijewitsch (2014) fast wohlfeile Entscheidung, Margaret Atwood in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels zu verleihen.
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